Außenpolitik: Gegrummel in der Union über Johann Wadephul

Neulich ging es im Büro von Johann Wadephul um die Planung der Termine. Es wäre doch schön, merkte der neue Außenminister an, mittags eine Kleinigkeit essen zu können. Seit fünf Wochen ist der CDU-Politiker im Amt. Fünf Wochen, in denen er bereits zu spüren bekommen hat, dass nicht nur die Terminplanung in seinem neuen Amt eigenen Regeln folgt. War Wadephul bis zum Amtsantritt der neuen Bundesregierung außerhalb seiner Partei und seiner Heimat Schleswig-Holstein wenig bekannt, sieht ihn die Forschungsgruppe Wahlen im Politbarometer für Juni bereits auf Platz drei nach Verteidigungsminister Boris Pistorius und Finanzminister Lars Klingbeil (beide SPD). Zugleich hat sich Wadephul in vergleichsweise kurzer Zeit relativ viel Unmut zugezogen. Außenpolitik aus einem Guss, lautet der Arbeitsauftrag von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). In der Praxis erweist sich das als schwierig.
In der Union scheinen einige jedenfalls schon nach relativ kurzer Zeit die Geduld mit Wadephul verloren zu haben. Vor allem aus der CSU kommt Druck. Ein führender CSU-Mann habe von einer „tickenden Zeitbombe“ gesprochen, berichtete die Bild-Zeitung ohne Namensnennung. „Schnitzer am laufenden Band“ wie einst bei der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock sollen Wadephul bescheinigt worden sein. Als Chefdiplomat bewegt sich der CDU-Politiker jedenfalls in gleich mehreren Feldern durch ein innenpolitisches Minenfeld.
Kanzler Merz war zuletzt unglücklich über das Timing seines AußenministersMitte Mai überraschte Wadephul Kanzler Merz von einem Außenminister-Treffen der Nato aus mit einem Bekenntnis zum von US-Präsident Donald Trump verlangten Fünf-Prozent-Ziel. Demnach sollen die Verteidigungsausgaben von derzeit zwei Prozent der Wirtschaftskraft auf fünf Prozent steigen. Ein Plan von Nato-Generalsekretär Mark Rutte sieht vor, bis 2032 die Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts zu steigern und 1,5 Prozent des BIP in militärisch bedeutsame Infrastruktur zu investieren. In der Sache gab es keinen Dissens, Merz war aber unglücklich über Wadephuls Timing – zumal der Koalitionspartner SPD sich überfahren fühlte. Bei seinem Termin im Oval Office kam Merz dann allerdings zugute, dass Trump in den Deutschen keine säumigen Zahler mehr zu sehen scheint.
Als brisanter erweist sich für Wadephul der Umgang mit dem israelischen Vorgehen im Gazastreifen. Im Gleichklang mit Merz hatte Wadephul den Ton gegenüber der Regierung in Jerusalem verschärft und das Leiden der Zivilbevölkerung beklagt. Zwar betonte er das andauernde Bekenntnis zur Sicherheit Israels als Teil deutscher Staatsräson, warnte aber auch vor „Zwangssolidarität“ und machte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung klar, dass vor Waffenlieferungen nach Israel auch geprüft werde, ob die Kriegsführung im Gazastreifen im Einklang mit dem Völkerrecht stehe. Das sorgte in der Unionsfraktion für Irritationen, die nach einem Gespräch Wadephuls mit der Fraktionsführung für ausgeräumt erklärt wurden. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann warnte aber: „Freunde kann man kritisieren, aber nicht sanktionieren.“
Beim Besuch des israelischen Außenminister Gideon Saar am Donnerstag sagte Wadephul weitere Waffenlieferungen nach Israel zu. Schließlich müsse sich das Land gegen Angriffe aus Jemen, Libanon und Iran verteidigen können. Trotzdem fand er auch kritische Worte. Die jüngsten Pläne der israelischen Regierung, den Siedlungsbau im besetzten Westjordanland zu erweitern, bezeichnete Wadephul als völkerrechtswidrig. „Diese Siedlungspolitik ist in dieser Form völkerrechtswidrig, sie verbaut buchstäblich die Lösung für eine Zweistaatenlösung“, sagte er. Über die „extrem angespannte Lage im Westjordanland“ könne man auch unter Freunden nicht hinwegsehen.
Während die Begeisterung der Union über Wadephul zu sinken scheint, zeigt sich die SPD zufriedenAuch beim Thema afghanische Ortskräfte balanciert Wadephul zwischen Parteikurs und politischer Realität. Einst ein zentrales Wahlkampfthema der Union, klingt Wadephul zurückhaltender. Rund 2500 Afghaninnen und Afghanen warten in Pakistan darauf, nach Deutschland reisen zu können. Viele von ihnen haben bereits eine Aufnahmezusage erhalten. Auf die Frage, wann erneut Flüge für afghanische Ortskräfte aus Pakistan stattfinden, konnte Wadephul während der Regierungsbefragung vergangene Woche keine klare Antwort geben. Er betonte jedoch: „Aber da, wo wir Aufnahmezusagen in rechtlich verbindlicher Form gegeben haben, halten wir die selbstverständlich ein.“ Damit stößt der Außenminister in der Union, vorsichtig formuliert, auf wenig Begeisterung.
Umso zufriedener zeigt man sich in der SPD. „Ich erlebe Außenminister Wadephul als sehr professionell und kollegial. Seine außenpolitischen Schwerpunkte und die der SPD haben in vielen Punkten Überschneidungen“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Adis Ahmetovic, der SZ. Wadephul setze nicht nur in Sachen Ukraine, sondern auch im Fall von Gaza die richtigen Akzente. „Er hat klar benannt, wo das Völkerrecht gebrochen wird. Dazu gehört Mut, und diesen Mut bringt er auf“, lobt der SPD-Mann. Und er beklagt: „Die größte wahrnehmbare Opposition kommt aktuell aus einer Regierungsfraktion.“ Es sei irritierend, dass die CSU versuche, „dem eigenen Unionsminister das Regieren zu erschweren“.
Aus der CSU erhält Wadephul allerdings durchaus auch Unterstützung: „Das war mit Sicherheit kein Fehlstart. Ein wohltuender Paradigmenwechsel hat stattgefunden. Wadephul fokussiert sich auf die Kernthemen“, sagte der CSU-Außenpolitiker Alexander Radwan der SZ. Das sei ein „großer Unterschied zu seiner Vorgängerin, die mit der werteorientierten, feministischen Außenpolitik Barrieren aufgebaut statt abgebaut hat“. Selbst den neuen Ton gegenüber der israelischen Regierung findet Radwan richtig. Wadephul habe „den Fokus geweitet. Er hält an der Staatsräson fest, blickt aber auch auf das Leid der Menschen in Gaza“.
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