Gespannfahrerin Mareike Meier: Pionierin mit vier PS

"Als wir angefangen haben, hieß es, als Frau würde das nicht gehen, das könnte man nicht", erinnert sich Gespannfahrerin Mareike Meier im Gespräch mit der DW.
Sie muss lächeln, wenn sie daran denkt, wie wenig Trainer und männliche Kollegen ihr damals zugetraut haben.
"Aber irgendwie haben wir das ganz gut hinbekommen", meint sie und lächelt noch ein bisschen breiter. "Ich glaube, das sagen die heute nicht mehr."
Männerdomäne Vierspänner - Königsklasse des GespannfahrensMareike Meier ist eine echte Pionierin ihrer Pferdesport-Disziplin. Nachdem sie zuvor mit Ein- und Zweispännern erfolgreich war, wechselte sie 2012 zu den Vierspännern, also einem Gespann mit vier Pferden davor.
Die Vierspänner sind die Königsklasse im Gespannfahren. Der klassische Wettbewerb findet im Freien statt und besteht aus drei Teildisziplinen: Dressur, Hindernis und Marathon.
In der Dressur wird unter anderem die präzise Ausführung verschiedener Gangarten bewertet, wie harmonisch und gleichmäßig die vier Pferde sich bewegen und auf die Hilfen des Fahrers reagieren. Auch die Präsentation des gesamten Gespanns - also Pferde, Geschirr, Wagen und Fahrer - fließt in die Bewertung ein.
Beim Marathon gilt es, eine Geländestrecke mit Brücken, Wällen und Wassergräben möglichst schnell und fehlerfrei zu absolvieren.
Zum Abschluss folgt das Hindernisfahren auf Zeit durch einen Parcours aus engen Kegeltoren.

Neben dem klassischen Dreikampf gibt es weitere Formate, wie den Hallen-Weltcup, eine verkürzte Prüfung mit kombinierten Elementen aus Marathon und Hindernis.
Stark in der Dressur, starke NervenMeiers Stärken liegen in der Dressur - der Teildisziplin, die sie selbst am meisten mag. Ihre Pferde hat sie alle selbst im Sattel als Dressurpferde ausgebildet.
"Mareike hat unheimlich gute Nerven", lobt Rene Poensgen, der Equipechef der deutschen Gespannfahrer, gegenüber der DW. "Sie hat sehr gut ausgebildete Pferde und ist für gute Dressuren bekannt, aber ein gutes Ergebnis auch bis sonntags ins Ziel zu bringen, dafür muss man gute Nerven haben. Sie ist schon sehr professionell."
Meier war zwar nicht die erste Frau, die überhaupt bei den Vierspännern antrat, aber die erste deutsche Fahrerin, die sich auf internationalem Top-Niveau etablieren konnte.
Einmal WM-Silber (2022) und drei zweite Plätze bei der EM (2017, 2021, 2023) jeweils mit dem Team zeugen von ihrer Klasse. Auch im Einzel platzierte sich Meier in den vergangenen Jahren bei Welt- und Europameisterschaften weit vorne.
Zudem war sie 2019 die erste Frau, die als Fahrerin an einem Vierspänner-Weltcup teilgenommen hat - einem prestigeträchtigen Hallenwettbewerb, bei dem die Männer zuvor unter sich waren.
Als Pionierin sieht sich Meier selbst allerdings nicht: "Mir war es gar nicht bewusst, dass ich die erste Frau bin. Ich wollte es einfach gerne, wir haben es ausprobiert, und es hat geklappt."
Mutter als Unterstützerin und BeifahrerinBesonders unterstützt wurde Meier, die bis zu ihrer Hochzeit im Jahr 2024 noch Mareike Harm hieß, stets von ihrer Mutter Andrea Harm. Mit ihr gemeinsam betreibt Meier im Bundesland Schleswig-Holstein einen Pferdestall zur Ausbildung von Dressurpferden.
"Meine Mutter hat gesagt: 'Wenn du das ausprobieren möchtest, dann mach das!'", erzählt Meier. Andrea Harm schickte ihre Tochter samt ihren Pferden für vier Wochen zu Michael Freund, der mit fünf WM-Erfolgen einer der besten und erfolgreichsten Gespannfahrer der Welt ist.
Freund trainierte Meier und half ihr, aus vier erfolgreichen Einspännerpferden ein Vierergespann zusammenzufügen. Kurz danach startete sie schon bei den ersten Vierspänner-Wettbewerben - mit ihrer Mutter an Bord, als Unterstützerin, Sponsorin und Beifahrerin.
"Die ganzen ersten Vierspänner-Turniere haben wir zusammen bestritten", erinnert sich Meier. "Sie stand hinter mir auf der Kutsche und hat mir den Rücken gestärkt."
"Warum sollte eine Frau das nicht können?"Mutter Andrea fährt mittlerweile nicht mehr mit. Dafür bildet Meier mit ihren Beifahrerinnen Linda Tödten und Nicole Bielemeier ein reines Frauenteam - das einzige in der Weltspitze.
Die Beifahrerinnen haben vor allem auf der Marathonstrecke im Gelände wichtige Aufgaben: Tödten sagt als Navigator die Richtung an, Bielemeier hält hinten auf der Kutsche die Balance und bringt in engen Kurven Gewicht auf das innere Hinterrad.

"Hinten draufzustehen ist normalerweise ein reiner Männerjob - aber warum sollte eine Frau das nicht können?", sagt Meier. "Nicole fährt Motorrad und hat ein unheimliches gutes Gleichgewicht." Zwar sei Bielemeier leichter als die Männer, die bei der Konkurrenz mitfahren, aber "sie macht das durch Technik gut, und wir sind damit immer gut gefahren".
Equipechef Poensgen sieht dennoch im Gelände noch Potenzial bei Meier. "Vielleicht muss sie ein bisschen mutiger werden", sagt er. "Wenn sie sich ein bisschen mehr trauen würde, könnte sie - glaube ich - noch mehr Punkte einfahren."
Kaum weibliche VorbilderAls Mareike Meier mit den Vierspännern anfing, gab es - zumindest in Deutschland - keine weibliche Fahrerin, an der sie sich orientieren konnte. Seit Jahren ist sie nun selbst die Leitfigur und Vorbild für den weiblichen Nachwuchs - und mittlerweile auch nicht mehr allein in der deutschen Vierspänner-Mannschaft.
Mit Anna Sandmann gibt es seit einigen Jahren eine zweite Fahrerin in der deutschen Equipe. "Ich freue mich sehr, dass Anna dabei ist", sagt Meier. "Es ist ein Supergefühl, dass wir mit den Männern gut mithalten können."

Beim CHIO Aachen startet Meier im Einzelwettbewerb, Sandmann als eines von drei Gespannen im Team. Aachen ist eine der letzten Sichtungen vor der EM, die im September in der kleinen Gemeinde Lähden in Niedersachsen stattfindet.
Sportlich ist das Ziel für Meier klar - die Top acht: "Hier in Aachen sind die 25 Besten der Welt am Start. Wenn man sich dann unter den besten Acht platziert, ist das schon super."
Tochter als Nächste in der "Gespannfahrer-Dynastie"?Privat dreht sich dagegen viel um die kleine Tochter Lina, die 2023 zur Welt kam - und mit der im Grunde die nächste Generation der "Gespannfahrer-Dynastie" Harms/Meier gesichert ist.
"Sie fährt sehr gerne mit mir mit", sagt Meier. "Ich versuche das aber im Moment noch in Richtung Reiten zu lenken, weil Fahren doch sehr viel Aufwand ist."
Ein kleines Pony hat die Tochter bereits, aber wenn sie am Ende dann doch wie ihre Mutter und Großmutter bei den Vierspännern landen würde? "Dann würde ich mich auch freuen", sagt Mareike Meier und lacht.
dw