Krieg in der Ukraine: Russischer Terror aus der Luft

Russland hat die Ukraine in der Nacht auf Sonntag nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij mit fast 300 Drohnenangriffen und rund 70 Schlägen mit Raketen und Marschflugkörpern überzogen. Das wären nach Zahlen die schlimmsten Drohnenangriffe seit Kriegsbeginn vor mehr als drei Jahren. Rettungskräfte seien in mehr als 30 ukrainischen Städten und Dörfern in verschiedenen Regionen im Einsatz, teilte Selenskij auf der Plattform X mit. Laut Behörden starben mindestens zwölf Menschen, Dutzende weitere seien verletzt worden. Unter den Toten seien auch Kinder.
In der Region Schytomyr westlich der Hauptstadt Kiew starben zwei Kinder im Alter von acht und zwölf Jahren sowie ein Jugendlicher im Alter 17 Jahren, wie der Zivilschutz mitteilte. Im Gebiet Kiew wurden laut Behörden mindestens vier Menschen getötet, 16 weitere wurden demnach verletzt. Auf Bildern und Videos, die der Zivilschutz verbreitete, waren schwere Verwüstungen in Ortschaften zu sehen, zerstörte und brennende Häuser. Vier Tote und fünf Verletzte meldeten die Behörden in der Region Chmelnyzkyj im Westen des Landes, auch dort gebe es schwere Schäden an der Wohnbebauung und sozialen Infrastruktur, hieß es. Sechs Wohnhäuser seien völlig zerstört, mehr als 20 weitere beschädigt worden.
Kiew fordert vom Westen, Putin stärker unter Druck zu setzenSelenskij warf Russland Terror vor und forderte vom Westen schärfere Sanktionen gegen das Land. Der russische Präsident Wladimir Putin setze das Töten in seinem Krieg täglich fort. „Dies darf nicht ignoriert werden. Das Schweigen Amerikas und das Schweigen anderer Länder der Welt ermutigen Putin nur“, sagte Selenskij. „Ohne wirklich starken Druck auf die russische Führung kann diese Brutalität nicht gestoppt werden. Sanktionen werden sicherlich helfen.“ Es handele sich um absichtliche Schläge gegen einfache Städte, sagte Selenskij. Er forderte Entschlossenheit von den USA und den europäischen Ländern, den Druck auf Russland zu erhöhen, damit es den Krieg beende.
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha sprach von einem schweren Sonntag für die Ukraine mit einer schlaflosen Nacht. „Während die ganze Welt ein Ende des Tötens fordert, ordnet Putin noch mehr Schläge, Angriffe an und Morde an Kindern“, schrieb Sybiha auf der Plattform X. Es benötige eine bedingungslose und haltbare Waffenruhe für Friedensverhandlungen. Die Weltgemeinschaft müsse den Druck auf Putin erhöhen. Der aktuelle Druck sei ungenügend, teilte der Chef der Präsidialkanzlei, Andrij Jermak, bei Telegram mit. „Ohne Druck wird sich nichts ändern, und Russland und seine Verbündeten werden nur Kräfte aufbauen für solche Morde in westlichen Ländern. Moskau wird kämpfen, solange es die Möglichkeit hat, Waffen zu produzieren.“
Über Russland sind nach Regierungsangaben in der Nacht 110 aus der Ukraine kommende Drohnen unschädlich gemacht worden. Davon seien 13 über dem Gebiet Moskau und der an die Hauptstadt angrenzenden Region Twer abgefangen worden, teilt das Verteidigungsministerium mit. Es gab zunächst keine Angaben über Opfer. Auch ließ das Ministerium offen, mit wie vielen Drohnen die Ukraine insgesamt angegriffen hat.
Nach Angaben der Regierung in Moskau haben Russland und die Ukraine den umfangreichen Gefangenenaustausch abgeschlossen. Am Sonntag seien jeweils 303 Gefangene der Gegenseite übergeben worden, teilt das Verteidigungsministerium mit. Insgesamt seien damit in den vergangenen drei Tagen je 1000 Personen ausgetauscht worden. Der Austausch am Sonntag war die dritte und letzte Etappe in der bisher beispiellosen Aktion der Kriegsparteien. Damit sei die am 16. Mai in Istanbul getroffene Vereinbarung zwischen den Kriegsparteien erfüllt, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.
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