Brandenburg: Ex-Linker René Wilke als Innenminister – Woidke (SPD) geht volles Risiko

Der Ministerpräsident von Brandenburg setzt wieder alles auf eine Karte und seine Popularität. Doch was passiert, wenn seine SPD ihm beim Personalpoker nicht folgt?
Dietmar Woidke hat am Freitag seine Innenministerin rausgeschmissen. Um Punkt 17.30 Uhr, kurz vor Dienstschluss und unmittelbar vor dem Beginn des Wochenendes. Am Montag um 14 Uhr, also kurz nach Beginn der neuen Arbeitswoche, stellte der Ministerpräsident von Brandenburg dann an derselben Stelle in der Staatskanzlei seinen Wunschnachfolger vor und präsentierte eine völlige Überraschung: Der SPD-Regierungschef will René Wilke als neuen Minister. Immerhin ein Mann, der vor nicht mal einem Jahr bei den Linken ausgetreten ist. Wilke ist Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder).
Mit den beiden Coups vom Freitag und Montag präsentierte Woidke der Öffentlichkeit die volle Härte eines politischen Entscheiders, der sich unverschuldet in die Ecke gedrängt fühlte und der beweisen musste, dass er als Regierungschef klar der Herr im Haus ist und die Linie vorgibt. Woikde geht nun wieder voll in die Rolle des starken Mannes der SPD. Der Grund ist nachvollziehbar: Er will sich von den Fehlern anderer nicht sein Lebenswerk versauen lassen.
Genau darum geht es: Woidke ist inzwischen länger Ministerpräsident als es seine bekannten Vorgänger Manfred Stolpe und Matthias Platzeck waren. Woidke geht nun volles Risiko: Er will niemanden aus seiner SPD für den Posten, er stellt sich damit über die Partei, präsentiert sich als „Landesvater“, der nur das Wohl von Brandenburg im Blick hat. Der sich gezielt einen Politiker aussucht, den er für fähig hält – unabhängig vom Parteibuch.
Woidkes Sieg hat noch immer schwere FolgenDamit setzt er erneut alles auf eine Karte. Wenn ihm nun seine Partei die Gefolgschaft verweigert, ist er weg. Das gilt als sicher. Woidke hatte schon im Wahlkampf vor der Landtagswahl alles auf sich personalisiert: Ich oder die AfD. Die Losung: Wer keine „braunen Flecken“ auf der Brandenburger Fahne haben will, muss Woidke wählen. Er hatte vor der Wahl gesagt: Wenn ich nicht auf Platz eins lande, bin ich weg, dann bilde ich keine irgendwie geartete Regierung.
Es hat geklappt. Die SPD landete ganz knapp vor der AfD. Doch Woidkes Sieg hat noch immer schwere Folgen. Die Personalisierung auf Woidke sorgte dafür, dass andere Parteien keine Rolle im Duell Woidke gegen die AfD mehr spielten. So flogen die Grünen aus dem Parlament, die Linken und die Freien Wähler. Nun sind nur noch SPD und BSW auf der Regierungsbank übrig und CDU und AfD auf den Oppositionsbänken.
Der knappe Sieg sorgte dafür, dass er keinerlei Optionen hatte als eine Regierung mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht, die gerade mal zwei Stimmen Mehrheit im Landtag hat. Mit der CDU könnte die SPD nur eine Minderheitsregierung bilden. Und mit der AfD will Woidke nicht regieren – und die AfD auch nicht mit ihm.
Das Wackelbündnis aus SPD und BSW steht am Donnerstag vor ihrer vorerst härtesten Bewährungsprobe: die Wahl des neuen Ministers. Eines sympathischen, realitätsnahen, kompetenten und hoch angesehenen Politikers, der keiner der beiden Parteien angehört, der kürzlich noch bei den Linken war, aber in beide Regierungsparteien passen würde.
Woidkes Coups von Freitag und von Montag sind gelungen. Das erste war ein Befreiungsschlag, um sich von jener Ministerin zu trennen, die er doch als seine mögliche Nachfolgerin aufgebaut hatte. Sie war umstritten, weil sie ihren Verfassungsschutzchef entlassen hatte und die Details höchst unklar sind. Aber ihr wurde auch vorgeworfen, dass sie zwar für eine politische Auseinandersetzung mit der AfD sei, aber gegen eine Hochstufung und gegen ein Verbot. Ihr wird eine „zu weiche Haltung gegenüber den Faschisten“ vorgehalten, verbunden mit dem Vorwurf, dass die stellvertretende Landeschefin der SPD keine echte Sozialdemokratin mehr sei. Passenderweise gab die AfD dazu bekannt: „Mit Katrin Lange verliert das Kabinett Woidke eine der letzten Stimmen der Vernunft.“
Der Unmut in der SPD ist groß, die Unsicherheit, die Unklarheit. Dass Woidke nun so schnell entscheidet, spricht dafür, dass er Fakten schaffen will, bevor die Debatten in seiner Partei zu heftig werden und außer Kontrolle geraten. Bevor sie ihn beschädigen könnten und sein Lebenswerk. Doch er hat auch noch seinen Regierungssprecher entlassen, der länger in der Staatskanzlei war als Woidke. Es drängt sich das Bild eines Chefs auf, um den es einsam wird.
Nun versucht Woidke den Befreiungsschlag mit einer völlig überraschenden Personalie. Ob seine SPD ihm dabei folgt, ist noch offen. Aber die Zahlen sprechen für Woidke – noch. Kurz nach der Wahl ging seine SPD in den Sinkflug und der Höhenflug der AfD setzte sich fort: Die SPD steht bei 25, die AfD bei 29 Prozent. Die SPD, die sich selbst seit Jahrzehnten als „die Brandenburg-Partei“ feiert, würde ohne ihren mit Abstand bekanntesten Politiker Dietmar Woidke sehr viel schlechter dastehen.
Berliner-zeitung