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Zeitungskopf in Pink: Die neue Berliner Zeitung zwischen 1989 und 1996

Zeitungskopf in Pink: Die neue Berliner Zeitung zwischen 1989 und 1996

„Berlin lebt auf !“ So titelte die Berliner Zeitung am 21. Mai 1945. Es war die erste Ausgabe der Berliner Zeitung, die zwischen Zerstörung und Aufbruch in Ost-Berlin entstand. Heute feiert die Berliner Zeitung 80. Geburtstag. Aus diesem Anlass gibt es in den kommenden Tagen exklusive Berichte und am 24. Mai eine Sonderausgabe der Berliner Zeitung, die sich dem Aufbruch widmet. Hier lesen Sie eine Grußbotschaft von Hans Eggert, ehemaliger Chefredakteur der Berliner Zeitung.

Wie fühlt es sich an, wenn eine (Tages-)Zeitung 80 wird? Ich wage mal zu vermuten, dass es erst einer Festschrift bedarf, um das hohe Alter derselben der werten Leserschaft klarzumachen. Schließlich hat Tages-Zeitung (welch Plattitüde) beinahe an jedem Tag der Woche Geburtstag. Jahr für Jahr. Auch, wenn sie zwischendurch mal neu erfunden werden sollte und gar neu erfunden werden musste. Doch bitte – auch hier funktioniert gnädiger Erinnerungsausfall. Wer erinnert sich schon, wie die Berliner Zeitung beispielsweise vor 35 Jahren ausgesehen hat?

Mir fällt zunächst nur ein: Dass wir irgendwann in diesen ziemlich wilden Zeiten nach 1989/90 den Zeitungskopf in Pink gedruckt und ausgewählte Schlagzeilen für kurze Zeit mit pinkfarbenen Balken unterlegt haben. Pink! Zu unserer Entschuldigung sei angemerkt: Wir hatten damals keinen Farbberater. Wir hatten damals überhaupt keinen Berater, keinen jedenfalls, der uns gesagt hätte, wie wir, nachdem wir sie, die alte Berliner, in eigene Regie übernommen hatten, zu machen hätten.

Zeitung der Ost-Berliner

Die „alte“ Berliner. Das war eine durchaus vielgelesene Zeitung der Ost-Berliner, die allerdings nicht nur nach Parteitagen so aussah wie alle übrigen DDR-Zeitungen. Und manchmal aus der Sicht der Oberen dennoch zu Kritik Anlass gab. Weil zum Beispiel in leicht ironischem Ton die Initiative des Generaldirektors eines Kombinats besprochen worden war, dem vom sozialistischen Handel zu verantwortenden und von den Frauen im Kombinat beklagten Mangel an Damenunterwäsche durch einen En-Gros-Kauf derselben beim Klassengegner Abhilfe zu schaffen. Darüber zu schreiben und damit auch noch in den Zeitungen von jenseits der Mauer zitiert zu werden – das deutete auf Schwächen der revolutionären Wachsamkeit und verlangte nach Selbstkritik.

Tja, und nun war die Mauer weg und Wachsamkeit neuer Art gefragt: Wir konkurrierten plötzlich mit den Zeitungen von jenseits der Mauer. Auch fand mancher, dass diese, unsere Ost-Zeitung eigentlich wie der Osten zu verschwinden hätte. Es mag pathetisch klingen: Überlebenskampf war angesagt. Zumeist einer in kleinen und kleinsten Schritten.

Aus den täglichen sechs wurden zunächst zwölf, am Sonnabend gar 16, bald zwanzig und mehr Seiten. Unsere Enthüllungsgeschichten, kritischen Reportagen und Hintergrundberichte schlugen Wellen, jede Menge Leser wollte in der Berliner ihre Briefe gedruckt lesen, die neuen Parteien und Vereinigungen bekamen in den ersten Monaten des Jahres 1990 ihre festen Seiten, auch im Lokalen brauchte es mehr Platz – der Westen Berlins war nicht mehr Sache der Außenpolitik.

Und: Bald tauchte etwas in der guten alten Berliner auf, was bislang nur die Leserschaft der Konkurrenten kannte – die großformatige Anzeige. Die erste hatte ein Geschäftsführer des Quelle-Kaufhauses in Charlottenburg Anfang November 1989 beim Chefredakteur abgegeben. Es folgten schnell andere Händler – und wir hatten plötzlich völlig neue Einnahmen, überlebenswichtige Einnahmen übrigens: Das Zeitungspapier wurde knapp und knapper – und gab’s zuweilen nur noch für „West“ …

Kurzum: Noch ehe die DDR verschwunden war, war die alte Berliner Zeitung abhandengekommen. Und wir waren gefordert davon, eine neue Berliner zu erfinden. Was, denk’ ich, mindestens in Ansätzen gelang, und was mich später zu gnädiger Nachsicht brachte, wenn anlässlich manchen Neustarts in der Führungsetage die Rede davon war, die Zeitung werde nun endlich neu erfunden. Bitte: Geburtstag hat Tages-Zeitung ohnehin jeden Tag. Sonntags ausgenommen.

Herzlichen Glückwunsch zum 80.

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