Trotz ACAB: Diese Schwaben hat Jette Nietzard nicht verdient

Die Aktion mit dem „All Cops are Bastards“-Schriftzug der Grünen-Jugend-Chefin war unanständig - die Reaktionen von Özdemir und Kretschmann sind es aber auch. Ein Kommentar.
Die Grünen haben einen unbedingten Willen zum Machterhalt erst lernen müssen. Aber spätestens seit Rot-Grün möchte die Partei gerne regieren - selbst mit Merz und Söder hätte man sich Schwarz-Grün doch vorstellen können. Die Machtzentrale der „Regierenden Grünen“ ist Baden-Württemberg. Dort brettern Winfried Kretschmann und Cem Özdemir gerade alles und jeden nieder, der zwischen Ihnen und dem Machterhalt steht. Dabei macht man vor der eigenen Partei nicht halt.
„Ich verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will,“ polterte der grüne MP aus der Stuttgarter Staatskanzlei gegen Jette Nietzard. Kretschmann, der gefühlt schon länger mit seiner Partei fremdelt, legte der Grünen-Jugend-Chefin gar den Austritt nahe: „Sucht euch die richtige Partei aus und verlasst uns einfach. Wir sind nicht die richtige Adresse für die Art von Gesinnung, die ihr habt.“ Nun - erstens war das mal anders, wir erinnern uns an den jungen Joschka Fischer. Zweitens ist das mindestens einer drüber. Ich bin kein Freund von Jette Nietzard und ihren Aussagen. Der ACAB-Pullover war maximal unanständig. Dennoch - ein Pullover macht noch keine Gesinnung. Und „die“ ist dazu einfach nur abwertend, den Namen der Nachwuchs-Vorsitzenden wird Kretschmann doch wohl kennen.

Auch der sonst so gelassene Cem Özdemir, gerade zum Spitzenkandidaten der Grünen in Baden-Württemberg nominiert, schießt scharf gegen Nietzard. Wer nicht kapiere, dass die Polizei die Grundwerte verteidige, der sei bei den Grünen falsch, so der ehemalige Bundesminister. Ihn verbinde nichts mit solchen Aussagen. Auch das geht zu weit. Man kann, wie gesagt, viel Negatives über Nietzard sagen, ihr gleich die Intelligenz abzusprechen, finde ich unschicklich. Es muss doch im Ländle ein anderes, wichtigeres und vielleicht sogar politisches Thema geben, mit dem sich der amtierende und der vielleicht zukünftige Ministerpräsident beschäftigen könnten? Es geht nicht darum, dass es keine parteiinterne Kritik an der Aktion geben sollte. Aber man hätte sich innerparteilich absprechen können. Die schwäbische Doppelzange hat wahrscheinlich nicht nur etwas mit „ACAB“, sondern auch damit zu tun, dass die Grünen in Baden-Württemberg aktuell etwa 11 Prozent hinter der CDU liegen. Dass Nietzard hier von Kretschmann und Özdemir zum Zuschaustellen der eigenen konservativen Werte missbraucht wird, ist unfair.
LinkedIn-Version eines ParteichefsAber auch aus der Bundespartei hagelt es Kritik. Felix Banaszak, die LinkedIn-Version eines Parteivorsitzenden, wünschte sich von der Parteijugend die „richtigen Konsequenzen“. Aha - welche Konsequenzen haben denn Banaszak und Co aus dem desaströsen Bundestagswahlergebnis gezogen? Ich wundere mich, das die Parteispitze nicht gleich auch dieses Ergebnis Nietzard mit um den Hals hängen. Jette Nietzard bleibt zu wünschen, dass die ihr Spiel mit der Grenzüberschreitung klüger betreibt, sollte sie wegen eines Pullovers gecancelt werden, dann wäre das ein Armutszeugnis für den Politikbetrieb bei den Grünen - und in Deutschland.
Berliner-zeitung