Ausbau des Kanzleramts: Protzbau für die Regierung, Steuerlast für die Bürger

Stellen Sie sich vor, Ihr Chef verkündet: „Dieses Jahr gibt es kein Weihnachtsgeld, keine Boni, keine Gehaltserhöhung – wir müssen sparen.“ Und zwei Tage später rollt er im neuen Bentley aufs Firmengelände, weil „Führung auch Raum braucht – und zwar sichtbar“. Verständnis? Wohl kaum. Wahrscheinlicher: ein kleiner Aufstand in der Kaffeeküche.
Doch in Berlin läuft’s genau so. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hält die Tage mit staatsmännischer Miene Sparpredigten, warnt vor Milliardenlöchern, kündigt mögliche Steuererhöhungen statt Entlastungen an. Und im gleichen Atemzug baut die Bundesregierung das teuerste Büro Europas. Für sich selbst.
Es ist ein Bauwerk der Superlative – aber nicht im positiven Sinne. Das Bundeskanzleramt, bereits jetzt eines der größten Regierungshauptquartiere der Welt, bekommt einen Erweiterungsbau. Ursprünglich für rund 400 bis 600 Millionen Euro geplant, steuert das Projekt mittlerweile auf Gesamtkosten von bis zu einer Milliarde Euro zu. Und das ist vermutlich erst der Rohbau der Rechnung.
Ein Kanzler, 777 Millionen Euro – aber bitte kein Homeoffice!Und Kanzler Friedrich Merz? Der hält unbeirrt daran fest. Man könnte ja sagen: „Der kann nix dafür, das war doch Mutti.“ Denn das Ganze begann noch unter Angela Merkel, die sich vermutlich dachte: Wenn schon Groko, dann wenigstens groß gebaut. Das Argument damals wie heute: Die Zahl der Mitarbeiter im Kanzleramt sei von 400 auf mehr als 800 gewachsen – verteilt auf mehrere Standorte. Klar, das ist unpraktisch. Also braucht es einen XXL-Bau. Mit Tunnel, Hubschrauberlandeplatz, Wintergarten, Kita und Kanzlerwohnung mit Spreeblick. Für die Effizienz natürlich.
Auch Olaf Scholz hielt übrigens als Kanzler brav an dem Projekt fest. Und nun steht CDU-Politiker Merz davor wie ein Architekt der Notwendigkeit und sagt: „Müssen wir machen.“
Kanzleramt-Anbau: Homeoffice, um Raum zu sparen? UndenkbarDoch in Zeiten wie diesen, mit der horrenden Neuverschuldung, Milliarden an Sondervermögen klingt es fast wie Hohn. Das neue Kanzleramt frisst Steuergelder wie ein Luxushotel in Monaco oder Dubai. Den großen Batzen machen die Einzelbüros für die Mitarbeiter aus. Jeder soll schließlich seinen Platz haben. Homeoffice, um Raum zu sparen? Undenkbar. Nicht im Haus des Kanzlers. Vorwand: Angeblich sind die Daten zu heikel, dürfen das Büro nicht verlassen.
Man kann es auch so auslegen: Friedrich Merz will nicht, dass die Beamten daheim im Jogginganzug vor dem Laptop rumlungern. Er will sie in Anzug und Schleife – mit Anwesenheitspflicht. Der Bundesrechnungshof nennt das wegen der vielen Büroräume, die jetzt gebaut werden, mild: „nicht nachvollziehbar“. Man könnte auch sagen: absurd. Es ist ein Regierungspalast, der nicht nur teuer, sondern auch aus der Zeit gefallen ist. Gerade was flexibles und mobiles Arbeiten anbelangt.
Die Doppelmoral der Regierung in Stein gemeißeltWährend das Kanzleramt also wächst wie ein Wüstenpalast in Dubai, tritt Finanzminister Lars Klingbeil mit staatsmännischer Stirnfalte vor die Kameras und erklärt sinngemäß, dass Verzicht das neue Vertrauen ist. Klingt nach Zen-Weisheit, bedeutet aber in etwa: Wir haben kein Geld, also gewöhnen Sie sich schon mal ans Weniger.
Der Bundeshaushalt platzt gerade wie ein schlecht geschnürter Rucksack: 172 Milliarden Euro Rekorddefizit – und die Quittung dafür kommt erst noch. Aber natürlich fließt trotzdem Geld. Nur eben nicht überall gleichmäßig, sondern mit klarer Schlagseite. Die Bundeswehr bekommt, was sie will: Der Wehretat bläht sich auf fast 153 Milliarden Euro – eine Verdopplung. Der Sozialetat, ohnehin längst der dickste Brocken, kriegt noch einmal 30 Milliarden extra bis 2029.
Und der Rest? Umwelt, Bildung, Kultur, Digitalisierung? Die dürfen zusehen, wie sie mit dem klarkommen, was übrig bleibt – wenn überhaupt. Spar dich frei, lautet die neue Haushaltsmaxime.
Protzbau ja, aber von versprochenen Steuerentlastungen keine SpurUnd als wäre das nicht genug, schließt Klingbeil Steuererhöhungen inzwischen nicht mehr aus. Von den versprochenen Entlastungen keine Spur. Dafür gibt’s bald ein schickes Kanzleramt mit Wintergarten.
Für die Bürger heißt das: weniger für Pflege, Bildung, Familienleistungen – und bald vielleicht noch mehr Abzüge auf dem Lohnschein. Denn anders wird das Milliardenloch des Haushalts nicht zu stopfen sein. Für den Regierungsapparat dagegen heißt das: erstklassige Aussicht auf die Spree, Kanzlerloft und Wintergarten inklusive.
Dabei könnten Friedrich Merz und Lars Klingbeil eine Lehre aus der Wirtschaft ziehen: Wer sparen will, muss bei sich anfangen. Doch stattdessen entsteht im Regierungsviertel das teuerste Symbol politischer Selbstüberschätzung seit dem Berliner Flughafen. Willkommen im Zeitalter der Doppelmoral. Klingbeil bittet zur Kasse. Merz residiert. Und die Bürger sollen Verständnis zeigen. Ein fatales Signal.
Berliner-zeitung