USA: Trump-Regierung verbietet Harvard, internationale Studierende aufzunehmen

Auf den internationalen Ranglisten der Spitzenuniversitäten steht Harvard fast immer zuoberst, ihre roten Backsteingebäude mit den weißen Türmchen und Säulen sind weltbekannt, ihre Ehemaligen zählen zur globalen Elite. Acht US-Präsidenten studierten dort, Friedensnobelpreisträger, ein UN-Generalsekretär, Schriftsteller, Schauspieler, Astronauten.
Die weltweite Anziehungskraft der ältesten Hochschule der Vereinigten Staaten ist nun zur Zielscheibe der Ministerin für Innere Sicherheit der USA, Kristi Noem, geworden. Im früheren Amt als Gouverneurin von South Dakota inszenierte sich Noem als schießwütiges Cowgirl. Seit Januar amtiert sie als Donald Trumps Frau fürs Grobe bei der Abschiebung von Ausländern. Und nun hilft sie dem Chef bei seinem Rachefeldzug gegen die amerikanischen Universitäten.
Sie habe Harvard die Bewilligung für ihr Studenten- und Austauschprogramm mit sofortiger Wirkung entzogen, schrieb Kristi Noem am Donnerstag in einem Brief, den sie in den sozialen Medien veröffentlichte. Im Begleittext warf sie Harvard vor, Gewalt und Antisemitismus zu fördern und sich „mit der Kommunistischen Partei Chinas zu koordinieren“.
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Der prestigeträchtigen Universität vor den Toren von Boston werde es verboten, Studierende oder Dozierende aus dem Ausland mit F- oder J-Visa zu beherbergen, schrieb Noem in dem Brief. Der Verlust der Zulassung bedeute auch, dass die Ausländer, die schon an der Universität sind, an eine andere Hochschule wechseln müssen, wenn sie ihr F- oder J-Visum nicht verlieren wollen.
Sollte diese Verfügung des Ministeriums für Innere Sicherheit Bestand haben, würde das die noble Bildungseinrichtung von Weltrang empfindlich treffen. Von 25 000 eingetragenen Studierenden waren zu Beginn des akademischen Jahrs knapp 6800 aus dem Ausland; ein Anteil von mehr als einem Viertel. Rund 150 davon stammten aus Deutschland, je rund 30 aus der Schweiz und Österreich. Sie zahlen Jahresgebühren von 60 000 Dollar und mehr.
Der Schritt bedeutet eine dramatische Eskalation der Druckversuche der Trump-Regierung auf die Traditionsuniversität in Cambridge, Massachusetts. Diese begannen bereits im Februar mit Untersuchungen wegen Anschuldigungen, Harvard toleriere Antisemitismus. Die Regierung in Washington wirft Harvard politische Schlagseite vor: Die Universitätsleitung sei zu wenig entschieden gegen Antisemitismus vorgegangen und habe damit die Bürgerrechte verletzt.
Die Columbia University gab klein bei, wie einige andere auchMitte April schickte ein Trump-Gremium, das sich Taskforce zur Bekämpfung von Antisemitismus nennt, der Universität eine Liste mit zehn Forderungen. Unter anderem verlangte es eine Untersuchung der politischen Haltung von Studierenden und Lehrkräften sowie eine Gesinnungsprüfung für ausländische Studierende. Als Harvard Nein sagte, strich das Bildungsministerium als 2 Milliarden Dollar an Forschungsbeiträgen, insgesamt wurden über 4 Milliarden Dollar an Zuschüssen an die Universität und ihre Forschungspartner blockiert.
Mit ähnlichen Argumenten hatte die Trump-Regierung zuvor schon andere Einrichtungen der Ivy League angegriffen, jener Eliteschulen, die sie als liberale Bastionen betrachtet. Die privaten Universitäten hätten Antisemitismus toleriert und seien mit propalästinensischen Demonstrationen zu nachlässig umgegangen, legten ihnen die Bundesbehörden zur Last. Gleichzeitig entzogen sie mehreren Studierenden und Lehrkräften die Aufenthaltsbewilligungen oder die Visa wegen des Vorwurfs, die Terrorgruppe Hamas unterstützt zu haben. Die Columbia University in New York gab wie einige weitere klein bei, wobei sie den Bundesbehörden umfangreiche Kontroll- und Mitspracherechte einräumte und versprach, mehr Konservative zu rekrutieren.
Anders Harvard, die reichste der Ivy-League-Schulen mit einem Vermögen von über 50 Milliarden Dollar. Sie setzte sich vor Gericht mit Beschwerden zur Wehr, worauf die Trump-Regierung den Druck erhöhte. Inzwischen sind gemäß einer Auswertung der New York Times mindestens acht Verfahren durch sechs verschiedene Behörden im Gang. Der Präsident hat der Universität angedroht, ihr den Status als steuerbefreite Bildungseinrichtung zu entziehen, und im Kongress haben seine Vertrauten eine Gesetzesvorlage einbracht, um mit Sondersteuern das Milliardenvermögen abzutragen.
Das Justizministerium ermittelt wegen des Verdachts, die Zulassungsverfahren von Harvard seien rassistischUnter anderem ermittelt das Justizministerium inzwischen auch wegen des Verdachts, die Zulassungsverfahren von Harvard seien rassistisch. Vor zwei Jahren hatte der Supreme Court die Traditionsschule gezwungen, ihre Praxis der Förderung von Minderheiten, affirmative action genannt, einzustellen.
Ministerin Kristi Noem hat der Universität am Donnerstag eine Frist von 72 Stunden gesetzt, um eine Flut von Daten an die Bundesbehörden zu übergeben, darunter alle Unterlagen über „gefährliche oder gewaltsame Handlungen“ von ausländischen Studenten auf oder neben dem Campus über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Forderungen sind so weitreichend, dass die Universität diesen kaum nachkommen kann.
Harvard-Sprecher Jason Newton sagte der New York Times am Donnerstag, die Universität wolle ihre Programme für internationale Studierende verteidigen. Diese stammten aus 140 Ländern und bereicherten die Universität und das ganze Land unermesslich. „Diese Racheaktion droht ernsthaften Schaden anzurichten für Harvard und unser Land, und sie schwächt den Lehrauftrag und die Forschung“, sagte Newton.
Wie lange die Traditionsuniversität dem Druck standzuhalten vermag, ist offen. Sie hat in Aussicht gestellt, die Kürzung der Bundesbeiträge aufzufangen und mehr Geld aus ihrem eigenen Vermögen auszugeben. Präsident Alan Garber erhielt eine Welle von Solidaritätsbekundungen, als er gelobte, die akademische Freiheit zu verteidigen, und sein eigenes Gehalt um ein Viertel kürzte. Zuletzt bat Garber die Ehemaligen der Universität um Unterstützung.
Den Hilferuf haben auch mehrere Mitglieder der Trump-Regierung erhalten. Verteidigungsminister Pete Hegseth besitzt einen Abschluss von Harvard, Gesundheitsminister Robert F. Kennedy studierte dort, ebenso die Abgeordnete Elise Stefanik, die UN-Botschafterin werden sollte. Es ist allerdings eher nicht davon auszugehen, dass sie Donald Trump davon abbringen werden, die Eliteuniversität zu bedrängen. Der Präsident will an Harvard ein Exempel statuieren. Kristi Noem schrieb am Donnerstag neben ihren Brief: „Das soll allen Universitäten und akademischen Einrichtungen im ganzen Land als Warnung dienen.“
süeddeutsche