Chris Dercon erinnert sich an sein Desaster an der Berliner Volksbühne

Die New York Times traf Chris Dercon in Paris, wo er den Umzug der Fondation Cartier managt. Sein glückloser Aufschlag in Berlin bekommt viel Aufmerksamkeit.
Chris Dercon managt derzeit den Umzug der Fondation Cartier in ein Gebäude schräg gegenüber dem Louvre in Paris. Seit 2022 ist der 67 Jahre alte Belgier Dercon deren Generaldirektor, die New York Times hat ihn aus Anlass des Umzugs in das neue Gebäude des Museums für zeitgenössische Kunst mit seinen beweglichen Fußböden getroffen.
Ausführlich wird im Text an Dercons kurze Zeit als Intendant der Berliner Volksbühne erinnert, auch wenn das ein Posten war, den er nur wenige Monate innehatte, von August 2017 bis zum 13. April 2018, so kurz wie keine der anderen Stellen, die er im Lauf seiner Karriere ausgefüllt hat, etwa als Direktor der Tate Gallery in London.
Die New York Times erinnert daran, dass Dercons Eignung für den Posten an der Volksbühne bereits infrage gestellt wurde, bevor er ihn überhaupt angetreten hatte. Dass er das Ensemble verkleinern und internationale Gastspiele nach Berlin holen wollte, sei als Verrat an der Volksbühne verstanden worden. In Berlin seien 40.000 Unterschriften gegen ihn gesammelt worden, Protestierer hätten die Volksbühne besetzt, vor seinem Büro sei Kot abgelegt worden. Namhafte Künstler wie Ai Weiwei oder der Architekt Rem Koolhaas hätten ihn damals verteidigt. Ebenso sein Chef bei der Tate Modern, Nicholas Serota, der sagte, das Volksbühnen-Ensemble sei nicht bereit zu Veränderungen gewesen. Dercon habe etwas Neues nach Berlin bringen sollen, aber die Volksbühne sei dafür nicht reif gewesen. „Er ist dort gegen eine Wand gelaufen.“
Nach Berlin ging Dercon zum Grand Palais in Paris, den er 2022 hastig verließ, um bei der Fondation Cartier anzufangen. Dass er eine Tendenz zu abrupten Abgängen habe, streitet Dercon gegenüber der New York Times ab. „Ich bleibe meistens sieben Jahren, außer an der Volksbühne. Und dort, na ja …“
In der New York Times enthüllt der Kunstkurator Chris Dercon auch sein Lebensmotto: „Ich bin nur an dem interessiert, das ich noch nicht kenne.“ Was er nicht mögen soll, sind die Widrigkeiten des Alltags. Die NYT zitiert seinen Nachfolger beim Museum Boijmans, Sjarel Ex, mit den Worten, dass Dercon das Interesse verloren habe, wenn es ungemütlich wurde, wenn es etwa ein Personalproblem gegeben hätte oder Probleme mit der Wartung eines Gebäudes.
Berliner-zeitung