Trump verschärft Medienkontrolle: So geht US-Präsident gegen die Presse vor

Den Mann mit der hohen Stirn und dem markanten stahlblauen Anzug kann man kaum übersehen. „Hi, Brian!“, rufen jüngere Kolleginnen und Regierungsmitarbeiter dem 55-Jährigen freundlich zu, wenn er den Briefing Room des Weißen Hauses betritt. Einen festen Sitzplatz hat Brian Glenn noch nicht. Aber die Aufmerksamkeit von Trumps Sprecherin Karoline Leavitt ist dem Washingtoner Korrespondenten des ultrarechten TV-Senders Real America’s Voice sicher.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Glenn Ende Februar bekannt. Da rief ihn Donald Trump nach seinem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im East Room des Weißen Hauses für die erste Frage auf. Doch der Rechtspropagandist wollte nichts über Frankreich oder die Ukraine wissen. Stattdessen referierte er, dass Trump in einer aktuellen Umfrage sehr gut abschneide: „Sie haben die Unterstützung des ganzen amerikanischen Volkes“, schwärmte Glenn. „Vielen Dank“, antwortete der so Gelobte: „Ich weiß das zu schätzen.“
Ein paar Tage später stand Glenn, der mit der rechtsextremen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene liiert ist, im Briefing Room. Dieses Mal gab er sich kritisch - allerdings nicht gegenüber dem amerikanischen Präsidenten. „Ich würde gerne wissen, ob Sie keinen Anzug besitzen“, ging er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an, der wie üblich aus Solidarität mit seinen Soldaten einen dunklen Pullover trug: „Viele Amerikaner haben ein Problem damit, dass Sie das höchste Amt nicht respektieren.“
Kein Wunder, dass Glenn als Lieblingsreporter des US-Präsidenten gilt. Der MAGA-Apologet ist zugleich ein Sinnbild für die prekäre Lage der Medien in den USA. Während Trumps ersten Amtszeit erlangte CNN-Chefkorrespondent Jim Acosta weltweite Berühmtheit, weil er sich weigerte, nach einer von Trump unzureichend beantworteten Frage das Mikrofon zurückzugeben. Bei den seltenen Pressekonferenzen mussten sich Trumps Sprecher und Sprecherinnen von den Korrespondenten gewaltig in die Zange nehmen lassen.

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In der zweiten Amtszeit haben sich die Machtverhältnisse komplett gedreht. Kritische Fragen werden im Briefing Room von Leavitt regelmäßig abgebürstet oder mit unverschämten persönlichen Gegenangriffen gekontert. Vor allem hat die 27-jährige Trump-Vertraute gleich zu Beginn die Zusammensetzung des Auditoriums grundlegend geändert, indem sie den Raum mit rechten und rechtsextremen Bloggern, Podcastern und Influencern flutete. Im nächsten Schritt schloss sie die renommierte Nachrichtenagentur AP aus dem rotierenden zwölfköpfigen Presse-Pool aus, der den Präsidenten überallhin begleitet.
Offiziell wurde die Bestrafung mit der „unehrlichen Berichterstattung“ der 1846 gegründeten Agentur begründet, die sich weigert, Trumps rechtlich haltlose Umbenennung des Golfs von Mexiko in „Golf von Amerika“ mitzumachen. Doch tatsächlich ging es Leavitt nach Einschätzung von Beobachtern um die Einschüchterung aller Medienvertreter und die Übernahme der Kontrolle über die Regierungsberichterstattung. Seit Jahrzehnten regelt die Korrespondentenvereinigung White House Correspondents‘ Association (WHCA) den Zugang zum platzmäßig begrenzten Oval Office in Eigenregie. Das hat Leavitt einfach beendet.
Nun entscheidet Trumps Pressesprecherin, wer über die tägliche Show berichten darf, die der Präsident mal alleine, mal mit ausländischen Besuchern im Oval Office abzieht. Immer weniger klassische Medien erhalten Zugang. Dafür bevölkern nun ultrarechte Fernsehreporter wie Glenn, christliche Radiomoderatorinnen und verschwörungsideologische Podcaster das Zentrum der Macht.
Peter Baker, Chefkorrespondent der New York Times
Den renommierten Chefkorrespondenten Peter Baker von der New York Times erinnern die Vorgänge an seine Tätigkeit als Russland-Berichterstatter vor einem Vierteljahrhundert. Damals schloss Machthaber Wladimir Putin die Journalistin Jelena Tregubowa aus dem Presse-Pool des Kreml aus. Wenig später explodierte eine Autobombe vor ihrer Haustür. Zwar sei Washington nicht Moskau, betonte Baker kürzlich in einer Kolumne. Aber die Regierung bewege sich auf einem abschüssigen Weg. „Die Botschaft ist klar: Jeder Journalist kann aus jedem beliebigen Grund ausgeschlossen werden“. Bei dem Gedanken überkomme ihn ein Schauer, so der Medienmann.

Trumpf-Fan auf ganzer Linie: Karoline Leavitt ist mit 27 Jahren die jüngste Pressesprecherin des Weißen Hauses aller Zeiten.
Quelle: IMAGO/NurPhoto
Doch nicht nur im Oval Office steht die freie Berichterstattung seit Trumps Wahlsieg massiv unter Druck. Neben den Zugangsbeschränkungen nutzt der Präsident drei weitere mächtige Hebel, um unbotsame Medien, die er als „Feinde des Volkes“ diffamiert, auszubremsen oder auf Kurs zu bringen: Er verklagt sie, droht mit Lizenzentzug oder dreht schlichtweg den Geldhahn zu - wie zuletzt beim Auslandssender Voice of America, der geschlossen wurde und und nun bei den öffentlichen Sendern NPR und PBS, die Amerikas beste Nachrichten bieten.
Die Einschüchterung der Medien durch astronomische Schadensersatzforderungen ist ein alter Trick aus Trumps Immobilienhai-Zeiten. Nun ist seine Macht ungleich größer. Viele Fernsehstationen und Zeitungen in den USA gehören zu Konzernen, die auch andere Wirtschaftsinteressen haben und deswegen nicht ins Visier des Präsidenten geraten wollen. So ist Amazon-Eigner Jeff Bezos, dem neben der Washington Post auch das von Regierungsaufträgen abhängige Raumfahrtunternehmen Blue Origin gehört, früh freiwillig eingeknickt und hat der Meinungsredaktion seiner Zeitung, die groteskerweise bis vor Kurzem mit dem Slogan „Democracy Dies in Darkness“ (Die Demokratie stirbt in der Dunkelheit) warb, einen Maulkorb verpasst.
Anderswo holte Trump die ökonomischen Folterwerkzeuge heraus. Gegen den Sender ABC, der zum Disney-Konzern gehört, reichte er eine fragwürdige Schadensersatzklage ein. Um einen schlagzeilenträchtigen Prozess zu vermeiden, akzeptierte ABC eine völlig überhöhte Vergleichszahlung von 15 Millionen Dollar. Den Sender CBS, der zum Kino-Giganten Paramount gehört, hat Trump wegen angeblich zu freundlicher Berichterstattung über seine einstige Gegenkandidatin Kamala Harris gar auf einen fantastischen Milliardenbetrag verklagt. Über den Fall entscheidet ein Trump-Richter in Texas. Gleichzeitig blockiert die Rundfunklizenzbehörde die geplante Übernahme der Produktionsfirma Skydance durch Paramount. Deshalb wollen die Konzernbosse unbedingt einen Vergleich schließen. Die Redaktion steht unter Druck: Aus Protest hat Anfang der Woche Bill Owens, der Chef des renommierten Politmagazins „60 Minutes“, nach 37 Firmenjahren gekündigt.
Karoline Leavitt, Trump-Sprecherin.
Die Möglichkeiten für Repressalien sind in Trumps Amerika schier unbegrenzt. Am Mittwoch meldete sich der TV-Moderator Eric Bolling, der 2017 nach Belästigungsvorwürfen beim rechten Sender Fox gehen musste und seither ins ultrarechte Lager abgedriftet ist, im Briefing Room für eine Frage. „Madame Press Secretary“, hob der 62-Jährige förmlich an. „Sie können mich Karoline nennen“, erwiderte die Sprecherin in vertrautem Ton.
Am selben Tag hatte Bollings ehemaliger Arbeitgeber Fox News eine Umfrage veröffentlicht, bei der Trump schlecht abgeschnitten hatte. Das tut er derzeit in allen Umfragen. Trotzdem empörte sich Bolling über die „tendenziöse Umfrage“ und fragte: „Wird der Präsident dagegen klagen?“. Altgediente Journalistenkollegen schauten sich befremdet an. Aber Leavitt schien auf das Stichwort gewartet zu haben. „Das ist eine großartige Frage“, strahlte die Trump-Sprecherin.
rnd