European Left Alliance | ELA tritt ins Rampenlicht
Li Andersson, die charismatische Chefin der finnischen Linksallianz Vasemmistoliitto, hatte es auf den Punkt gebracht: »Die größte Gefahr für Demokratie, Frieden, Menschenrechte und Völkerrecht ist der Aufstieg von rechtsgerichteten Politikern: Putin, Trump, Netanjahu, Erdoğan und Orbán.« Das sagte die Politikerin, die zugleich Mitglied des Europaparlaments und dort Vorsitzende des Sozialausschusses ist, auf dem ersten Kongress der European Left Alliance for the People and the Planet (ELA). Der Krieg in der Ukraine, Trumps America-first-Politik und sein Demokratieabbau in den USA, der Aufwind für rechtsextreme Kräfte und natürlich Israels Kriege im Nahen Osten – das waren die zentralen Punkte auf dem Treffen des Bündnisses in Porto. Motto der mehrtägigen Beratungen: »Für eine stärkere Linke gegen die extreme Rechte«. Eingefunden hatten sich dazu Abgesandte aller ELA-Mitgliedsparteien, neben dem gastgebenden Bloco de Esquerda die Partei La France insoumise (Frankreich), die schwedische Vänsterpartiet, Vasemmistoliitto aus Finnland, Podemos (Spanien) die dänische Enhedslisten und Razem aus Polen.
Für sie war es ein weiter politischer Weg bis nach Portugal. Im Februar vergangenen Jahres hatten sich die heutigen ELA-Mitglieder – damals noch unter dem Namen Now the People, eine Gruppierung, die bereits im Jahr 2019 vom französischen Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon initiiert worden war – in Kopenhagen getroffen. Am Rande dieses Meetings vereinbarten jene Parteien, die zu diesem Zeitpunkt noch in die Partei der Europäischen Linken (EL) eingebunden waren, den Austritt aus diesem bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten existierenden Bündnisses. Motive dafür waren einerseits deutlich konfrontativere Positionen gerade einiger nordeuropäischer Linksparteien gegenüber Russland und die Forderung einer auch militärischen Unterstützung für die Ukraine, wofür es in der EL keine Mehrheit gibt. Andererseits, und das dürfte der entscheidendere Punkt sein, sahen sich insbesondere große und bei Wahlen erfolgreiche Parteien wie La France insoumise oder Vasemmistoliitto in Führungsgremien der Europäischen Linkspartei unterrepräsentiert und bemängelten starre Strukturen und ineffiziente Arbeitsmechanismen der EL – die jedoch seit einigen Monaten an Reformen arbeitet und einige Ergebnisse dieses Prozesses, wie die Einführung einer Doppelspitze, bereits vorgelegt hat.
Vor diesem Hintergrund hatte das Siebener-Bündnis im August vergangenen Jahres bei den EU-Behörden die Zulassung als europäische politische Partei beantragt. »Die Allianz vereint links-grüne, feministische Parteien mit dem Ziel der Errichtung eines anderen Europas«, heißt es in dem vorgelegten Statut. Als Punkte werden dafür sozialer Fortschritt und Arbeitsrechte, Frieden, Solidarität und Gleichheit, Klimagerechtigkeit und Umweltschutz genannt. Die neue Partei wolle gegen »neoliberale Dogmen« ankämpfen, betont die Präambel. Das Ja der EU-Behörden folgte kurze Zeit später.
Trotzdem blieb ELA in den folgenden Monaten eher unsichtbar. Mit dem Porto-Kongress hat sich das nun geändert. Mit Themen wie der Schaffung einer antifaschistischen Internationale, der Sicherung von Arbeitsrechten und Klimaschutz, feministischen und antirassistischen Kämpfen setzte das Bündnis auf zentrale und aktuelle Themen. Ganz im Zentrum: die Schaffung dauerhafter Friedenslösungen für die Ukraine und natürlich – angesichts der dramatischen Zuspitzungen unmittelbar vor dem Kongress – für den Nahen Osten. Konkret hat ELA vereinbart, eine internationale Kampagne zum Stopp des israelischen Genozids in Gaza zu starten.
Solche Themen stehen auch in der Linksfraktion The Left des Europaparlaments auf der Tagesordnung. In der Left-Fraktion sitzen sowohl Abgeordnete aus Parteien, die der ELA angehören, als auch Parlamentarier*innen, die ihr Zuhause in der EL haben. Gegenüber »nd« sagte Ko-Fraktionschef Martin Schirdewan, dass dies für die Arbeit kein Problem darstelle. Offen bleibt indes, ob es eine Kooperation zwischen EL und ELA geben wird, die über die gemeinsame parlamentarische Arbeit in der Linksfraktion des Europaparlaments hinausgeht.
Ebenso unklar ist, ob es noch weitere Wechsel zwischen den Linksbündnissen geben wird. Auch die deutsche Linkspartei ist in dieser Frage unentschieden. Bereits in Paragraf 1 der Parteisatzung wird die Mitgliedschaft in der EL fixiert. Allerdings sollte das Verhältnis zu EL und ELA bereits mehrfach Thema auf Parteitagen werden, ist aber immer wieder verschoben worden. Vielleicht auch, weil es in der Linken Anhänger*innen beider Bündnisse gibt und man einen weiteren Konfliktpunkt in der Partei verhindern wollte.
Es mag Zufall gewesen sein, dass just an diesem Wochenende, an dem der erste ELA-Kongress tagte, dem Linke-Parteivorstand eine Vorlage eingereicht wurde, die sich genau mit dieser Frage beschäftigte. Ausgearbeitet wurde sie von einer »Europa-Arbeitsgruppe« unter Leitung des EL-Mitgründers und langjährigen Europaabgeordneten Helmut Scholz. Das Papier spricht sich dafür aus, dass die deutsche Linke ihr Potenzial und ihr Ansehen nutzt, um einer Polarisierung und Fragmentierung europäischer Linkskräfte entgegenzuwirken. Notwendig sei zudem eine breite innerparteiliche Debatte über die europapolitische Ausrichtung der Linken. Entscheidungen dazu werden auf dem Parteitag 2026 erwartet – was vermutlich auch eine Weichenstellung Richtung ELA oder Verbleib in der EL bedeuten würde.
Janis Ehling, Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, sieht das ähnlich: »Wir als Linkspartei sind da auch ein Stück weit Mittler, wir wollen, dass die Linke in Europa zusammenarbeitet. Und das können wir mit Parteien in beiden Familien tun.« Generell hat Ehling, der in Porto vor Ort war, den Kongress durchaus als Aufbruch empfunden. »ELA hat sich mit den wirklich schwierigen Themen unserer Zeit beschäftigt, mit der Rechtsentwicklung, den Gegenstrategien, dem gemeinsamen Lernprozess.« Dieser und der gegenseitige Austausch hätten im Mittelpunkt gestanden. Ein eventueller Konflikt ELA versus EL stand dagegen nicht auf der Tagesordnung.
nd-aktuell