G7 in Kanada: Donald Trump führt die Partner vor und reist ab

Kananasikis. Der erste offizielle Auftritt von US-Präsident Donald Trump beim G7-Gipfel in Kanada ist bizarr. Nach einem 25-minütigen bilateralen Treffen mit dem Gastgeber, dem kanadischen Premier Mark Carney, startet Trump eine improvisierte Pressekonferenz. In deren Verlauf erklärt der Präsident, der sich gerne Kanada als 51. US-Staat einverleiben würde, dass er in der Zollfrage zu einem „Deal“ bereit sei. Trump sagt auch, es sei ein Fehler gewesen, Russland aus der früheren G8-Gemeinschaft zu verbannen und dass er nichts dagegen hätte, wenn auch China dabei wäre. Er schlägt sich in der Nahost-Frage auf die Seite Israels und ist dann schnell wieder bei seinen Anschuldigungen, wie schlecht New York und Los Angeles regiert würden und dass sein Vorgänger Joe Biden Millionen von Flüchtlingen ins Land gelassen habe.
Der kanadische Premier steht wie Trumps Regierungssprecher daneben. Nach einigen Minuten fasst er sich ein Herz und beendet das Schauspiel – nicht ohne zuvor den Blickkontakt zu Trump gesucht zu haben, der mit einem knappen Nicken zustimmt.
Eben dieses berechenbar unberechenbare Auftreten Trumps fürchten die anderen sechs Staatenlenker im Club der Industriestaaten. Und es kommt an diesem Tag noch dicker. Am späten Nachmittag teilt Trumps Sprecherin über die Plattform X mit, dass der Präsident am Abend nach dem Abendessen nach Washington zurückkehren wolle, um sich um „wichtige Angelegenheiten“ zu kümmern. Als Grund wird die Lage im Nahen Osten genannt. Um was es genau geht und ob der Iran möglicherweise US-Basen angegriffen hat, bleibt unklar. Die anderen Gipfelteilnehmer zeigen Verständnis für Trumps Abreise.
Als die anderen Staats- und Regierungschefs am Mittag noch davon ausgehen, dass Trump die vollen zwei Tage bleiben werde, sind die Erwartungen, was man zusammen erreichen könne, nicht sehr groß. Bei den Unterhändlern sieht man nur Schulterzucken auf die Frage, ob sich die schon deutlich zurückgefahrenen Erwartungen an den Gipfel erfüllen werden. Das wäre, dass man zu Einzelthemen wie Künstliche Intelligenz, Rohstoffe und Waldbrände (Klimaschutz) gemeinsame Erklärungen bekommt und bei den großen dringlichen internationalen Themen der Eskalation im Nahen Osten, dem Krieg in der Ukraine und den von Trump begonnenen Zollstreitigkeiten zumindest Fortschritte erzielt. Besser noch: ein Signal der Einigkeit sendet.
Und genau solch ein Signal gab es dann nach einem Abendessen, an dem Trump noch teilnahm, doch noch: Überraschend verständigten sich die G7-Chefs auf eine gemeinsame Erklärung zum Krieg zwischen Israel und dem Iran. In dem von Gastgeber Kanada veröffentlichten Text wird der Iran als „die Hauptquelle regionaler Instabilität und des Terrors“ bezeichnet und Israels Recht auf Selbstverteidigung betont. Weiter erklären die Staats- und Regierungschefs der G7, man habe stets unmissverständlich klargestellt, dass der Iran niemals in den Besitz einer Atomwaffe gelangen dürfe.
Direkte Kritik am israelischen Vorgehen gegen den Iran findet sich in der Erklärung nicht. Es wird lediglich die Bedeutung des Schutzes der Zivilbevölkerung in dem Konflikt betont und gefordert, dass die Lösung der Iran-Krise zu einer umfassenderen Deeskalation der Feindseligkeiten im Nahen Osten führen sollte – einschließlich eines Waffenstillstands im Gazastreifen.
Noch vor dem Gipfel hatten Trump und Russlands Machthaber Wladimir Putin miteinander telefoniert. Putin, der das Mullah-Regime im Iran unterstützt, bot an, in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran zu vermitteln. Dies wiederum konnte Trump sich vorstellen. Für den Rest der G7 ist eine solche Vermittlung ein unrealistisches Szenario. Bundeskanzler Friedrich Merz weist die Idee zurück: „Ich sehe persönlich nicht, dass der russische Staatspräsident in diesem Konflikt eine vermittelnde Rolle spielen könnte. Es wäre gut, wenn Russland seinen Krieg in der Ukraine beendet“, sagt er in einem Statement am Rande des Gipfels.

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Noch vor dem offiziellen Start des Programms war Merz deutschen Regierungskreisen zufolge zum bilateralen Austausch mit Trump zusammengekommen. Auch bei diesem Gespräch stand die Eskalation im Nahen Osten und wie diese beendet werden könnte, im Mittelpunkt. Zudem: die Lage der Ukraine und wie der Westen das Land weiter unterstützen kann. Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der für Dienstag beim Gipfel angesagt ist, wird Trump nun nicht mehr treffen.
Zum Auftakt des Gipfels, zu dem sich die Teilnehmer – inklusive EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Antonio Costa – traditionell um einen runden Tisch versammeln, mahnt Carney, dass sich auch die G7 verändern muss. „Nostalgie ist keine Strategie“, sagt er. Er nennt wirtschaftlichen Wohlstand und Wehrhaftigkeit als Grundlage für die eigene Sicherheit.
In der anschließenden Runde geht es deutschen Regierungskreisen zufolge um die Weltwirtschaft. Betont wird, dass die G7 ihre eigenen Handelshemmnisse abbauen müssten. Da steht dann der Streit um die Zölle als weißer Elefant im Raum – ohne dass konkret darüber gesprochen würde. Weitgehend einig ist sich die Runde, dass China den freien Welthandel unzulässig für sich ausnutze. China als gemeinsamer Gegner in Handelsfragen schafft das sonst ausbleibende Wir-Gefühl der G7.
Der Impuls des kanadischen Premiers Carney, wonach sich die G7 reformieren müsse, wird aufgenommen. Trump bringt eine Erweiterung ins Spiel. Die anderen zeigen sich dafür offen, betonen, es müssten demokratische Volkswirtschaften sein. Die Namen von Indien und Südkorea fallen. Von Russland und China ist hinter verschlossenen Türen keine Rede mehr. Die Mehrheit am Tisch aber meint, dass man erst das eigene Haus in Ordnung bringen müsse, bevor an eine Erweiterung der G7 zu denken sei.
rnd