Wie die Trump-Regierung Harvard ausbluten will


Im Kreuzfeuer: Proteste gegen das Immatrikulationsverbot internationaler Studenten in Harvard
Foto: Rick Friedman / AFPDie Feierstimmung lassen sich die Studierenden wenige hundert Meter entfernt vom Harvard Square in Cambridge nicht vermiesen. Während Mitarbeiter auf dem grünen Rasen vor der historischen Baker Library der renommierten Harvard Business School Hunderte Stühle für die anstehenden Abschlussfeiern aufstellen, schaffen die Absolventen Erinnerungen. In Scharen posieren sie zusammen mit Kommilitonen und Familie auf den Brücken über den nahegelegenen Charles River in ihren schwarzen Roben und viereckigen Absolventenhüten für Fotos.
Doch herumliegenden Konfetti und leeren Sektflaschen zum Trotz herrscht in der Universität Alarmstimmung. Die US-Eliteuni steht unter Angriff der US-Regierung. Und die lässt mit ihren Attacken nicht nach. Nachdem ein Gericht in Boston vergangene Woche den Versuch der Regierung, Harvard die Aufnahme ausländischer Studierenden zu untersagen, per einstweiliger Verfügung gestoppt hatte, hat die Administration noch einmal nachgelegt.
Nicht nur hat sie offenbar alle Regierungsbehörden angewiesen, zusätzlich zu den bereits gestrichenen deutlich über 2 Milliarden Dollar auch noch die restlichen Fördermittel des Bundes in Höhe von geschätzt 100 Millionen Dollar für die Ivy-League-Universität zu stoppen.
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge wies das Außenministerium zudem US-Botschaften und Konsulate weltweit an, die Vergabe neuer Visa für internationale Studierende, Austauschschüler und Au-pairs vorerst auszusetzen. Offenbar erwägen die US-Behörden, die Social-Media-Feeds der Kandidaten noch einmal einer strengeren Kontrolle zu unterziehen.
Zudem droht der Universität eine deutliche Steuererhöhung auf ihr Stiftungsvermögen von zuletzt 53,2 Milliarden Dollar. Geht die von Donald Trump (78) angestoßene und bereits vom Repräsentantenhaus verabschiedete große Steuerreform durch, muss Harvard statt 1,4 Prozent künftig 21 Prozent Steuer auf die Gewinne seines Stiftungsvermögens zahlen.
Für Harvard, wo in diesen Tagen die Studierenden ihre Abschlüsse feiern, bevor sie sich in die bis etwa September währenden Semesterferien verabschieden, dürfte der Schaden schon angerichtet sein. Auch wenn der wissenschaftliche Ruf von Harvard weiter Weltklasse ist, schauen sich viele Studierende – und wohl auch Lehrende – angesichts der massiven Unsicherheit mittlerweile nach Alternativen um.
Was für Harvard nicht nur bildungstechnisch, sondern auch finanziell teuer werden könnte. Machten die rund 6800 internationalen Studierenden doch zuletzt rund 27 Prozent aller Studenten aus. Und sie zahlen zudem tendenziell mehr Schulkosten als inländische Studierende. Listenpreis: immerhin knapp 60.000 Dollar ohne und 87.000 Dollar mit Logis und Verpflegung
Für Harvard und seinen Präsidenten Alan Garber (70) Grund genug, am Dienstag in seiner Rede vor Absolventen diese dazu aufzurufen, für Bildung jedweder Art zu kämpfen. „Alles, was wir erreichen können, moralisch, wissenschaftlich, technologisch und sogar wirtschaftlich, beruht auf Wissen“, mahnte er.
Unterdessen rüstet sich die Universität für schwerere Zeiten. Und erwog Berichten zufolge zuletzt in Private Equity gehaltenes Vermögen in Höhe von rund einer Milliarde Dollar zu verkaufen. Was die Uni zwingen dürfte, deutliche Wertverluste hinzunehmen. Wahrscheinlich, so betont der Hedgefund-Manager und Trump-Freund Bill Ackman (59), der selbst einst Harvard besuchte, liege das wirkliche Stiftungsvermögen Harvards tatsächlich bei weniger als 40 Milliarden Dollar.
Ebenfalls kündigte die Uni im April die Herausgabe von Anleihen in Höhe von 750 Millionen Dollar an , um auf aktuelle „finanzielle Umstände“ reagieren und trotz der Streichungen der Regierung bestimmte laufende Forschungsvorhaben weiterführen zu können.
Und sie versucht, ihr wohlhabendes Alumni-Netzwerk für den Kampf für die Wissenschaftsfreiheit zu mobilisieren. So rief die Ehemaligenabteilung der Universität vor einigen Tagen Spender und Alumni auf, sich politisch und finanziell über einen „Presidential Priorities Fund“ für die Uni einzusetzen. Ein Geldtopf, über den Garber freiere Hand beim Einsatz der Spenden hat als bei den überwiegend an spezielle Zwecke gebundenen Stiftungsgeldern.
Am Dienstag, zwei Tage vor der großen Abschlussfeier am Donnerstag, protestierten noch einmal Hunderte Demonstranten mit Musik, Plakaten und Protestchören auf einem der großen Plätze in der Nähe der Universität gegen das Immatrikulationsverbot für ausländische Studierende. Während auf dem Unigelände dahinter Tausende Absolventen und Familien bei Häppchen und Blasmusik Uniabschlüsse feierten.
Für Alan Garber und seine Unterstützer geht der Kampf indes gerade los.
Einer Tatsache, der sich zumindest ein Teil der Studenten bei ihren Feiern bewusst sind. Wie etwa die Absolventin Sandrine, die gerade auf der Brücke über den Charles River im Talar mit Freunden für Fotos posiert, bevor sie demnächst nach Oxford weiterzieht. „Vielleicht“, sagt sie nachdenklich, „waren wir ja der letzte Jahrgang internationaler Studenten.“
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