Sprache auswählen

German

Down Icon

Land auswählen

Germany

Down Icon

Chialo stellt sich als Märtyrer hin, die Drecksarbeit überlässt er anderen – ein Kommentar

Chialo stellt sich als Märtyrer hin, die Drecksarbeit überlässt er anderen – ein Kommentar

Berlin wird Joe Chialo nun doch los, nur anders als gedacht: Nicht, weil er Kulturstaatsminister wird, sondern weil er zurücktritt. „Heute habe ich den Regierenden Bürgermeister um die Entlassung aus meinem Amt als Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gebeten“, teilte er mit. Hintergrund sei die Kritik an den weitreichenden Haushaltskürzungen für den Kulturbereich der Hauptstadt.

Die Begründung für diesen Schritt klingt unglaubwürdig: Im vergangenen Jahr habe er die geforderten Einschnitte im Kulturhaushalt schweren Herzens mitgetragen – im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Stadt, so Chialo. „Die nun geplanten weiteren Kürzungen greifen jedoch zu tief in bestehende Planungen und Zielsetzungen ein, verändern zentrale fachliche Voraussetzungen und führen so zur drohenden Schließung von bundesweit bekannten Kultureinrichtungen.“ Genauso dramatisch ist es, aber diese Worte kommen zu spät.

Die hätte man sich von einem kämpferischen Kultursenator gewünscht, der Joe Chialo nie gewesen ist, und nicht von einem, der nun keine Rolle mehr spielen wird in der Berliner Landespolitik. Das ist eine Wende um 180 Grad. Denn lange hat Chialo die Sparpläne verteidigt, er hat die Kulturinstitutionen zu mehr ökonomischer Eigenverantwortung ermahnt, ihnen geraten, in diesen schlechten Zeiten ein neues Mindset zu entwickeln. Das ist nicht im Grundsatz falsch, aber den verzweifelten Häusern das im Zusammenhang der massiven Etatkürzungen entgegenzuhalten, war herzlos und zeugte von Unkenntnis.

Jammern tut Chialo auch noch: Eine konstruktive Diskussion über die Situation sei zuletzt erschwert worden, da sich öffentliche Kritik zunehmend auf die eigene Person konzentriert habe. „In dieser Situation sehe ich es als meine Verantwortung, Raum für neue Perspektiven zu schaffen.“

Nicht mehr im Rocky-Modus: Joe Chialo

Das soll wohl hochherzig klingen, nach Märtyrer: Ich opfere mein Amt, um den Weg für bessere Zeiten freizumachen. Aber es wirkt doch eher so, als ob da jemand vor einer Aufgabe, die er selbst im Februar noch als Herkulesaufgabe beschrieben hat, kneift. Denn in den nächsten Jahren wird es in der Berliner Kultur richtig schmutzig, richtig schmerzhaft. Dem geht Chialo aus dem Weg. Dabei hatte er im Interview mit der Berliner Zeitung noch im Dezember vergangenen Jahres gesagt, ihn würden die Sparvorgaben in den „Rocky-Modus“ bringen. Damit ist nun Schluss. Mit der kommenden Katastrophe sollen sich andere herumschlagen. Joe Chialo hat keine Lust mehr.

Vielleicht reagiert er auch deshalb so, weil er sieht, wie ihm die Felle davon geschwommen sind. Sein Verhältnis zum Regierenden Kai Wegner (CDU) soll abgekühlt sein; dieser macht teilweise schon Chialos Arbeit, indem er den Dialog mit den Kulturinstitutionen aufgenommen hat. Chialo erwähnt es nicht, doch ist anzunehmen, dass er bitter enttäuscht darüber ist, nun doch nicht als Kulturstaatsminister ins Bundeskanzleramt einzuziehen – ein Amt, für das er lange als gesetzt galt, bis am Montag bekannt wurde, dass Wolfgang Weimer es übernimmt. Und jetzt, da die Kultursenatsverwaltung kein Sprungbrett mehr ist, springt Chialo ab.

Bleiben die nackten, bitteren Zahlen: Nachdem die Berliner Kultur dieses Jahr 130 Millionen Euro einsparen muss, sind es 2026 rund 149 Millionen Euro und 164 Millionen Euro im Jahr 2027. Zudem sind dann sämtliche Rücklagen aufgebraucht. Sicher, alle müssen sparen, im Gesamtumfang des Landes Berlin sind es drei Milliarden Euro, aber die Kultur hat es überproportional betroffen. Dass ausgerechnet in einer solchen Situation keiner da ist, der für sein Ressort, seine Schutzbefohlenen kämpft, ist bitter.

Empfehlungen aus dem BLZ-Ticketshop:

Berliner-zeitung

Berliner-zeitung

Ähnliche Nachrichten

Alle News
Animated ArrowAnimated ArrowAnimated Arrow