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Bundeswehr: Drohnen für Deutschland

Bundeswehr: Drohnen für Deutschland

In der politischen Debatte ist dieses Thema längst angekommen. Die Frage, wie, ob und welche Drohnen in Konflikten eingesetzt werden sollten, hat an Brisanz gewonnen. Es wird nicht nur darüber diskutiert, ob mit Joystick getötet werden darf, sondern ob Deutschland im Wettlauf um die neueste Technik zurückfällt. Denn es geht bei dieser Kriegsführung ja um etwas Neues, um vernetzte Systeme, von künstlicher Intelligenz (KI) und Software geleitet, die mit ihrer vergleichsweise billigen Sprengstoffladung einen Panzer im Wert von mehreren Millionen Euro zerstören können.

Mit dem Krieg in der Ukraine rücken Kamikazedrohnen in den Fokus

Früher waren es Aufklärungsdrohnen, mit denen sich die deutsche Industrie beschäftigte – wenn überhaupt. Doch je länger der Krieg in der Ukraine andauert und je größer die Gefahr militärischer Auseinandersetzungen an der Nato-Grenze wird, desto stärker rücken sogenannte Kamikazedrohnen in den Fokus. Diese Loitering Ammunition, also lauernde Munition, sind kostengünstige, kleine Flugkörper, die schnell und in großer Stückzahl hergestellt werden können. Sie tragen integrierte Sprengsätze, stürzen sich auf ihr Ziel, zerstören es und vernichten sich dabei selbst.

Ein Großteil der Toten und Verletzten im Ukrainekrieg sind mittlerweile Folge von Drohnenangriffen. Und beide Kriegsparteien treiben die Entwicklung neuer Drohnen und Abwehrsysteme rasant voran. In kürzester Zeit taucht eine neue Technologie oder Taktik auf: verbesserte Störsender etwa oder Glasfaserdrohnen, die wiederum unempfindlicher gegenüber diesen elektronischen Gegenmaßnahmen sind. Seit Februar nutzt Russland wohl eine neuartige Kamikazedrohne, die ihr Ziel mittels KI finden kann.

Die Bundeswehr plant den Kauf einer „vierstelligen oder höheren Zahl“ von solchen Einweg-Angriffsdrohnen, zum Vergleich: Russland will täglich bis zu 10 000 Drohnen produzieren. Natürlich, Putin hat längst auf Kriegswirtschaft umgestellt, aber mit dieser Kriegswirtschaft würde sich die Nato im Ernstfall messen müssen. Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations ist eine der führenden Expertinnen, wenn es um Drohnen geht. Sie sagt, Deutschland müsse „mindestens fünfstellig, wenn nicht sechsstellig“ einkaufen, um Putin glaubhaft abzuschrecken.

Kann sich Deutschland eine neue Drohnendebatte erlauben?

Deutschland hat im Bereich Drohnen bisher wenig vorzuweisen. Über ein Jahrzehnt hinweg wurde die Debatte über die Drohnenbeschaffung vorwiegend durch ethische und rechtliche Bedenken geprägt – maßgeblich aus der SPD. Erst 2022 stimmte der Verteidigungsausschuss dem Kauf von 140 Raketensätzen für Heron-TP-Drohnen aus Israel zu. Ein entscheidender Unterschied: Anders als die Aufklärungsdrohne Heron TP werden Einweg-Drohnen, die beim Einschlag explodieren, nicht als Fluggerät, sondern als Munition eingestuft. Dadurch entfallen umfangreiche Zertifizierungs- und Einsatzvorgaben.

Die Bundeswehr müsse schnell nachrüsten, um auf einen möglichen russischen Angriff auf Nato-Gebiet vorbereitet zu sein, warnt Militärexperte Frank Sauer, der an der Bundeswehruniversität München lehrt. Auch deshalb würde gerade versucht, „im Vergleich zum bisherigen Tempo der deutschen Beschaffungsbürokratie mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit nachzuarbeiten“, sagt Sauer.

Derzeit verfügt die Bundeswehr über keine der Einweg-Angriffsdrohnen. Doch jetzt nur eine hohe Stückzahl zu kaufen, reicht nicht: Man kann Drohnen nicht einfach einlagern wie Artilleriemunition. Die Technik verändert sich zu schnell. Entscheidend sei es laut Experten wie Ulrike Franke deshalb vielmehr, im Verteidigungsfall schnell Drohnen in großer Stückzahl und auf dem neuesten Stand der Technik produzieren zu können. Dafür müsse die Bundeswehr flexibler in der Beschaffung agieren und gewissermaßen Produktionskapazitäten in der Rüstungsindustrie reservieren. Diese wiederum sollte bereits jetzt Kapazitäten aufbauen und bereithalten. Gleichzeitig gelte es, genau zu beobachten, welche Systeme aktuell in der Ukraine eingesetzt werden – und daraus Schlüsse zu ziehen, um die eigenen Waffensysteme im Ernstfall rasch anpassen zu können.

Andererseits ist es Experten zufolge trotzdem wichtig, schon jetzt in hoher Stückzahl Drohnen zu kaufen – auch wenn diese bald veraltet wären. Sauer sagt, es sei „unverantwortbar, länger zu warten“. Er fürchtet, dass Russland schon bald das Baltikum angreifen könnte, weil die europäische Nato bisher nicht bereit sei, sich ohne Amerikas Hilfe zu verteidigen. Man könne viel schneller 100 000 Drohnen bauen als Hunderte Panzer. Das sei ein Hebel, den man jetzt zur Verfügung hätte.

Drohnen-Start-ups könnten die Lücke vielleicht schließen

Aber ist es das so einfach? Vor allem zwei Unternehmen sind es, auf denen gerade die Hoffnungen der Politik liegen: die beiden jungen Drohnen-Start-ups Quantum und Helsing. Und beide erhoffen sich nun den Durchbruch. Das Unternehmen Quantum Systems wurde 2015 von dem früheren Bundeswehroffizier Florian Seibel gegründet. Am Anfang ging es einfach nur um Einsätze in der Landwirtschaft. Als Russland 2022 den großflächigen Krieg gegen die Ukraine begann, fing das Unternehmen an, das ukrainische Militär mit militärischen Aufklärungsdrohnen zu beliefern. Erst vor Kurzem hat Seibel ein zweites Unternehmen gegründet, Stark Defence. Im Unterschied zu Quantum soll es auch Loitering-Munition produzieren.

Anders ist die Lage bei Helsing, einem 2021 in München gegründeten Softwareunternehmen, das in erster Linie auf den Einsatz künstlicher Intelligenz im Rüstungssektor spezialisiert ist. Es produziert auch Drohnen, etwa die HX-2, die mithilfe künstlicher Intelligenz auf ihr Ziel zusteuert und sich beim Einschlag selbst zerstört. Im Grunde sind es Kamikazedrohnen. Und für die interessiert sich das Bundesverteidigungsministerium. Im vergangenen Sommer sickerte durch, dass das Start-up mit insgesamt fünf Milliarden Euro bewertet wird, viel Geld für ein verhältnismäßig junges Unternehmen. Aber wie so oft zählen in solchen Fällen das Geschäftsmodell und die damit verbundenen Geschäftserwartungen.

Mit einem ukrainischen Partner produziert das Unternehmen bereits seit längerer Zeit HF-1-Drohnen für den Einsatz in der Ukraine – unterstützt von der Bundesregierung. Aus der Ukraine kam zu diesen Drohnen neben Lob aber auch Kritik: Ihr Preis sei zu hoch, zudem weise die Software erhebliche Mängel auf.

Im Februar informierte das Unternehmen über die Produktion von 6000 HX-2-Kampfdrohnen für die Ukraine. „Mit dem neuen Auftrag wird Helsing zu einem der größten Hersteller von Kampfdrohnen weltweit“, so Helsing über das Geschäft. Geplant ist nun, die Produktion erheblich auszuweiten, auch mit einem neuen Standort.

Bundeswehr, Industrie und Politik scheinen sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Für Deutschland bleibt trotzdem die Frage, ob es rechtzeitig die nötigen Kapazitäten aufbaut, um nicht im Ernstfall hinterherzuhinken. Dänemark will bereits unbewaffnete Soldaten in die Ukraine schicken, um in Trainingszentren über die Kriegsführung mit Drohnen zu lernen. Estland kauft für 400 Millionen Euro Kamikazedrohnen. Und in den USA haben frustrierte Soldaten – in Anlehnung an die berüchtigte Waffenlobby – die National Drone Association gegründet, die die Entwicklung amerikanischer Drohnen beschleunigen will. Denn eins ist klar: Die Drohne ist längst kein Zukunftsprojekt mehr – sie ist Realität auf dem Schlachtfeld.

süeddeutsche

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