Erschreckende Entwicklung: Trainerwechsel-Wahnsinn eskaliert ohne Sinn und Verstand

Gerhard Struber ist nicht mehr Trainer des 1. FC Köln - obwohl der Verein zwei Spieltage vor Saisonende auf Aufstiegskurs ist.
(Foto: IMAGO/Beautiful Sports)
Nach dem Rauswurf des Kölner Coachs Gerhard Struber sitzen nur noch sieben Zweitliga-Trainer bei den Vereinen auf der Bank, bei denen sie auch zum Saisonstart schon waren. Eine erschreckende Entwicklung - die die Verantwortlichen der Klubs in einem schlechten Licht erscheinen lässt.
"Es fehlt nur noch, dass man nach einer Niederlage erschossen wird!" Nürnbergs ehemaliger Meistercoach Herbert Widmayer konnte sich kaum beruhigen. Gerade erst war er nach einer 0:5-Heimniederlage gegen den 1. FC Kaiserslautern als erster Trainer der noch ganz frischen ersten Fußball-Bundesliga entlassen worden. Die alten Verdienste hatten in diesem Moment nichts mehr gezählt. Der Erfolgsdruck ließ damals die Verantwortlichen des Clubs bereits nach dem neunten Spieltag handeln. Für den deutschen Fußball war dies in den frühen Tagen des Profigeschäfts eine vollkommen neue Entwicklung. Heute sind diese Vorgänge ganz normal.
Vor einigen Jahren hat ein Nachfolger von Herbert Widmayer beim früheren Rekordmeister aus Franken einmal nach seiner Entlassung gesagt: "Ich fahre jetzt zum Rathaus. Ich bekomme vom Bürgermeister die Tapferkeitsmedaille für drei Jahre Nürnberg." Klaus Augenthaler wusste, wovon er sprach. Denn eine seiner Maximen lautete: "Irgendwann muss man mal sterben, und wenn du Trainer bist, wirst du entlassen."
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Genau dieses Schicksal ereilt momentan in den ersten beiden Fußballligen in Deutschland gefühlt fast täglich einen neuen Coach. Es ist der schiere Wahnsinn mit welchem Tempo die Vereine aktuell ihre Trainer wechseln. Und nicht selten hat man den Eindruck, die Klubs tun dies vollkommen ohne Sinn und Verstand!
Die klugen Worte des Niko KovačVor allem in der zweiten Bundesliga scheinen einige Verantwortliche aktuell die Nerven zu verlieren. Nach dem Rausschmiss von Trainer Gerhard Struber in Köln stehen nur noch bei sieben Vereinen die Übungsleiter an der Seitenlinie, die bereits am Anfang der Saison das Zepter innehatten. Elf Klubs haben sich also vor den letzten beiden Spieltagen schon eingestanden, dass sie mit einer Fehleinschätzung in die Saison gegangen sind. Das ist wenig schmeichelhaft für die Verantwortlichen der Vereine, die allerdings als gewohnten Reflex lieber den Trainer rausschmeißen, als erst einmal die gesamte Lage - und möglicherweise dann auch sich selbst - zu hinterfragen.
Und so hat schon, bevor in Wolfsburg Ralph Hasenhüttl seinen Hut nehmen musste, sein Vorgänger, der aktuelle Coach von Borussia Dortmund, Niko Kovač, etwas Interessantes zur Situation beim VfL gesagt: "Allgemein hat man in der Bundesliga oder in unserem Geschäft wenig Zeit. Aber man muss sich schon mal die Frage stellen, wenn man sich anschaut, wie viele Trainer in den letzten Jahren schon hier waren, ob es immer auch am Trainer liegt."
Das werden sie beim Klub aus der Autostadt, der seit vielen Jahren immer wieder mit viel Geld versucht, den Überraschungserfolg unter Coach Felix Magath aus dem Jahr 2009 zu wiederholen, natürlich nicht gerne gehört haben. Aber sie werden selbst am besten wissen, dass an dieser Feststellung von Niko Kovač vermutlich mehr als nur ein Funken Wahrheit dran sein wird.
Sätze von Otto Rehhagel machen nachdenklichWenn in zwei Wochen der letzte Vorhang dieser Saison in den ersten beiden Fußballligen in Deutschland gefallen sein wird, werden bei einigen Klubs die Gesichter trotz der Trainer-Entlassungen ziemlich lang sein. Denn es gehört zum Profigeschäft dazu, dass am Ende nicht alle ihre Ziele erreicht haben werden können. In Kaiserslautern, Münster oder Köln werden Fans und Experten sicherlich nun noch etwas genauer hinschauen, was die Trainerwechsel denn schlussendlich gebracht haben. Wenigstens kann man bei diesen Klubs noch das Argument zählen lassen, dass die Verantwortlichen die letzte aller Patronen auch noch verballern wollten.
Was die Führung in Wolfsburg im Niemandsland der Liga allerdings dabei ritt, es nicht so zu machen, wie selbst ihr Trainer Ralph Hasenhüttl es vernünftigerweise erwartete ("Ich gehe jetzt mal davon aus, dass wir heute nach Hause fahren, noch zwei Wochen zusammenarbeiten und dann schauen wir, was im Sommer passiert"), wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben. Vermutlich wollte man wohl wie immer dem Unmut der Fans einen schnellen Schuldigen zum Fraß entgegenwerfen. Nicht gerade besonders einfallsreich, aber üblich und durchaus erfolgversprechend.
Otto Rehhagel, der in seinen Anfängen als Trainer selbst ein sogenannter "Feuerwehrmann" war und erst durch seine unglaublichen 14 Jahre beim SV Werder Bremen zum Dauerbrenner wurde, hat einmal vor einiger Zeit etwas sehr Kluges allgemein über das Thema Trainer-Entlassungen in der Bundesliga gesagt. Damals war er nach seinem schmerzhaften Rauswurf beim FC Bayern München Coach seines neuen Klubs, dem 1. FC Kaiserslautern, und einer seiner ehemaligen Arbeitgeber stand kurz vor dem Abstieg aus der ersten Liga.
Rehhagel meinte dazu hintersinnig: "Vor 17 Jahren haben sie mich mal bei Fortuna Düsseldorf entlassen. Und wo steht die Fortuna heute? Es hat überhaupt nichts genutzt!" Sätze, über die die Verantwortlichen in den Ligen durchaus einmal etwas länger nachdenken könnten - bevor sie fragwürdige und vermutlich wieder einmal sehr kurzlebige Entscheidungen treffen.
Quelle: ntv.de
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