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Afrika | Tansania: Präsidentin auf autoritären Pfaden

Afrika | Tansania: Präsidentin auf autoritären Pfaden
Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan auf dem Afrikanischen Friedenstreffen in Adsis Abeba im Februar

Wer dieser Tage durch Tansania reist, kann an den Straßen die vielen grünen Fähnchen der Regierungspartei Chama Cha Mapinduzi (Partei der Revolution, CCM) nicht übersehen. Überall im Land sieht man grüne T-Shirts auf arrangierten Jubelfeiern der Staatspartei. Busse mit dem Konterfei der Präsidentin, Samia Suluhu Hassan, transportieren Menschen auf Staatskosten zu Veranstaltungen, ganze Landstriche sind von Lobpreisungen gesäumt. Der Wahlkampf für die im Herbst anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen läuft für die CCM bereits seit Wochen auf Hochtouren, auch wenn der konkrete Wahltermin bislang unbenannt ist. Plakate anderer Parteien fehlen gänzlich im Straßenbild.

Den Wahlen wird eine besondere Bedeutung beigemessen, geht es doch um die Zukunft der noch jungen Demokratie des gut 60 Millionen Einwohner*innen zählenden Landes, in dem das Einparteiensystem erst 1992 abgeschafft wurde. Das Szenario: Entweder Tansania entwickelt sich wie seine östlichen Nachbarn Uganda und Ruanda zu einem autoritären Regime, oder es gelingt dem Land doch noch, die Demokratie zu festigen.

Der Unmut der Bevölkerung über den Politikstil der amtierenden und zur Wahl antretenden Präsidentin wird zwar überall im Land diskutiert. Doch die Chancen auf demokratische, faire und transparente Wahlen stehen schlecht.

»Mama Samia«, wie sie genannt wird, gelangte 2021 als amtierende Vizepräsidentin durch den plötzlichen Tod des damaligen Präsidenten John Pombe Magufuli völlig unerwartet als erste Frau ins Präsidentenamt. Jetzt will sie sich erstmals in dieses Amt wählen lassen. Dafür muss sie allerdings einige Hürden ausräumen.

Raubbau durch den Tourismus

Die Präsidentin gilt in der Bevölkerung als wenig kompetent. Von ihr stammen kaum nennenswerte Initiativen; die Projekte zur Entwicklung des Landes entstanden überwiegend unter Magufuli. Galt dieser als jemand, der sich – wenngleich autoritär – für nationale Interessen einsetzte, scheint es Samia nur noch um Machterhalt zu gehen. So hat sie Magufulis Versuche, die Korruption zurückzudrängen und entsprechende Überwachungsmechanismen einzuführen, nicht weiterverfolgt, weshalb die Bestechlichkeit sich immer weiter ausbreitet.

Samias Wirtschaftspolitik setzt primär auf eine unkontrollierte Öffnung für ausländische Investoren. Die Interessen der lokalen Bevölkerung werden dabei weitgehend ignoriert; staatlich diktierte Landvertreibungen sind an der Tagesordnung. Die Einforderung individueller Rechte gegen den mächtigen Staatsapparat ist nur selten von Erfolg gekrönt.

Samias Strategie zur Ankurbelung der Wirtschaft setzt in erster Linie auf Einnahmen aus dem Tourismusgeschäft. Ihr ehrgeiziges Ziel ist es, die Anzahl der Besucher*innen auf 5,3 Millionen pro Jahr zu erhöhen und damit 3,9 Milliarden US-Dollar Umsatz zu erzielen, was etwa 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Diese Einnahmen landen jedoch kaum in den jeweiligen Regionen, um die dort dringend benötigte Infrastruktur zu verbessern. Im Gegenteil, die Gemeinden werden mit den Folgen des rücksichtslosen Tourismus – wie Wassermangel und Müllberge – meist alleingelassen.

Unter Samia blüht auch das Jagdgeschäft wieder auf. Dabei geht es – neben der Trophäenjagd für Reiche – auch um die Ausfuhr von lebenden, zumeist geschützten Tierarten. Der Geldfluss aus diesen Geschäften ist hochgradig intransparent, da Einnahmen über geschlossene Verfahren bei der Vergabe von Jagdkonzessionen generiert werden und großenteils bei der Regierung verbleiben.

Von der Reformerin zur Autokratin

Politisch trat Samia zu Beginn ihrer Amtszeit als Reformerin auf und gab vor, die unter Magufuli stark eingeschränkte Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit stärken zu wollen. Sie beeindruckte damit nicht nur die internationale Gemeinschaft, sondern auch Teile der tansanischen Opposition.

Als die Oppositionsparteien Vorschläge für eine Verfassungs- und Wahlrechtsreform vorlegten, um die föderalen Strukturen zu stärken und eine unabhängige Wahlkommission einzurichten, ruderte Samia zurück. Denn weder wollte die Präsidentin ihre Machtbefugnisse beschneiden lassen, noch wollte die CCM, die bis in die kleinsten Gemeinden hineinregiert und Kontrolle ausübt, ihre Rolle als De-facto-Staatspartei einbüßen. Entsprechende Gesetzesänderungen wurden deshalb nicht weiter verfolgt, im Gegenteil: Samia will ihre umfangreichen Machtbefugnisse und die Kontrolle über die Wahlkommission nicht einschränken, sondern erhalten.

Obschon die CCM nach außen geschlossen auftritt, ist Samias Machtposition innerhalb der Partei keineswegs gefestigt. Ehemalige Magufuli-Getreue arbeiten gegen sie, weshalb hinter den Kulissen innerparteiliche Machtkämpfe toben. Die Präsidentin kritisiert Abweichler*innen in aller Öffentlichkeit oder bestraft sie gar, wie der jüngste Fall des CCM-Parlamentariers und Bischofs Gwajima Weighs zeigt. Dieser hatte die wachsende Zahl verschwundener und gefolterter Oppositioneller kritisiert. Daraufhin wurde seiner Kirche, der »Glory of Christ Tanzania« mit über 2000 Gemeinden im ganzen Land, die Registrierung entzogen, verbunden mit der Aufforderung, alle Aktivitäten sofort einzustellen. Dieses Exempel des Umgangs mit innerparteilicher Kritik verfehlte seine Wirkung nicht.

Die Präsidentin hat jedoch nicht nur eine, sondern gleich zwei Achillesfersen: Zum einen werden Frauen in Tansanias stark patriarchal geprägter Gesellschaft systematisch benachteiligt, für ihre parlamentarische Teilhabe wurden gar sogenannte special seats, für Frauen reservierte Sitze, geschaffen. Zum anderen ist Samia die erste Regierungschefin, die aus Sansibar stammt und nicht vom Festland, wo die Mehrheit der tansanischen Bevölkerung lebt. Das macht sie verwundbar. Um sich Mehrheiten bei den Wahlen zu sichern, benötigt die Präsidentin deshalb nicht nur die Kontrolle über die Wahlkommission, sondern auch eine geschwächte Opposition.

Gespaltene Opposition

Tansanias größte Oppositionspartei Chadema besteht darauf, dass eine demokratische Wahl nur stattfinden kann, wenn zuvor eine Reform des in weiten Teilen intransparenten (und deshalb für Manipulationen offenen) Wahlrechts verabschiedet wird. Unter der Leitung des neu gewählten Parteivorsitzenden Tundu Lissu führt die Partei deshalb die Kampagne »No Reforms, No Elections« (Ohne Reform keine Wahlen), die in der Bevölkerung breiten Widerhall findet.

Um die populäre Kampagne zu unterbinden, geht Samia mit aller Härte gegen Chadema vor. Nachdem die Partei im April die Unterzeichnung des für die Wahlteilnahme erforderlichen – und von ihr als nicht rechtmäßig kritisierten – Verhaltenskodexes verweigert hatte, wurde sie von der Wahl ausgeschlossen. Lissu selbst wurde wegen Hochverrats angeklagt – darauf steht in Tansania die Todesstrafe. Der Prozess läuft bereits seit Wochen. Aufgrund von Lissus internationaler Bekanntheit und der daraus resultierenden internationalen Aufmerksamkeit gelingt es Chadema bislang, den Prozess als Bühne für ihre politischen Forderungen zu nutzen. Sollte das Ausland irgendwann wegschauen, dürfte es damit jedoch vorbei sein.

Inzwischen geht die Regierung mit voller Härte gegen die oppositionelle Chadema-Partei vor. Sie entzog ihr die Registrierung, setzte deren komplette Führungsriege ab, fror deren Konten ein und untersagte jegliche Unterstützung der Partei.

Wie fragil die Lage ist, zeigte sich bereits während der ersten Prozesstage. Als Anwälte zur Prozessunterstützung aus Kenia und Uganda anreisten, wurden mehrere von ihnen ausgewiesen. Besonders brutal ging das Regime gegen zwei ausländische Prozessunterstützer*innen vor, die inhaftiert, gefoltert und später in Grenznähe ausgesetzt wurden.

Inzwischen geht die Regierung mit voller Härte gegen Chadema vor. Sie entzog der Partei die Registrierung, setzte deren komplette Führungsriege ab, fror deren Konten ein und untersagte jegliche Unterstützung der Partei. Bekannte Führungspersonen von Chadema berichteten mir in Gesprächen, dass ihnen wiederholt hohe Summen angeboten worden seien, sollten sie von ihren politischen Ämtern zurücktreten. Gleichzeitig fürchten sie um ihr Wohlergehen und leben mit der ständigen Angst, vergiftet zu werden; bei Hotelaufenthalten lagern sie ihre Getränke deswegen stets im Safe.

Die zweite große Oppositionspartei, die Alliance for Change and Transparency (Allianz für Wandel und Transparenz, ACT), verfolgt einen anderen Ansatz. Sie fordert zwar ebenfalls eine Reform des Wahlrechts, legt ihr Hauptaugenmerk jedoch auf eine Verfassungsreform. Sie hat dem Verhaltenskodex zugestimmt und geht mit einer eigenen Präsidentschaftskandidatin, der Parteivorsitzenden Dorothy Semu, ins Rennen. Inzwischen wechseln bereits erste Chadema-Abgeordnete zur ACT, um ihr Mandat zu behalten.

Die ACT vertritt eher progressive Positionen. In ihrem Manifest fordert sie eine kostenlose Bildungs- und Gesundheitsversorgung, eine armutsorientierte Umstrukturierung des Haushalts und mehr lokale Wirtschaftsförderung. Sollte der Allianz die Registrierung eigener Kandidat*innen verweigert werden, will man gegen die Kandidat*innen der CCM mobilisieren, da in Tansania auch mit Nein gestimmt werden kann. Dies wird, trotz aller antizipierter Unregelmäßigkeiten, als wichtiger Prozess der demokratischen Teilhabe begriffen, der die Regierungspartei empfindlich treffen könnte.

Bislang blieb die Partei nach eigenen Angaben von größeren Angriffen durch die Regierung verschont. Auftritte in öffentlichen Medien finden allerdings nicht statt oder werden kurzfristig abgesagt, sodass sich die Oppositionspartei fast ausschließlich über ihre eigenen Medien zu Wort melden kann.

Tansania am Scheideweg

Die CCM selbst verkündet einen enormen Zulauf von Neumitgliedern und will damit ihren Rückhalt in der Bevölkerung unterstreichen. Meine Gesprächspartner*innen teilten mir indes mit, dass Straßenzüge und Regionen, die als besonders oppositionsfreundlich gelten, von nötiger Infrastruktur (wie der Wasser- und Stromversorgung) abgetrennt werden. Neue Zugänge werden erst installiert, wenn die Gemeinden die gewünschte Anzahl neuer CCM-Mitglieder nachweisen.

Obgleich der Wahlkampf noch gar nicht richtig begonnen hat, führt die CCM ihn also bereits mit harten Bandagen. Die Bevölkerung ist von der staatlichen Repression eingeschüchtert. Auf den Sansibar-Inseln, die als regierungsfeindlich gelten, artikuliert sich noch offener Widerstand. Auf dem Festland hingegen scheint es – anders als im Nachbarland Kenia – trotz der immensen Unzufriedenheit nicht zu einer breiten Mobilisierung gegen die Regierungspolitik zu kommen.

Noch allerdings ist das autoritäre Regime nicht gefestigt. Deshalb ist internationale Aufmerksamkeit – die bei entsprechendem Druck eine deeskalierende Wirkung entfalten und einen Schutzschirm für die Opposition bilden könnte – von großer Relevanz. Bleibt nur zu hoffen, dass die internationale Gemeinschaft auch entsprechend handelt.

nd-aktuell

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