Im Rollstuhl durchs Berghain: Wie inklusiv sind die Clubs?

Wenn Felize die Eingangshalle des Berghain durchquert, fühlt sie sich nicht wie eine Außenseiterin. Obwohl sie im Rollstuhl sitzt, gehört sie hier einfach dazu. Sie ist Stammgast im berühmtesten Technoclub Deutschlands. Sie kennt die Bässe, die endlosen Nächte, die strenge Tür - aber auch das Gefühl, inmitten von Fremden gesehen und akzeptiert zu werden.
Clubs wie das Berghain verstehen sich zunehmend als "Safe Spaces" (sichere Räume) für queere Menschen oder Menschen mit Behinderung. Inklusive Räume also, in denen die Menschen in aller Ruhe und sicher feiern können. Viele Clubs arbeiten mit Awareness-Teams, achten auf vielfältige Line-ups, eine diverse Gästeliste und setzen sich gegen Diskriminierung ein. Doch wie barrierefrei sind diese Räume tatsächlich - physisch und sozial?
"Ich will sichtbar sein - auch im Club"Felize ist 20 Jahre alt, kommt aus einer Kleinstadt in Sachsen und lebt seit Kurzem in Berlin. Sie ist Rollstuhlfahrerin aufgrund einer genetischen Erkrankung, die bereits im Kleinkindalter festgestellt wurde. Das hält sie aber nicht davon ab, regelmäßig feiern zu gehen. Ihr Lieblingsclub: das Berghain.
"Ich bin nicht einfach nur ein Mensch im Rollstuhl - ich bin Teil dieser Szene. Ich will nicht zu Hause versauern, nur weil der Clubbesuch für mich mit mehr Aufwand verbunden ist", sagt Felize der DW. Und Aufwand gibt es. Schon vor dem Ausgehen beginnt die Planung: "Ich muss immer mit einer Begleitperson unterwegs sein - wegen Hilfestellung, aber auch, weil Vertrauen wichtig ist." Dann folgen praktische Fragen: Gibt es einen funktionierenden Fahrstuhl? Komme ich über den Eingang? Gibt es Treppen? Gibt es eine barrierefreie Toilette? Meistens, sagt sie, sei es erstaunlich schwer, diese Informationen überhaupt zu finden. Denn Clubbing im Rollstuhl sei ein nicht so präsentes Thema.
Für Felize steht auch die strengste Tür offenTrotzdem geht sie feiern - oft im Berghain, manchmal auch in anderen Clubs. "Ich war zuerst total nervös, ob ich überhaupt reinkomme", erzählt sie über ihren ersten Besuch im berühmten Berliner Technotempel. "Die strenge Tür ist ja bekannt, und ich wusste nicht, ob es heißen würde: 'Sorry, Rollstuhl geht nicht.' Aber es war unkompliziert - ich durfte einfach rein." Im Vergleich zu anderen Clubs sei das Berghain für sie tatsächlich am besten zugänglich.

Doch Barrieren enden nicht bei Stufen und engen Toiletten. Es sind auch die Menschen. "Viele wissen nicht, wie sie mit mir umgehen sollen. Manche stellen ihre leeren Glasflaschen unter meinen Rollstuhl. Oder legen ihre Jacke drauf, als wäre ich ein Kleiderständer", erzählt sie. "Ich bin aber kein Hindernis oder sowas. Mein Rollstuhl ist ein Teil von mir." Sie wünscht sich mehr Empathie - und gleichzeitig mehr Normalität. "Ich will nicht immer als etwas Besonderes gesehen werden. Ich bin einfach ein Mensch, der gerne tanzt und feiert."
"Zeigen, wer ich bin"Ihr Kleidungsstil spiegelt das wider: "Klar, Schwarz gehört zum Club-Look. Aber ich peppe es gerne mit auffälligen Accessoires auf. Ich will mich wohlfühlen, und ich will zeigen, wer ich bin." Lange habe sie sich viele Gedanken darüber gemacht, wie andere sie sehen. "Aber ich arbeite daran, meinen Körper zu akzeptieren und mich nicht ständig anzupassen. Das ist ein Prozess."

Ihr Traum von einer perfekten Partynacht sei "mit Freunden feiern in einem barrierefreien Club mit funktionierendem Fahrstuhl, einer richtigen Toilette und einer entspannten Crowd, die einfach nur gemeinsam tanzen will, ohne Vorurteile." Bis zum Sonnenaufgang feiern, dann irgendwo noch etwas essen und nach Hause rollen - einfach eine typische Sommer-Clubnacht.
Warum sie sich trotzdem manchmal alleine fühlt? "Es gibt wenige Menschen im Rollstuhl, die in Clubs gehen. Ich glaube, das liegt zum einen an der schlechten Zugänglichkeit - aber auch am fehlenden Selbstvertrauen. Man wird angestarrt, das lässt sich nicht vermeiden. Aber ich finde, wir müssen präsenter sein, damit sich das ändert. Ich will nicht unsichtbar sein. Ich will Teil des Ganzen sein." Und das wird Felize immer mehr. Sie ist im Berghain angekommen - mehr sagt sie nicht. Denn auch sie weiß: Was im Berghain passiert, bleibt im Berghain.
dw