Glitter, Glamour, Politik: der ESC vor dem Finale

Zehn weitere Länder schafften am Donnerstagabend in der St. Jakobshalle in Basel den Sprung in die Endrunde des Eurovision Song Contest, darunter auch die israelische Sängerin Yuval Raphael. Sie ist eine Überlebende des Hamas-Terrors im Oktober 2022 und zählt - ungeachtet aller Proteste gegen Israel - zu den Favoritinnen. Weiter kamen neben Israel auch die Länder Litauen, Armenien, Dänemark, Österreich, Luxemburg, Finnland, Lettland, Malta und Griechenland. Die Heimreise antreten müssen allerdings Australien, Montenegro, Irland, Georgien, Tschechien und Serbien. Der Partystimmung tat das keinen Abbruch. Schon beim ersten ESC-Halbfinale am Dienstag zeigte das Pop-Publikum eine Sehnsucht nach Ausgelassenheit, im fröhlichen Kontrast zu einer Welt voller schlechter Nachrichten.

Für Deutschland trat erstmals - zunächst noch außer Konkurrenz - das Wiener Geschwisterpaar Abor & Tynna an. Abor &Tynna heißen mit bürgerlichem Namen Attila (26) und Tünde (24) Bornemisza. Deutschland ist neben Italien, England, Frankreich und Spanien für das Finale gesetzt, weil es zu den Geberländern des ESC gehört. Abor & Tynna brachten ihren Elektrohit "Baller" auf die Bühne, angereichert mit stakkatoartigen "Vocal Chops" [kurze Ausschnitte aus anderen populären Songs, Anm.d.R.]. Stroboskhafte Effekte rückten die Inszenierung ins rechte Licht. Abor traktierte dazu ein LED-beleuchtetes Cello.

Welchen Erfolg "Baller" damit am Samstagabend einfährt, ist allerdings offen: Bei den Buchmachern verharrt Baller bisher im Mittelfeld. Überhaupt scheint der Baller-Effekt beim diesjährigen ESC angesagt, übrigens auch so manche Zweideutigkeit: "Ich komme" jubelt etwa die Finnin Erika Vikman, untermalt von erotisch aufgeladenen Verbiegungen. Als schriller Paradiesvogel gab sich der Australier Go-Jo, bei dessen Gaga-Song namens "Milkshake Man" es jedenfalls nicht um Kuhmilchprodukte ging. An den Start gingen auch ein lettisches Elfen-Sextett, das aussah wie aus einem Stamm geschnitzt, ein Schlosser aus Armenien, der sich als "Survivor" ausgab und, nicht zu vergessen, drei Disney-Barbies aus Großbritannien, die griechische Sängerin Klavdia mit großer Brille und schließlich eine weibliche Dracula aus Georgien. Die Schweden treten mit einem Spaß-Trio aus Finnland an. Die Gruppe KAJ frönt mit ihrem Spaßsong "Bara bada bastu" (Einfach in die Sauna gehen) genau dem: dem Saunagang. Schweden also ein heißer Favorit?

Gewinnchancen im Finale am Samstag könnte die israelische Sängerin Yuval Raphael haben. Ihre Versöhnungshymne "New Day Will Rise" wird in Israel als Erlösungslied gefeiert. Darin geht es um Verlust und Hoffnung. Bei einer Probe vor Publikum kam es am Donnerstag Berichten zufolge zu Störungen durch Israel-Kritiker mit Trillerpfeifen und Palästinenserfahnen. Größere Zwischenfälle blieben aber bislang aus, anders als 2024 in Malmö. Sängerin Yuval Raphael (24) hat die Anschläge in Israel durch Terroristen der Hamas am 7. Oktober 2023 als Besucherin des Nova-Musikfestivals überlebt, stundenlang versteckt unter Leichen, wie es heißt.

Der Eurovision Song Contest ist mit 160 Millionen TV-Zuschauern das meistgesehene Musikspektakel der Welt. In diesem Jahr kommt es aus Basel. 37 Länder wetteifern am Samstagabend ab 21.00 Uhr in der St. Jakobshalle um die Siegestrophäe. In der Schweizer Stadt direkt an der deutschen Grenze ist seit Tagen Rambazamba mit Live-Bühnen, Quiz- und Fernsehshows direkt aus der Fußgängerzone und ESC-Selfieboxen für schräge Fotos mit viel Glitter. Bei bestem Wetter tanzen die ESC-Fans bis in die Nacht.
Basel rechnet mit einer halben Million Besuchern, auch wenn nur rund 60.000 live bei den neun Shows dabei sein können. Im vergangenen Jahr hatte in Malmö die nonbinäre Person Nemo den ECS-Pokal in die Schweiz geholt.
dw