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Der heimatlose Deutsche: 150 Jahre Thomas Mann

Der heimatlose Deutsche: 150 Jahre Thomas Mann

Die Literaturwelt ist sich einig: Leben und Schreiben waren bei Thomas Mann (1875-1955) aufs Engste verknüpft. Der deutsche Autor wurde weltbekannt - als bedeutende Stimme der Kultur ebenso wie als Wanderer zwischen den Welten. Zwar gründet seine Berühmtheit in erster Linie auf seinem schriftstellerischen Werk - er schrieb große Romane wie die "Buddenbrooks", für den er 1929 den Literaturnobelpreis erhielt, den"Zauberberg" oder "Dr. Faustus". Bedeutend machte ihn aber auch sein politisches Engagement. Er verfasste Essays, formulierte Rundfunkansprachen: Thomas Mann lebte ein Leben in weltpolitisch turbulenten Zeiten, mit nicht weniger als zwei Weltkriegen, der Nazi-Herrschaft und dem Holocaust. Vieles davon spiegelt sich in seinem Werk.

Kino-Plakat zu dem Kinofilm "Buddenbrooks" von Heinrich Breloer
Auch ein großes Filmthema: die Buddenbrooks von Thomas Mann erzählen vom Untergang einer deutschen Kaufmannsfamilie
Schulzeit: Deutsch war nicht sein Fach

Das alles zeichnet sich nicht ab, als Thomas Mann am 6. Juni 1875 als Kaufmannssohn in Lübeck zur Welt kommt. Er wächst in einer großen Familie mit vier Geschwistern auf. Schon als Schüler verfasst er erste Prosaskizzen und Aufsätze. Wie sein Bruder Heinrich fängt er Feuer für die Literatur, was den Vater betrübt. Doch auch große Literaten fangen einmal klein an: In der Schule muss er nicht nur einmal eine Klasse wiederholen, im Fach Deutsch kommt er über ein "recht befriedigend" nicht hinaus.

Als der Vater 1891 stirbt, verlässt Mann die Schule vor dem Abitur, zieht mit der Familie nach München und beginnt dort eine Versicherungslehre, die er jedoch bald wieder abbricht. Er lebt vom väterlichen Erbe und beginnt als freier Schriftsteller zu arbeiten. Sein erstes Schriftstück "Gefallen" erscheint 1894 in der Zeitschrift "Die Gesellschaft". Mann will jetzt Journalist werden.

Mit Bruder Heinrich geht er für zwei Jahre nach Italien. Hier schreibt er an den Buddenbrooks, die 1901 nach Manns Rückkehr erscheinen. Der Roman handelt, angelehnt an die Familiengeschichte der Manns, vom Untergang einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie. Die Kritik lobt das Romandebut, das ursprünglich als Gemeinschaftswerk der Brüder geplant war. Fortan finanziert sich Thomas Mann aus eigener Kraft.

Erster Weltkrieg und Bruderzwist

Auf die Buddenbrooks folgen andere Werke, zunächst die Novellensammlung "Tristan" (1903), zu der auch "Tony Kröger" gehört, eine Erzählung über den Gegensatz zwischen Künstler und Bürger, Geist und Leben. Bemüht um eine bürgerliche Existenz, heiratet Thomas Mann 1905 Katia Pringsheim, die Tochter einer wohlhabenden Münchener Gelehrtenfamilie. Dennoch fühlt er sich auch zu jungen Männern hingezogen, was Katja aber offenbar nicht weiter stört. Das Ehepaar bekommt sechs Kinder. Einige treten später in die Fußstapfen des Vaters und werden Schriftsteller bzw. Schriftstellerin.

Schwarz-Weiß-Foto der lächelnden Geschwister Erika und Klaus Mann um 1930
Auch sie fühlten sich zum Schreiben berufen: Erika und Klaus Mann, in einer Aufnahme um 1930Bild: akg-images/picture alliance

Die Welt dreht sich weiter. Der Erste Weltkrieg (1914-1918) beginnt. Thomas überwirft sich mit Bruder Heinrich, inzwischen ebenfalls als Autor erfolgreich. Streitpunkt ist der Krieg: Heinrich veröffentlicht eine Antikriegsschrift. Thomas hält dagegen und erklärt vier Jahre später, warum: In dem Essay "Betrachtung eines Unpolitischen" (1918) verteidigt er das Kaisertum und seine Kriegspolitik. Erst 1922 – inzwischen hat Deutschland den Krieg verloren und mit der Weimarer Republik die Demokratie im Land Einzug gehalten - ändert er seine Haltung. In einer Rede bekennt er sich zur Weimarer Demokratie.

Für die "Buddenbrooks" nimmt Thomas Mann 1929 den Nobelpreis für Literatur entgegen. Es ist ein riesiger Erfolg für den Schriftsteller und bringt deutsche Literatur auf die Weltbühne. Einzig die Begründung der Juroren verstimmt Mann: Sein "Zauberberg", der 1924 erschienen ist, bleibt unerwähnt.

Lange bevor der Zweite Weltkrieg (1939-1945) ausbricht, wittert Thomas Mann die Gefahr. Er positioniert sich gegen die erstarkten Nationalsozialisten und hält 1930, drei Jahre vor Hitlers Machtergreifung, ein flammendes Plädoyer gegen die Nazis und für die Sozialdemokratie. Im Frühjahr 1933 – Hitler ist kaum im Amt - kehrt Thomas Mann von einer Vortragsreise durch Europa nicht nach Deutschland zurück. Er lässt sich in der Schweiz nieder. Der erste Band der Tetralogie "Joseph und seine Brüder" erscheint. In dem Romanwerk beschreibt Mann die Menschwerdung der biblischen Figur Joseph.

Buchcover von Thomas Manns Roman "Der Zauberberg"
Buchcover des Romans "Der Zauberberg" Bild: S. Fischer

Was in Deutschland geschieht, lässt er zunächst unkommentiert – bis 1936. Da prangert er Deutschlands Politik in einem Öffentlichen Brief an die "Neue Züricher Zeitung" an. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Berlin entzieht ihm die deutsche Staatsbürgerschaft, sein Ehrendoktortitel der Universität Bonn wird aberkannt. Zuvor schon rauben ihm die Nazis Ruhm und Reputation und später auch Teile seines Vermögens.

Auswanderung in die USA

So kehren die Manns Deutschland endgültig den Rücken. 1938 wandern Thomas und Katja in die USA aus. Mann übernimmt eine Gastprofessur an einer Universität in Princeton. Als bei der Ankunft ein Reporter wissen will, ob er das Exil als Last empfinde, entgegnet Thomas Mann: "Wo ich bin, ist Deutschland! Ich trage meine Kultur in mir und betrachte mich nicht als gefallenen Menschen."

Von 1940 an ruft Thomas Mann die Deutschen zum Widerstand auf. Der britische Rundfunksender BBC sendet seine monatlichen Radioansprachen über Langwelle in Manns alte Heimat - an der deutschen Zensur vorbei. In über 60 Sendungen redet er seinen Landsleuten ins Gewissen und spart dabei auch den Massenmord an den Juden nicht aus.

Doch auch bei den Gegnern des Krieges macht sich Mann nicht nur Freunde: Als die Waffen endlich schweigen, verfasst er den öffentlichen Brief "Warum ich nicht nach Deutschland zurückkehre" (1945). Darin macht er alle Deutschen für die Gräuel der Nazizeit verantwortlich. Kritiker sprechen ihm das Recht ab, als Exilant über das Leben unter Hitler zu urteilen.

Unverständnis löst auch dieser Satz aus, mit dem Mann das Bombardement deutscher Städte kommentiert: "Alles muss bezahlt werden." Auch literarisch, etwa mit seinem 1947 erscheinenden Roman "Doktor Faustus", eckt Mann an. Es erzählt vom Pakt des Tonsetzers Adrian Leverkühn mit dem Teufel. Es ist Manns Abrechnung mit den Gesellschaftsverhältnissen, die den Nationalsozialismus ermöglicht haben.

Historische Porträtaufnahme von Thomas Mann aus seinem Todesjahr 1955
Zurück in der Schweiz: Thomas Mann kurz vor seinem Tod im Jahre 1955Bild: Fritz Eschen/akg-images/picture alliance

Doch auch in den USA läuft nicht mehr alles rund: Das anti-kommunistische Nachkriegs-Amerika verdächtigt ihn, Sympathisant einer kommunistischen Partei zu sein, er wird vor ein Komitee für antiamerikanische Umtriebe zitiert. So verlässt der Schriftsteller Amerika 1952 wieder. Es zieht ihn in keinen der beiden deutschen Staaten. Stattdessen geht er zurück in die Schweiz, wo er am 12. August 1955 im Zürcher Kantonsspital mit 80 Jahren stirbt. Mit seiner Literatur, aber ebenso mit seiner Unbeugsamkeit gegenüber den menschenverachtenden Nazis hat Thomas Mann ein mutiges Zeichen gesetzt. Ein Erbe, das bleibt.

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