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Mysteriöses Veloteam von Ivan Glasenberg: Was hat der Rohstoff-Milliardär im Radsport vor?

Mysteriöses Veloteam von Ivan Glasenberg: Was hat der Rohstoff-Milliardär im Radsport vor?
Der Schweizer Matteo Badilatti (Mitte) bestreitet in diesen Tagen fürs Team Q36.5 die Tour de Suisse.

Gian Ehrenzeller / Keystone

Ivan Glasenberg würde niemals Ruhe geben, bevor er nicht seine Ziele erreicht hat. Das ist sogar jetzt noch so, im Ruhestand, vier Jahre nach seinem Abschied beim vielkritisierten Rohstoffkonzern Glencore, dessen Börsengang ihn zum Multimilliardär machte.

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2022 wurde der Hobby-Ausdauersportler Glasenberg am Zuger Triathlon disqualifiziert, weil er eine Zeitstrafe nicht absass. 2023 kehrte er zurück und holte in seiner Altersklasse der über 65-Jährigen den Sieg. Glasenberg hört erst auf, wenn er obenauf ist. Da, wo er seiner Ansicht nach hingehört.

Ivan Glasenberg, ehemaliger Chef von Glencore und Velo-Enthusiast.

Umso mehr stellt sich die Frage, was der erfolgsverwöhnte Manager, an dem sich während seiner Glencore-Regentschaft die Aktivisten und Branchenkritiker abarbeiteten, im Radsport vorhat. Glasenberg gehören der Velohersteller Pinarello sowie ein bedeutender Anteil an der Kleidermarke Q36.5. Diese ist Hauptbesitzerin des gleichnamigen Profiteams.

Die Mannschaft Q36.5, die mit Schweizer Lizenz unterwegs ist, gibt Beobachtern seit ihrer Gründung vor zweieinhalb Jahren Rätsel auf. Sie ist bis jetzt weit davon entfernt, die Spitzenteams UAE oder Visma herauszufordern, trotz potenten Sponsoren wie der UBS. Auch an der Tour de Suisse rollt das Kollektiv vor allem mit, abgesehen von einzelnen Exploits des Schweizers Jan Christen. Die Verantwortlichen im Hintergrund sind leidenschaftliche Velo-Enthusiasten. Aber ihre Ziele scheinen nicht immer deckungsgleich.

Da ist zum Beispiel Luigi Bergamo, der italienische Gründer der Kleiderfirma Q36.5. Er ist ein akribischer Tüftler, der immer wieder den Kontakt zu Fahrern sucht, um seine Innovationen zu besprechen. Gerade hat er einen Schuh mit einem Power-Wrap im Mittelfuss entwickelt, der gleichzeitig mehr Bewegungsfreiheit und eine perfekte Kraftübertragung verspricht. Das tönt wie die Quadratur des Kreises. Auch Bergamo ist einer, der niemals Ruhe gibt.

Vier Tage vor dem Start der Tour de Suisse lädt Q36.5 kurzfristig zum Apéro in seinem Zürcher Flagship-Store. Dass gleichzeitig die Team-Präsentation für das Frauenrennen stattfindet, ist womöglich niemandem aufgefallen. Es gibt Häppchen und Drinks, und der Fahrer David de la Cruz stellt den mutmasslichen Wunderschuh vor. Während er spricht, klingelt sein Telefon: Bergamo ruft an. Der Gründer scheint das Team als Testlabor für seine Ideen zu begreifen, und die Fahrer haben Rede und Antwort zu stehen.

Operativer Chef des Teams Q36.5 ist nicht Bergamo und auch nicht Glasenberg, sondern Douglas Ryder, ein Südafrikaner. Ihn treibt die Passion an, den afrikanischen Radsport zu fördern, davon redet er gerne und mit ansteckender Begeisterung. Nach jahrelangen Bemühungen brachte Ryder 2015 erstmals ein Team von dem Kontinent an die Tour de France. Dieses Jahr jedoch hat der 53-Jährige erstmals keinen einzigen Afrikaner mehr in seinem Team.

So hatte er sich das nicht vorgestellt. «Es ist traurig», sagt Ryder im Gespräch. Der 53-Jährige erwähnt das Punktesystem, welches kleinere Mannschaften permanent unter Druck setze. Man müsse die Balance halten zwischen übergeordneten Visionen und wirtschaftlichen Abwägungen. In Zukunft wolle er auf jeden Fall wieder afrikanische Fahrer engagieren, «das ist mein Ziel, das ist meine Passion». Er weist auch auf die Stiftung des Teams hin, welche Kindern in Südafrika das Velofahren ermögliche.

Ryders Antwort auf die Frage, wo er das Team in fünf Jahren sehe, ist erstaunlich. Er, der jahrelang sorgfältig ein Underdog-Image pflegte, sagt jetzt: «Es wäre grossartig, die Tour de France zu gewinnen.»

Abhängig von den Launen des Superstars

Seit dieser Saison fährt der britische Superstar Tom Pidcock für Q36.5. Ein Sieg am grössten Rennen der Welt ist dadurch paradoxerweise nicht näher gerückt, sondern zumindest kurzfristig sogar unwahrscheinlicher geworden. Pidcock ist zwar ein Multitalent, er hat zweimal olympisches Gold im Mountainbiken gewonnen und triumphierte an wichtigen Eintagesrennen. Ein Klassement-Fahrer ist er aber nicht. Gleichzeitig bindet er enorme Ressourcen: Pidcock hat einen ganzen Stab an persönlichen Betreuern mitgebracht. Sogar sein weniger herausragend veranlagter Bruder Joseph Pidcock, der bisher die meisten Rennen vorzeitig beenden musste, erhielt einen Zweijahresvertrag.

Im Mai kämpfte Tom Pidcock am Giro d’Italia um die Gesamtwertung, mit Rang 16 endete der Versuch für seine Verhältnisse desaströs. Einzelne Etappen anzuvisieren, wäre vielversprechender gewesen.

«Er wollte es einfach einmal probieren», sagt Michael Albasini, sportlicher Leiter bei Q36.5. «Im Nachhinein ist man immer schlauer.» Pidcock sei der unumstrittene Star, er könne sich solche Sachen herausnehmen. «Wir sind ein Stück weit von ihm abhängig.»

Unverhohlen hinterfragt der ehemalige Schweizer Nationaltrainer die Zusammensetzung seiner Equipe. Es fehle ein zweiter oder dritter Leader, so Albasini. Pidcock habe zudem am Giro einige der nächstbesten Fahrer als Helfer absorbiert. Jetzt fehlten diese in anderen Rennen wie der Tour de Suisse.

Die Veranstalter der Schweizer Landesrundfahrt kündigten Pidcock im Vorfeld des Rennens als einen der diesjährigen Top-Fahrer an. Dieser nahm sich jedoch frei. Diese Woche veröffentlichte Red Bull stattdessen ein Video, in dem der Brite mit bis zu 115 Kilometern pro Stunde bergab rast, eine rote Ampel und Vorschriften des Weltverbands zur Sitzposition missachtend.

Glasenberg dürfte beim Pidcock-Transfer eine zentrale Rolle gespielt haben. «Er trifft die Entscheide», sagt ein Insider, «Ivan muss die Schatulle öffnen.» Ryder könne natürlich Vorschläge machen, aber Glasenberg müsse diese genehmigen.

Miserable Hotels am Giro d’Italia

Der ehemalige Rohstoff-Manager ist beim Apéro in Zürich ebenfalls anwesend. Er hat das Team gerade sieben Tage lang am Giro begleitet. Die Hotels seien miserabel gewesen, erzählt er. Er habe sich beim Veranstalter beschwert. Offizielle Interviews gibt Glasenberg nicht.

Es heisst aus seinem Umfeld, Glasenberg arbeite daran, den Radsport wirtschaftlich tragfähiger zu machen. Er tausche sich dazu mit anderen Teambesitzern aus, die er auf Augenhöhe glaube. Was vor allem heissen dürfte: die ebenfalls vermögend sind. Wer Glasenberg kennt, der weiss: Von ihm wird noch zu hören sein.

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»

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