Frauke Brosius-Gersdorf in der Falle: Das sind die wahren Folgen der gescheiterten Richterwahl

Es gibt linke wie rechte Erzählungen von Putschversuchen bei der Richterwahl. Unsinn! Ein Blick nach Polen zeigt, welche Gefahr Deutschland wirklich droht. Eine Analyse.
Wir sind noch einmal davongekommen. Der Putsch hat nicht stattgefunden. Die Verschwörung ist gescheitert. Dass ein Umsturz geplant war, scheint ja inzwischen klar zu sein, Rechtsradikale, Linke und politische Mitte sind sich da inzwischen weitgehend einig. Streit gibt’s nur noch darüber, wer putschen wollte: die AfD gegen die CDU oder die Linke (von SPD und Grünen bis zur Linkspartei) gegen die AfD.
Nein, es geht nicht um den Prozess gegen die Gruppe Reuß, einen Zusammenschluss verwirrter Reichsbürger, der die Bundesregierung stürzen wollte und jetzt vor Gericht steht. Nein, es geht um einen anderen Putsch, oder genau genommen sogar zwei unterschiedliche Putschversuche.
Streit um Frauke Brosius-Gersdorf: Der Putsch, den es nie gabDer erste Putschversuch, den ich meine, wird von denen, die ihn glauben aufgedeckt zu haben, meist nicht so genannt. In Zeiten verrohender Sitten und gegenseitiger Verdächtigungen halte ich ihnen das zugute: Sie nennen das, was sie aufdecken, nur „eine Kampagne von weit rechts“ (ARD), mit der „rechte Netzwerke“ eine Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht „diffamieren“ (SWR) wollten.
Durch Druck auf die Öffentlichkeit und die CDU-Fraktion sollte Letztere dazu gebracht werden, gegen die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zu stimmen. Das hat funktioniert, jedenfalls bis jetzt, denn die Wahl wurde vertagt. Im September erfahren wir dann, ob der CDU-Bundestagsfraktion ihr Verhältnis zu den „rechten Netzwerken“ wichtiger ist als die Koalition mit der SPD (und damit das Kanzleramt). Was Bundeskanzler Merz bisher dazu gesagt hat, deutet darauf hin, dass er Bundeskanzler bleiben will und die Vertagung auf ein Missverständnis zurückführt: Die Kandidatur sei der Fraktion nicht ausreichend erklärt worden. Die „rechten Netzwerke“ schießen sich derweilen auf die zweite SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold ein und liefern Merz und Klingbeil damit zusätzliche Argumente, in der Sache hart zu bleiben.
Das Ganze hat weder mit einem Putsch noch mit einer Diffamierungskampagne viel zu tun, es ist eine Mischung aus einer Lobby-Aktion und dem Versuch, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Demoskopen kennen den Effekt unter dem Namen „pluralistic ignorance“. Das beschreibt eine Lage, in der die Mehrheit (einer Gruppe, einer Gesellschaft) glaubt, eine bestimmte Meinung sei Mehrheitsmeinung, und sich dieser deshalb anschließt. Diejenigen, die in den letzten Wochen an ihre Abgeordneten schrieben, Online-Petitionen starteten und (teilweise tatsächlich diffamierende) Posts auf X, TikTok und Facebook verbreiteten, wollen damit bei den Medien und der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, die Mehrheit der Gesellschaft sei gegen die SPD-Kandidaturen zum Verfassungsgericht, in der Hoffnung, dass dadurch eine solche Mehrheit erst entsteht.
Daran ist nichts Verwerfliches. Dass eine lautstarke Gruppe neue Mehrheiten schaffen kann, indem sie den (falschen) Eindruck erweckt, sie sei die Mehrheit, wissen wir in Deutschland seit den 1970er-Jahren, als Willy Brandt, unterstützt von großen Zeitungsverlagen und Intellektuellen, seine neue Ostpolitik und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durchsetzte. Die wollte am Anfang auch keiner, bis der Eindruck, sie sei mehrheitsfähig, dazu führte, dass sie mehrheitsfähig wurde.
Damals brauchte man für so etwas das öffentlich-rechtliche Fernsehen (private Sender gab es noch nicht), die großen Verlage (Spiegel, Die Zeit) und bekannte Intellektuelle. Heute geht so etwas mit Internet-Portalen, Online-Umfragen und -Petitionen, Social Media und (anstelle der Intellektuellen) mit Promis und Influencern. Leichter ist es dadurch aber nicht geworden. Das zeigt die erste Umfrage, nach der eine Mehrheit der Befragten gegen einen Rückzieher von Frau Brosius-Gersdorf ist. Der Versuch, mit viel Lärm eine Mehrheit gegen sie zu schaffen, ist krachend und für jeden sichtbar gescheitert.
Viel Lärm um nichts, könnte man sagen – also weder eine Kampagne noch ein Putschversuch. Vielleicht war das Ziel der Aktion nicht, die SPD-Kandidaten abzusägen, sondern etwas ganz anderes: einen Keil zwischen SPD und CDU zu treiben, ganz im Sinne jenes an die Medien durchgestochenen AfD-Strategiepapiers, das Markus Preiß in seinem inzwischen berühmt gewordenen Interview mit Alice Weidel erwähnte.
Kann sein, hat aber auch nicht geklappt. Lärm verändert eben noch keine Politik. Die Chance darauf oder, aus der Sicht der Gegner, die Gefahr, dass das geschieht, gab es nie. Das sieht man, betrachtet man die andere Seite der Medaille – den Putsch, der mit der Aktion gegen Brosius-Gersdorf verhindert werden sollte.
Die SPD und das AfD-Verbot: Ein Putsch, den es gar nicht geben konnteDie andere Putsch-Theorie geht so: Die Juristinnen Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold sind SPD-Kandidatinnen, für ein AfD-Verbot und sollen Richter am Zweiten Senat ersetzen, die die Altersgrenze erreicht haben. Sie setzen dort eine Mehrheit durch, die AfD wird verboten, ihre Abgeordneten verlieren ihre Mandate, im Bundestag entsteht eine neue, nunmehr linke Mehrheit aus SPD, Grünen und Die Linke, die mit einem konstruktiven Minderheitsvotum Friedrich Merz und seine Regierung stürzt und selbst die Macht in Berlin übernimmt.
So postete es ein bekannter Jurist auf X, so verkaufte der selbsternannte Plagiatsjäger Stefan Weber es auf seinem Account, nachdem sich herausgestellt hatte, dass seine Plagiatsvorwürfe gegen Brosius-Gersdorf zu dünn gewesen waren.
Als ich das las, lief mir auch eine Gänsehaut über den Rücken. Bis ich anfing nachzudenken. Da verschwand sie wieder. Dieses Szenario hat nämlich so viele Unbekannte, dass sich kein Putschist, der etwas auf sich hält, darauf einlassen würde. Erstens: Wie zwingt die SPD ihre Kandidatinnen dazu, sich an das Szenario zu halten, wenn sie erst einmal im Zweiten Senat und damit unabsetzbar sind, Immunität genießen und „nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind? Wie zwingen sie die anderen Richter dazu, für ein AfD-Verbot zu stimmen? Für eine Mehrheitsentscheidung bräuchte es mindestens noch drei andere im achtköpfigen Senat. Zweitens: Das Bundesverfassungsgericht hat im Verfahren gegen die Sozialistische Reichspartei damals tatsächlich den Verfall aller SRP-Mandate verfügt. Woher wissen wir, dass es dieses Mal auch so kommt? Kommt es anders und die AfD-Mandatare bleiben als parteilose Abgeordnete im Bundestag und in den Landesparlamenten, war der ganze angebliche Putsch umsonst.
Drittens: Merz’ Koalition hätte selbst dann immer noch eine Bundestagsmehrheit – und zwar nicht nur mit der SPD, sondern auch mit den Grünen. Erkennt das Bundesverfassungsgericht also der AfD die Mandate ab, stärkt das die CDU mehr als die SPD; Merz kann Kanzler bleiben und zwischen zwei Koalitionspartnern wählen, die SPD kann nur Kanzlerpartei werden, wenn sie sich mit Grünen und Linken einigt.
Wer unter solchen Bedingungen einen Putsch wagt, sollte sich besser gleich neben den Prinzen Reuß und seine Mitverschwörer setzen. Die haben wenigstens gar nichts erreicht. Den mythischen BVerfG-Putschisten, die dieser Tage durch die Schlagzeilen geistern, droht, dass sie das Gegenteil dessen erreichen, was sie angeblich wollen: dass Merz Kanzler und die CDU an der Regierung bleiben, entweder mit der SPD oder den Grünen als Partner. Beruhte der Putsch also darauf, dass die SPD das Gericht mit Richtern füllt, damit sie selbst die Macht verliert und Merz die Grünen ins Boot holen kann?
Es ist wie bei allen Verschwörungstheorien: Sie machen erst mal Angst, aber beim näheren Hinsehen erkennt man schnell: Sie sind so abstrus, dass man sie nicht widerlegen kann, und würden, wären sie wahr, zu absurden Resultaten führen.
Die wahren Folgen der Affäre um die RichterwahlAber das heißt überhaupt nicht, dass die ganze Affäre nur heiße Luft ist. Im Gegenteil. Es kann sein, dass die Bundesrepublik gerade – und weitgehend ohne sich darüber im Klaren zu sein – in eine Falle getappt ist, in der Polen seit 2016 feststeckt, ohne die geringste Aussicht, da wieder herauszukommen.
Diese Falle schnappt nicht zu, weil jemand Höchstrichter bzw. Kandidaten für das höchste Gericht angreift, sondern weil andere sie und sie selbst sich verteidigen. Richter sind auf politische Angriffe nicht vorbereitet, sie sind nicht nur keine Politiker, sie wollen und dürfen es auch gar nicht sein.
Nur haben sie manchmal keine Wahl. Deshalb kann man sich in der Regel darauf verlassen, dass sie auf Angriffe erst mal gar nicht und dann sehr ungeschickt reagieren, meist indem sie die Angriffe zurückweisen. Aber niemand kann, wie ein polnisches Sprichwort sagt, „beweisen, dass er kein Kamel ist.“
Frau Brosius-Gersdorf kann nicht beweisen, dass sie keine „linksgrün-versiffte Ideologin“ ist, die Kinder im neunten Monat abtreiben will. Versucht sie, das zu widerlegen, muss sie sich positionieren, rechtfertigen und damit „beweisen, dass sie kein Kamel ist“, und schon ist sie da, wo sie auf keinen Fall hinwill und hindarf: mitten in der politischen Auseinandersetzung. Das ist ein wenig, als ginge man mit einer Axt auf einen erklärten Pazifisten los. Er kann dabei draufgehen. Oder aufhören, Pazifist zu sein. Mit ihrem Auftritt bei „Markus Lanz“ ist Brosius-Gersdorf genau in die Falle getappt, die ihre Gegner für sie aufgestellt haben. Es ist der erste Schritt zu dem, was Politiker gerne „die Politisierung des Verfassungsgerichts“ nennen.
Verfassungsgerichte sind das Politischste, was es gibtDie CDU-Abgeordnete (und Brosius-Gersdorf-Gegnerin) Saskia Ludwig hat auf X gefordert, „Verfassungsrichter sollen in ihrem Wirken das Volk repräsentieren“ und nicht sich selbst. Klingt gut, ist aber Nonsens. Wenn dem so wäre, könnte man sie direkt wählen, zum Beispiel zusammen mit dem Bundestag. Dann bekäme jede Regierung nicht nur eine Mehrheit im Parlament, sondern auch gleich im Verfassungsgericht, das dann allerdings als Kontrollorgan für Regierung und Parlament überflüssig wäre. Ludwig ist mit ihrer Überzeugung nicht allein. Viele Leute glauben, Verfassungsgerichte seien dazu da, die Verfassung im Sinne „des Volkes“ zu interpretieren. Wenn es darum ginge, könnte man sie kostengünstig durch einen Algorithmus, eine KI oder den Senat einer juristischen Fakultät ersetzen.
In Wirklichkeit haben Verfassungsgerichte viel wichtigere Funktionen, über die sich viele Richter selbst nicht vollkommen im Klaren sind. Sie sind die letzten Schiedsrichter, wenn es zu Streit zwischen den anderen Staatsorganen kommt, sie kontrollieren Legislative und Exekutive, sie sorgen dafür, dass Mehrheiten mit Minderheiten Kompromisse machen müssen, und sie schützen die Bürger vor der Willkür des Staates (vielleicht hat Saskia Ludwig ja das gemeint).
Deshalb müssen die Richter dort unabhängig sein. Das heißt nicht unabhängig von allem und jedem, sondern von denen, die die Richter kontrollieren sollen: von Regierung und Parlament. Damit sie das können, haben sie Immunität und können nicht vor Ablauf ihrer Amtszeit abberufen werden. Das heißt nicht, dass sie keine Meinungen haben dürfen und politisch vollkommen neutral sein müssen.
Untersuchungen zeigen, dass Richter oft, ohne sich dessen bewusst zu sein, nach politischer Überzeugung, Herkunft, Alter, Erziehung, Nationalität und Religion entscheiden. Beim Internationalen Gerichtshof gibt es eine Richterin, die grundsätzlich und immer für Israel votiert, weil sie Anhängerin einer evangelikalen Sekte ist. Das wird dadurch ausgeglichen, dass solche Gerichte immer kollektiv entscheiden. Die Frau wird von ihren nichtevangelikalen Kollegen und Kolleginnen überstimmt.
So gesehen ist es völlig egal, ob in Karlsruhe tatsächlich einmal ein linksradikaler Richter oder eine rechtsradikale Richterin Platz nehmen, solange es in keinem Senat eine klare, berechenbare parteipolitische Mehrheit gibt.
So bedrückend ist die Situation in Polen seit 2016Eine solche Situation haben wir seit 2016 in Polen. Die PiS-Regierungen ernannten ihre Parteisoldaten zu Richtern, die stimmten brav so, wie die Regierung es wollte, und so kontrollierte die Regierung das Gericht statt umgekehrt. Dieser Prozess begann damit, dass die Regierung die Richter frontal politisch angriff und diese sich, genau wie Frauke Brosius-Gersdorf, dagegen wehrten und so aufhörten neutral zu sein.
Ab sofort galten sie als „Richter, die gegen die Regierung sind“. Der Öffentlichkeit konnte man das leicht nahebringen: Vom Volk abgehobene, arrogante und korrupte Richter, die nicht demokratisch gewählt waren, stellen sich gegen eine demokratisch vom Volk gewählte Regierung, war das nicht empörend? So konnte man den Widerstand der Richter brechen, ohne Volkes Zorn zu erregen, und, als netter Nebeneffekt, das Verfassungstribunal mit Richtern füllen, die nicht vom Volk abgehoben, arrogant und korrupt waren, dafür aber der Regierung nach dem Mund redeten. Die anderen wehrten sich gegen die Vorwürfe (der mit der Korruption war weitgehend erfunden) und bewiesen damit selbst, dass sie als Richter ungeeignet waren – sie waren ja nicht mehr neutral.
Was damals die PiS-Regierungen taten, um das Verfassungsgericht als Kontrollorgan aus dem Weg zu räumen, haben in den letzten Wochen in der Bundesrepublik rechtsgerichtete Internetportale, konservative CDU-Abgeordnete und unkritische Journalisten übernommen. Kaum jemand hatte die Absicht, das Verfassungsgericht als Kontrollorgan der Regierung um die Ecke zu bringen, es ging den meisten wohl nur darum, entweder eine ihnen unbequeme Richterin zu verhindern oder einen Keil zwischen CDU und SPD zu treiben.
Manche, wie der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl, sind auch einfach Diffamierungen aufgesessen. Das erklärt auch, warum die Anti-Brosius-Gersdorf-Mobilisierung so schnell zur „Diffamierungskampagne“ und rechten Verschwörung erklärt wurde: Der Bischof und viele Journalisten und CDU-Politiker haben vor ihren Stellungnahmen nicht etwa gar nicht oder zu nachlässig recherchiert, nein, sie sind Opfer einer Kampagne geworden. Genau wie Brosius-Gersdorf, könnte man sagen.
Aber mit ihrer öffentlichen Verteidigung ist das Kind endgültig in den Brunnen gefallen. Ab sofort wird jeder Kandidat für Karlsruhe öffentlich so durchleuchtet werden wie sie. Wir werden erfahren, mit wem eine Kandidatin verheiratet ist, wer ihre Kinder sind (und was die für Ansichten haben), selbsternannte Plagiatsjäger werden sich an ihre Fersen heften und juristische Autodidakten werden uns erklären, welche höchst empörenden, unsittlichen, gegen das Naturrecht und den gesunden Menschenverstand verstoßenden Schlüsse man aus ihren bisherigen Urteilen und juristischen Analysen ziehen kann.
Und natürlich wird sich jeder Kandidat dagegen wehren, vielleicht sogar klagen, so lange, bis klar ist, wo er politisch, ideologisch und parteipolitisch steht, und damit selbst seine mangelnde Eignung fürs Amt unter Beweis gestellt hat. Am Ende dieses Weges haben wir ein Verfassungsgericht mit klarem parteipolitischem Profil: Der Erste Senat ist links, der Zweite konservativ, oder umgekehrt.
Wie es danach weitergeht, kann jeder, der es will, in Polen beobachten: Dort ignoriert die Regierung Urteile des Gerichts, das momentan noch ausschließlich von Parteigängern der PiS besetzt ist. Als Kontrollorgan und Schutz für die Bürger fällt es seit zehn Jahren aus: erst, weil es der Regierung aus der Hand fraß, statt sie zurechtzuweisen, dann, weil die Regierung es ignorierte, weil es „politisiert“ war. Das ist auch so ein Begriff, mit dem das politische Establishment seine eigenen Wähler an der Nase herumführte: Verfassungsgerichte sind überall auf der Welt politisch, sie müssen es sein, wenn sie funktionieren sollen. Nur eines dürfen sie nie werden, denn dann machen sie sich selbst überflüssig: parteipolitisch.
Mobilisierung gegen Brosius-Gersdorf: War es das wert?Es ist das, was man in der Spieltheorie ein Lose-lose-Spiel nennt: eins, bei dem am Ende alle verlieren. Brosius-Gersdorf wurde nicht verhindert, der Keil wurde nicht zwischen SPD und CDU, sondern mitten in die CDU getrieben, Verfassungsrichter bekommen jetzt parteipolitische Fähnchen, die sie sich anstecken müssen. War es das wert?
Das Paradox: Ja, das war es. Sieht man sich an, womit gegen die Richterin mobilisiert wurde, wird das sofort klar. Es ging um ihre mögliche Haltung bei einem AfD-Verbotsverfahren.
Ich weiß nicht, wie ernst man die Kehrtwendung prominenter SPD-Politiker in dieser Frage nehmen kann, aber seit ich Daten über die Online-Mobilisierung gegen Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold verfolge, weiß ich, die AfD nimmt sie offenbar todernst. Und genau deshalb ist eingetreten, was wir hier schon vor Monaten vorhergesagt haben. Man kann die AfD verbieten, aber damit zerrt man das Bundesverfassungsgericht mitten in die parteipolitische Auseinandersetzung. Und da ist es jetzt, noch knapp einen Schritt entfernt von der Grube, in die sein Gegenstück in Polen vor neun Jahren gefallen ist.
Berliner-zeitung