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An der Tour de France gibt es Tadej Pogacar – und den Rest. Der Slowene steht vor seinem vierten Gesamtsieg

An der Tour de France gibt es Tadej Pogacar – und den Rest. Der Slowene steht vor seinem vierten Gesamtsieg
Lässt seinen Konkurrenten an der Tour de France auch in diesem Jahr keine Chance: der slowenische Radfahrer Tadej Pogacar.

«Gewonnen gegen die Ausserirdischen? Ich kann es kaum glauben», sagte Thymen Arensman am Freitagabend im Ziel der 19. Etappe der Tour de France. Der niederländische Radrennfahrer hatte seinen Vorsprung auf den Serpentinen nach La Plagne vor Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard knapp verteidigt. Die beiden waren in Arensmans Wahrnehmung die Ausserirdischen, gegen die ein normaler Radfahrer wie er gewöhnlich keine Chance hat – erst recht nicht in den Bergen.

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Was der erschöpfte zweifache Etappensieger da sagte, dürfte die Mehrheitsmeinung im Peloton ganz gut wiedergegeben haben. Als klar besserer der beiden Extraterrestrischen erwies sich an der 112. Frankreichrundfahrt Pogacar. Der 25-jährige Slowene hat nach der letzten Alpenetappe zwar weniger Vorsprung vor Vingegaard als im vergangenen Jahr. Waren es damals in Paris 6:17 Minuten, so beträgt die Differenz zwischen den beiden nun lediglich 4:24 Minuten. Und auch Pogacars vier Etappensiege in diesem Jahr muten fast mager an im Vergleich zu den sechs im letzten Jahr.

Vingegaard leistet mehr Gegenwehr als im Jahr zuvor

Doch heuer war die Gegenwehr grösser: Vingegaard hatte nicht einen so furchtbaren Sturz hinter sich wie im Frühjahr 2024. Er kam voll austrainiert zu dieser Tour, vertraute vor allem auf die dritte Woche. Aber in jeder Woche und jeder Phase dieser Rundfahrt erlitt er Rückschläge.

Pogacars Dominanz erstreckte sich über jegliches Terrain. Ob die Zeitfahren flach sind oder im Gebirge stattfinden – stets war er seinem wichtigsten Rivalen überlegen. An den kurzen, knackigen Rampen wie der Mur de Bretagne sowie in Rouen entwischte er Vingegaard knapp. Auf den ersten langen Kanten in den Pyrenäen, dem Anstieg nach Hautacam, demoralisierte er den Dänen nachgerade. Dort nahm er Vingegaard zwei Minuten und zehn Sekunden ab.

Das geschah ausgerechnet an dem Berg, an dem er die Tour de France 2022 gegen Vingegaard verloren hatte. «Ja, das war eine schöne Revanche», sagte Pogacar hinterher. Zu diesem Zeitpunkt war der Ausgang dieser Tour bereits vorentschieden. In der dritten Woche verwaltete der Slowene dann nur noch den Vorsprung. Er riskierte auch nicht alles, um weitere spektakuläre Etappensiege zu erringen, etwa am Mont Ventoux oder am Col de la Loze.

«Wir wussten, dass wir nach dem Ausfall von João Almeida, seinem wichtigsten Helfer am Berg, die Strategie umstellen mussten. Wir mussten konservativer fahren, durften uns keine Fehler erlauben», sagte Andrej Hauptman, der sportliche Leiter von Pogacars Team UAE Emirates.

Auch an der Skistation La Plagne hätte Pogacar gern einen Etappensieg errungen. Doch dann liess er Arensman gewähren. «Ich habe es vorgezogen, meinen eigenen defensiven Rhythmus zu fahren. Ich hatte zwar erwartet, dass Jonas angreift, weil er vielleicht auch diese Etappe gewinnen will, aber das tat er dann nicht», sagte Pogacar nach der Zielankunft. Wenn der ärgste Rivale schon nicht attackierte, dann musste er auch nicht mehr investieren, als unbedingt nötig war.

Seine Ausstrahlung als jugendlicher Held, der sich seiner Kräfte gar nicht richtig bewusst ist und eigentlich mehr spielen als kämpfen will, hat Pogacar an dieser Tour verloren. Mittlerweile hat er sich zu einem scharf kalkulierenden Grand-Tour-Veteranen entwickelt. Das mag vor allem dem frühen Verlust des Edelhelfers Almeida geschuldet sein.

Die anderen UAE-Fahrer versuchten dessen Ausfall zwar zu kompensieren, insbesondere der Deutsche Nils Politt tat sich hervor. Dessen Stärken liegen aber nicht in der Tempoverschärfung im Gebirge. Stattdessen nutzte er seine Kraft, um Fluchtgruppen zu verhindern, die zu gross und gefährlich werden konnten. «Wir mussten das Rennen so einfach wie möglich halten», erklärte Pogacar die Strategie seines Teams.

Pogacar fährt wie ein moderner Obelix

Die anhaltende Überlegenheit Pogacars beruht auf mehreren altbekannten Faktoren: Zum einen bringt er genetisch gute Anlagen mit. Das bewies Pogacar bereits bei seinem ersten Tour-Sieg 2020, den er ohne grosse Unterstützung des Teams erreichte. Zum anderen weiss er mittlerweile eine der stärksten und finanziell am besten alimentierten Equipen hinter sich. Das zeitigt Fortschritte in der Trainingsmethodik, beim Material und bei der Ernährung. Davon profitiert nicht allein der Captain, sondern auch seine Helfer. Zumal auch diese allesamt talentierte Radfahrer sind, die in anderen Teams selbst Führungsrollen innehätten.

Weiter zeichnet sich Pogacar durch mentale Stärke aus: Er sieht Attacken als Herausforderung und kann Rückschläge jeglicher Art gut wegstecken. Und dann lässt sich da noch Pogacars Vielseitigkeit anführen, ein weiterer Vorteil im Vergleich zu Vingegaard. Der Dominator «tout terrain» fährt sowohl Classiques als auch Rundfahrten – und gewinnt die Rennen meist. Sein Wettkampfkalender in dieser Saison war deutlich dichter als jener von Vingegaard. Somit hatte Pogacar mehr Wettkampfpraxis – und womöglich auch mehr Wettkampfhärte.

Allerdings wirkt er mit seinen 16 Triumphfahrten an 41 Renntagen – wobei die Trikot-Wertungen an Rundfahrten eingerechnet sind – auch eher wie eine Figur aus der Welt der Heldenerzählungen und Comic-Geschichten: ein moderner Obelix, der statt Römer zu vermöbeln normalen Radfahrern die Siegchancen nimmt.

Anders als beim beleibten Gallier weiss man bei dem schlanken Slowenen allerdings nicht, in welchen Kessel mit Zaubertrank er als Kind einst gefallen ist. So sehr man Pogacar und seine Widerstandskraft gegen sämtliche Bemühungen des Teams Visma – Lease a Bike bewundern mag: Es gibt auch Zweifel an seinen Leistungen. Pogacars nächste Ziele sind nicht die nächsten römischen Heerlager, sondern vermutlich die Vuelta und die Rad-Weltmeisterschaften in Rwanda.

nzz.ch

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