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Im Umgang mit der AfD bleiben zwei Wege: Entweder man verbietet sie – oder man lässt sie regieren

Im Umgang mit der AfD bleiben zwei Wege: Entweder man verbietet sie – oder man lässt sie regieren

Wie bekommt man die AfD in den Griff? Darüber streitet die deutsche Politik seit Jahren. Und seit Jahren hat die AfD stetigen Zuwachs. Es scheint so, als liefen alle Versuche, die AfD zu bekämpfen, ins Leere. Während die politische Mitte verzweifelt, jubelt der rechte Rand. Immer und immer wieder.

Spätestens seit das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextrem“ betitelt, sind die Debatten um ein Verbot der Rechtsaußenpartei erneut aufgeflammt. Die Gegner der AfD teilen sich grob in zwei Lager: Die einen wollen die Partei aufgrund verfassungsfeindlicher Tendenzen verbieten, die anderen wollen sie politisch bekämpfen. Die AfD müssen man „wegregieren“, sagte etwa Alexander Dobrindt (CSU) wenige Tage vor seiner Vereidigung als neuer Bundesinnenminister bei „Berlin direkt“ im ZDF. Zu diesem Zeitpunkt war das Gutachten des Verfassungsschutzes unter Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits fertiggestellt und das Ergebnis der Öffentlichkeit präsentiert.

Mitte 2015 stand die AfD noch bei rund fünf Prozent. Seit der damaligen Flüchtlingskrise hat sich die AfD als ernst zu nehmender Gegner in der Parteienlandschaft etabliert. In den folgenden zehn Jahren haben sich die Umfragewerte der Partei verfünffacht. Mittlerweile steht die AfD in aktuellen Sonntagsfragen bei rund 25 Prozent und liegt regelmäßig vor der Union.

Auch die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg und die daraus folgenden Kostenexplosionen waren Brandbeschleuniger für die AfD. Heute ist die Inflation in den Geldbeuteln der Deutschen immer noch spürbar. Besonders im Supermarkt verteuern sich die Preise für Nahrungsmittel erheblich.

Zum wirtschaftlichen Abstieg kommen soziale Ängste. Unter jungen Männern war die AfD bei der vergangenen Bundestagswahl die beliebteste Partei. 2021 war die FDP unter Erstwählern noch stärkste Kraft. Wo die Liberalen damals bei jungen Leuten mit der Erzählung vom sozialen Aufstieg durch Fleiß und Tüchtigkeit punkten konnten, gewann die AfD im Jahr 2025 aufgrund von Resignation: Fehlende soziale und berufliche Perspektiven werden als Grund für den Erfolg der AfD bei jungen Menschen angeführt.

Fast wie eine Minderheitsregierung: Merz’ Möglichkeiten sind begrenzt

Die Koalition von Friedrich Merz wird vor allen Dingen von einem Kurs der Kompromisse geprägt sein. Bei seiner Wahl zum Bundeskanzler scheiterte er im ersten Wahlgang und erreichte nicht die benötigte Anzahl von Stimmen. Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik geschah das einem Kanzlerkandidaten. Mehr als ein Dutzend unbekannte Abgeordnete, vermutlich aus beiden Koalitionsfraktionen, stimmten gegen ihn und ließen die Regierung im letzten Moment fast platzen. Erst im zweiten Wahlgang gaben ein paar Abgeordnete mehr Merz ihre Stimme und wählten ihn zum zehnten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der Vorgang schadete Merz’ Ansehen noch vor seiner Kanzlerschaft erheblich.

Die Mehrheiten der schwarz-roten Regierung sind gering. Nur 13 Sitze mehr hat die Koalition als die absolute Mehrheit. Merz’ Kabinett muss also fast wie eine Minderheitsregierung agieren. Sowohl den linken Rand der SPD als auch den rechten Rand der Union muss Merz für seine Politik überzeugen, damit er die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich versammeln kann. Die Folge wird ein noch stärkerer Mitte-Kurs sein: die Fortsetzung jener Politik, die die AfD seit Jahren erst so richtig stark gemacht hat.

Wenn also der politische Weg scheitert, die AfD in den Griff zu bekommen, gibt es noch zwei Möglichkeiten: entweder man verbietet sie – oder man lässt sie regieren. Im ersten Fall hat man die Wahlergebnisse der AfD nicht nur reduziert, sondern gleich die komplette Partei zerschlagen. Das durchzusetzen, ist äußerst schwierig. Für ein Verbotsverfahren braucht es zunächst Geduld. Das zweite NPD-Verbotsverfahren etwa zog sich über sechs Jahre. Im Falle eines Verbotsverfahrens gegen die AfD bliebe der Partei also genug Zeit, sich als Opfer des politischen Systems zu inszenieren. Zudem sind die Hürden vor dem Verfassungsgericht für ein Parteienverbot sehr hoch. Niemand kann sicher sagen, ob ein Verbotsverfahren tatsächlich juristisch erfolgreich wäre.

Der zweite Weg, mit dem man die Wahlergebnisse der AfD reduzieren könnte, wäre eine blaue Regierungsbeteiligung. Die AfD ist die stärkste Kraft in Deutschland, aber hat selbst auf Landesebene noch keine Regierungserfahrung vorzuweisen. Im Szenario einer Regierung unter AfD-Beteiligung müsste die Partei aus ihrer ewigen Nörglerrolle herausgehen und selbst aktiv Politik gestalten. Die idealistischen Forderungen der AfD träfen auf Form- und Sachzwänge.

Die Hoffnung, die die AfD für viele Wähler verkörpert, könnte so zu Resignation führen. Nachdem die österreichische Rechtsaußenpartei FPÖ im Jahr 2017 mit der konservativen ÖVP koaliert hatte, verlor sie bei der folgenden Nationalratswahl 2019 fast zehn Prozentpunkte. Auch 2002, nach einer vorherigen Regierungsbeteiligung, verlor die FPÖ bei der Nationalratswahl erheblich.

Unter den Vorzeichen der gegenwärtigen Politik scheint das zweite Szenario nicht unrealistisch. Das Lager aus CDU, CSU und AfD hat im Bundestag eine stabile Mehrheit. CDU-Politiker wie Jens Spahn deuten die Möglichkeit einer schwarz-blauen Koalition an: „Alternativlos gibt’s nicht. Die Frage ist immer: Gibt’s eine bessere Alternative?“, sagte der Politiker Ende Februar bei „Caren Miosga“. Vielleicht könnte sich die AfD mit einer Regierungsbeteiligung tatsächlich selbst entzaubern. Doch wäre eine solche nicht das Worst-Case-Szenario, das man seit Jahr und Tag verhindern will?

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Berliner-zeitung

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