Bundeshaushalt | Stromsteuer: Versprechen gebrochen
Glaubt man Tim Klüssendorf, dann gibt es kaum noch Differenzen im schwarz-roten Regierungsbündnis in Sachen Stromsteuer. Er blickte zuversichtlich auf den Koalitionsausschuss, der am Mittwochabend insbesondere darüber und über Einsparungen beim Bürgergeld beraten wollte. Er sei zuversichtlich, dass man »zu gemeinsamen Lösungen zu finden« werde, sagte der SPD-Generalsekretär am Mittwoch im ARD-»Morgenmagazin«. Es sei gut, dass der Bundeskanzler »Kommunikationsprobleme« eingeräumt habe und man diese nun gemeinsam anpacken wolle. Die Verabredung zum Entwurf des Haushaltes sei »von einer Seite« stark angegriffen worden, so Klüssendorf. Das habe bei befürchten lassen, »wieder in diesen Ampel-Modus« zu geraten. Er wolle dazu beitragen, dass man nicht wieder »in diese Eskalationsspirale« gehe. Kompromisse dürften dann aber auch nicht mehr angegriffen werden.
Aber welchen Kompromiss verteidigen die Sozialdemokraten da? Im Koalitionsvertrag der drei Regierungsparteien heißt es, man wolle Unternehmen wie Verbraucher bei der Stromsteuer dauerhaft um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde entlasten. Man werde »als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren«.
Doch das Papier soll wieder einmal geduldig sein. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatte bereits bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags erklärt, alles Angekündigte stehe unter Finanzierungsvorbehalt. Vergangene Woche einigten sich Klingbeil, Kanzler Friedrich Merz und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) darauf, dass die Entlastung vorerst nur für Unternehmen, nicht aber für private Haushalte kommt, die derzeit 2,05 Cent Stromsteuer pro Kilowattstunde zahlen.
Gesenkt wird die Steuer für Industrieunternehmen und Betriebe in der Land- und Forstwirtschaft. So verkündete es Klingbeil vergangene Woche bei der Vorstellung der Haushaltspläne der Regierung. Er verwies auf die schwierige Kassenlage und darauf, dass die Koalition sich vorgenommen habe, einen soliden Haushalt vorzulegen.
Das sorgte für Empörung insbesondere bei Sozialverbänden und der Opposition. Der Regierung wird vorgeworfen, schon nach wenigen Wochen im Amt ihre ersten Versprechen zu kassieren. Derweil kommt auch aus der Union Protest. So forderten am Montag die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU in einem Papier von der Bundesregierung weitere Entlastungen bei der Stromsteuer: Es brauche »die zügige Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß für alle Unternehmen sowie alle Verbraucherinnen und Verbraucher«.
Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte der SPD und Vizekanzler Klingbeil schon vergangene Woche vorgeworfen, ein »zentrales Entlastungsversprechen« der Regierung zu »bedrohen« und Unternehmen sowie »Millionen Familien« vor den Kopf zu stoßen.
Die Linke-Kovorsitzende Ines Schwerdtner nannte die Empörung aus Unionskreisen indes »verlogen«. Die Stromsteuersenkung für Privathaushalte müsse zwar kommen, erklärte die Haushaltspolitikerin am Mittwoch. Sie sei aber »nur ein Tropfen auf den heißen Stein«. Es brauche Entlastungen »beim Einkauf, bei der Miete und bei den Energiepreisen«, sagte die Haushaltspolitikerin. Das bringe »mehr Konjunktureffekte als Geschenke an die Konzerne, die am Ende nur in den Taschen der Aktionäre landen«. Schwerdtner weiter: »Den Menschen ist nicht damit gedient, wenn ihnen das, was ihnen in die linke Tasche gesteckt wird, aus der rechten Tasche wieder rausgenommen wird. Statt Hütchenspiel mit Sozialausgaben brauchen wir eine Umverteilung hin zu der Mehrheit der Menschen. Das heißt Vermögenssteuer, Mietpreisbremse, Mindestlohn von 15 Euro, Aufhebung der Schuldenbremse.«
In der SPD verweist man derweil verärgert darauf, dass es sich um einen gemeinsamen Beschluss aller Regierungspartner gehandelt habe. Aus dem Finanzministerium kam gegenüber dem Portal »t-online« die Klage, es gehe nicht, dass die SPD die »Zielscheibe« für Kritik an gemeinsamen Beschlüssen sei. Käme die Steuersenkung auf das europäische Mindestmaß sofort für alle, würde das für den Bund Mindereinnahmen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro jährlich bedeuten. Das Ministerium verweist man zudem darauf, dass der Bund vor allem ab 2027 vor »bislang ungeklärten Finanzierungslücken« stehe.
Beim Bürgergeld geht es im Koalitionsausschuss um von der Regierung geplante »Einsparungen«. SPD-Generalsekretär Klüssendorf sagte dazu, für das kommende Jahr sei eine Einsparung von einer Milliarde Euro geplant und für 2027 noch einmal eine von 3,5 Milliarden. Damit sei »da dann auch die Grenze erreicht, also viel mehr wird da nicht rauszuholen sein«.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen im kommenden Jahr sogar schon 1,5 Milliarden und später 4,5 Milliarden Euro jährlich beim Bürgergeld gespart werden. Um Minderausgaben von 1,5 Milliarden zu erreichen, müssten aber 100 000 Bezieher komplett aus dem System ausscheiden, rechnete die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, vor. Einerseits seien viele auch mit Job noch auf aufstockende Sozialleistungen angewiesen, sagte sie am Mittwoch in Nürnberg. Andererseits seien mit Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger, die sich nicht an Vorschriften hielten, zuletzt gerade mal 100 Millionen Euro »eingespielt« worden. Selbst wenn man dies über Verschärfungen der Regeln verdreifachen könne, sei man »noch weit vom Ziel entfernt«, sagte Nahles.
Den größten Effekt auf den Haushalt ihrer Behörde verspricht sich Nahles vom geplanten »Rechtskreiswechsel« der Ukrainer. Hier würde im Sozialgesetzbuch II – als dem Rechtskreis in dem sich Bürgergeldempfänger befinden – 900 Millionen Ersparnis entstehen. Allerdings muss der Bund weiterhin für die Kriegsflüchtlinge aufkommen, es handelt sich also nur um einen Verschiebebahnhof. Die Ukrainer sollen künftig ihre Leistungen über das Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Für diese Auszahlungen sind die Kommunen zuständig, die aber dann wegen der erheblichen Mehrkosten vom Bund dafür Entlastungszahlungen erhalten sollen.
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