Der neue GC-Coach Gerald Scheiblehner ist kein typischer Fussballtrainer – er kämpfte sich von weit unten nach oben


Christian Merz / Keystone
Gerald Scheiblehner nimmt Platz. Der neue GC-Trainer hat den Weg von Niederhasli zur Geschäftsstelle im Zentrum Zürichs auf sich genommen für den Ausblick auf das zweite Meisterschaftsspiel in Basel. Vor dem Gespräch über sich und seine Sicht auf GC hat er den fünf anwesenden Journalisten Auskunft gegeben über den Stand der Dinge vor dem Auswärtsspiel gegen den Meister. Wie schon bei seiner Vorstellung haben Zwischentöne darauf hingedeutet, dass er vielleicht «ein etwas anderer Trainer» sein könnte, wie Scheiblehner später sagen wird.
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«Das sind so Floskeln», leitete Scheiblehner etwa die Antwort auf die Frage ein, wie er den Ausfall des Captains Amir Abrashi zu kompensieren gedenke. Das Fehlen des Leitwolfs lasse sich «nur als Mannschaft auffangen», sagt er.
Zum neuen Leihspieler vom FC Bayern München, Lovro Zvonarek, fällt ihm zuerst ein, dass er Zvonarek nicht möge, weil der in der letzten Saison für Sturm Graz im Cup-Achtelfinal ein Gegentor gegen Scheiblehners damaligen Klub erzielt habe. Erst danach lobt er das grosse Potenzial des kroatischen U-21-Internationalen. Ist das Schmäh aus Österreich oder gar Ironie?
Scheiblehner lehnt sich im Sofa zurück, und bald schon wird klar, dass der 48-Jährige mit einer gewissen Distanz auf sich und den Fussballbetrieb schaut. Aber Ironie hat natürlich auch für Scheiblehner keinen Platz in einem Geschäft, in dem es nichts Unironischeres gibt als die Macht der Resultate und Tabellenplätze. Im Auftaktspiel gegen Luzern hatte GC eine 2:3-Heimniederlage erlitten.
Mit altväterischen Regeln konnte er nichts anfangenScheiblehner sagt: «Ich brauche den Job Fussballtrainer nicht, um mich wohlzufühlen. Ich habe meine Familie und meine Freunde, das zählt. In der Öffentlichkeit zu stehen, ist Teil des Jobs, den ich gerne wahrnehme. Aber ich brauche das nicht für mein Befinden als Mensch.» Das klingt zuerst einmal menschlich und vernünftig.
Aber es könnte auch zu dem Missverständnis verleiten, dass Scheiblehner die Hingabe für den Trainerberuf abgeht. Das wäre eine Unterstellung, der alle widersprechen, die mit ihm zu tun hatten in den letzten Jahren. «Enorm fleissig, sehr akribisch, menschlich herausragend», sagt etwa Christoph Peschek, Geschäftsführer im FC Blau-Weiss Linz, wo Scheiblehner zuletzt gearbeitet hat. «Scheiblehner hat das Team und die Spieler in jeder Saison besser gemacht.»
Vielleicht muss man aber noch weiter zurückgehen in Scheiblehners Fussball-Biografie, um zu verstehen, wie er Distanz zum Geschäft aufgebaut und bis jetzt zu einer Stärke gemacht hat. Er war als junger Fussballer nach der Matura mittendrin in diesem Business, bevor er ausstieg und einen Umweg machte, der ihn nun auf den Trainerposten in Niederhasli geführt hat.
«Ich war ein sehr guter Spieler, vielleicht fehlte mir ein wenig Tempo», sagt er über sich als 19-Jährigen. Austria Wien war der Verein, bei dem er vor dreissig Jahren auf dem Sprung zum Profi war. Die Zeiten waren andere, die Regeln im Team altväterisch. Die gestandenen Spieler sprachen nicht mit den Jungen. Wer sich durchsetzen wollte, musste ein Spiessrutenlaufen über sich ergehen lassen. Das behagte Scheiblehner nicht.
Als Beispiel erzählt er von der Ankunft in der Türkei für ein Trainingslager. Als die Mannschaft für den Transfer ins Hotel im Bus sass, mussten die drei Jüngsten aussteigen, auf das Gepäck warten, beim Verladen helfen, sie kamen erst weit nach Mitternacht ins Bett. So könne man nicht Leistung bringen, sagt Scheiblehner. Er habe sich gewehrt und ergänzt, einzig der Nationalspieler und spätere Bundesliga-Trainer Peter Stöger (unterdessen bei Rapid Wien) habe ein Ohr für die Jungen gehabt.
Ist es das wert, Profi zu werden? Nein, Scheiblehner spielte im Amateurbereich und arbeitete für die Gesundheitskasse. Er fing an, Kinder und Jugendliche zu trainieren. Nach der Aktivzeit bei Vereinen wie Vöcklabruck, Wels, Donau Linz oder Wallern machte er die Trainerscheine. Die Arbeit mit Teams habe ihn schon immer interessiert, sagt er.
Nach den Stationen im Amateurbereich unterschrieb er vor vier Jahren im FC Blau-Weiss Linz in der zweithöchsten Liga. In der zweiten Saison stieg der Verein auf. Eine Überraschung, Blau-Weiss ist in Linz neben dem Lask der kleine Klub mit dem kleinen Budget, der als Nachfolger des SK Vöest und des SK Austria Tabak 1997 gegründet worden ist. Knapp 6000 Zuschauer haben im neuen Kleinstadion auf dem Dach eines Möbellagers Platz. Als Scheiblehner in der ersten Saison nach dem Aufstieg den Ligaerhalt ohne Zittern erreicht, bekommt er viel Anerkennung für seine Arbeit.
Scheiblehner pflegte Austausch mit dem früheren Lask-Trainer Oliver Glasner (heute in der Premier League bei Crystal Palace), dessen «Klarheit, was er auf dem Platz sehen wollte» Scheiblehner beeindruckte. Er führte seine Zusammenarbeit mit dem Soziologen Werner Zöchling fort, der auch Stöger und Glasner in Fragen des Teambuilding berät. Er analysierte nächtelang Spiele, um taktische Feinheiten zu entschlüsseln und für seine Arbeit fruchtbar zu machen.
«Ich habe keinen Namen als ehemaliger Profi oder Nationalspieler, mir wurde nichts geschenkt», sagt Scheiblehner, «Schritt für Schritt» habe er genommen – der nächste war: «der Schritt ins Ausland». Vor einem Jahr gab es Gespräche mit Austria Wien, Rapid Wien zeigte Interesse, auch bei Sturm Graz war er einmal ein Thema.
Im letzten November gab es eine erste Anfrage von Harald Gärtner, dem Europa-Chef der GC-Besitzer vom Los Angeles FC. Nach einem zweiten Versuch im Januar war es dann im Juni, zwei Tage vor Trainingsbeginn in Linz, so weit: Der GC-Sportchef Alain Sutter rief an, nachdem Scheiblehner nach ersten Gesprächen mit Sutter lange nichts mehr gehört hatte.
Er wolle «aus wenig viel machen», hatte Sutter über seine Pläne gesagt. Genau das Gleiche hat Scheiblehner in Linz gemacht. Lässt sich das in Zürich wiederholen? «Davon bin ich überzeugt», sagt Scheiblehner und grinst. Er könne sich anpassen und habe immer mit den vorhandenen Ressourcen gearbeitet. Die Mannschaft ziehe mit, die neuen Ideen würden angenommen.
Vor vier Wochen hat er angefangen, in drei bis sechs Monaten werde man auch auf dem Platz das neue GC erkennen. So viel Zeit nimmt er in Anspruch. Was dabei herauskommt? «Wird man sehen», sagt er.
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