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Neues Buch: „Friedrich Merz entspricht nicht dem Klischee vom Macho“

Neues Buch: „Friedrich Merz entspricht nicht dem Klischee vom Macho“

Was will Friedrich Merz (CDU) wirklich? Während er sich im Wahlkampf als Macher präsentierte, ist schon vor seinem Amtsantritt fraglich geworden, was auf seiner Agenda steht, was ihn antreibt.

Die Aufnahme des riesigen Schuldenpakets im März mit Mehrheiten des alten Bundestages stellte diese Frage zum ersten Mal in aller Deutlichkeit, aber allein in der vergangenen Woche deutete er erst eine neue Aufhebung der Reichweitenbeschränkung für an die Ukraine gelieferte Waffen an, nahm sie dann zurück, positionierte sich im selben Zuge kritisch gegenüber der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen, die er vorher noch ziemlich bedingungslos verteidigt hatte. All das sorgt für Bewunderung bei manchen, für Irritation bei anderen.

Historiker Rödder: Merz verkörpert Herzland der rheinisch-westfälischen Christdemokratie

Die Zeit-Journalistin Mariam Lau, die Merz seit Jahren publizistisch begleitet, hat sich dieser Fragen in ihrem am vergangenen Freitag erschienen Buch „Merz. Auf der Suche nach der verlorenen Mitte“ angenommen. Das bei Ullstein veröffentlichte Portrait geht in zwölf Kapiteln dem Phänomen Merz nach, versucht ihn – sozusagen als Operation am offenen Herzen der Kanzlerschaft – aufzuschlüsseln.

Bei der Buchpremiere in den Räumlichkeiten des Ullstein-Verlags setzt Lau am Mittwoch, flankiert von der stellvertretenden Chefredakteurin des Spiegels, Melanie Amman, dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) und dem Geschichtsprofessor und CDU-Mitglied Andreas Rödder, ihre Beobachtungen in den Kontext der ersten Wochen von Merz’ Kanzlerschaft.

Der Klappentext von Laus Buch fragt: „Ein Konservativer im Aufbruch – oder auf Abwegen?“ Rödder ordnet Merz als Verkörperung des „Herzlandes der rheinisch-westfälischen klassischen Christdemokratie“ ein, „er steht für die alte Volkspartei“. Wohl auch deswegen fühlt sich CDU-Landeschef Günther, der dem liberalen Flügel zugerechnet wird, durch Merz repräsentiert, wie er erzählt. Lau erklärt später, dass Merz seit seinem Amtsantritt hauptsächlich von den Liberalen in der CDU unterstützt werde.

Apropos Repräsentation: Seit sein Kabinett die Arbeit aufgenommen hat, steht Friedrich Merz’ Verhältnis zu Frauen wieder einmal zur Debatte. Zu wenige Frauen seien in Machtpositionen, der Koalitionsausschuss zu männlich dominiert. Lau widmet in ihrem Buch dem Thema ein eigenes Kapitel. Sie hat sich mit Merz’ Ehefrau unterhalten und kommt zu dem Schluss: „Merz entspricht nicht dem Klischee vom Macho.“ Ihr Eindruck sei, so erklärt die Journalistin, Merz und seine Frau hätten sich in der Vergangenheit gegenseitig den Rücken freigehalten, etwa bei der Kinderpflege. Gleichzeitig habe der Bundeskanzler vermutlich kein Problem damit, sich in reinen Männerrunden zu bewegen.

Mariam Lau: Die felsenfeste Überzeugung von Merz ist sein „Westlertum“

Die gemischte Runde bei Laus Buchpräsentation ist sich derweil einig darin, dass Merz Kanzlerschaft „nicht ganz trittsicher“ begonnen habe, wie Andreas Rödder es ausdrückt. Im gleichen Zuge erinnert der Leiter der liberal-konservativen Denkfabrik „Republik21“ daran, dass auch andere Regierungen etwas Zeit benötigten, um ihren Weg zu finden, und dann „bemerkenswerte Ergebnisse“ erzielten. Er verweist auf die erste rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, die 1998 ihre Arbeit aufnahm. Daniel Günther spricht in diesem Kontext von einer „unmenschlichen Messlatte“, die an Merz angelegt werde. Man müsse in Betracht ziehen, dass seit seinem Amtsantritt erst wenige Wochen vergangen seien.

Doch schon während dieser kurzen Zeit hat Merz immer wieder bewiesen, dass er Schwierigkeiten hat, seinen Koalitionspartner und andere Beteiligte einzubinden. Das zeigte sich etwa an den Reaktionen der SPD auf die von Merz angestoßene Diskussion um die Reichweitenbeschränkung deutscher Waffen in der Ukraine. Mariam Lau vermutet, dass der Kanzler gar nicht daran denke, sich mit dem Koalitionspartner abzusprechen. Im schlimmsten Fall sei Merz’ Verhalten „Maulheldentum“. Günther stimmt zumindest in den ersten Teil der Analyse ein und sagt, Merz müsse sich darauf verlassen, dass die koalitionsinternen Kommunikationsmechanismen funktionierten.

Aber was sind denn eigentlich die Stärken von Merz? Fragt Spiegel-Journalistin Amman gegen Ende der Veranstaltung. Mariam Laus Antwort ist eindeutig: Die einzige felsenfeste Überzeugung von Merz sei sein „Westlertum“. Er sei politisch in den 1990er-Jahren sozialisiert und glaube inbrünstig an die Idee der europäischen Integration. Das erklärt wohl Merz’ Profilierung als Kanzler, der sich in den ersten Wochen seiner Amtszeit vorrangig mit Außenpolitik befasste. Parteifreund Günther hebt etwas anderes hervor: Merz überzeuge mit physischer Stärke. Nur wenige Menschen in Deutschland seien überhaupt körperlich in der Lage dazu, als Bundeskanzler über 18 Stunden am Tag aufmerksam und präsent zu sein. „Ich habe null Zweifel daran, dass er diese Power hat“, so Günther.

Mariam Lau: Merz. Auf der Suche nach der verlorenen Mitte. Ullstein, Berlin 2025. 336 Seiten, 24,99 Euro

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