Union Berlin ohne Trimmel und Khedira? Kaum vorstellbar

Kurz sah es so aus, als würde Steffen Baumgart bei Union auf die Kapitäne verzichten wollen. Dann machten sich Christopher Trimmel und Rani Khedira einmal mehr unverzichtbar.
Die Gallier in den Asterix-Comics haben nur Angst davor, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Was sich im Januar beim 1. FC Union Berlin andeutete, wäre für viele eingefleischte Unioner ähnlich schlimm gewesen. Der damals noch neue Trainer Steffen Baumgart suchte nach der richtigen Aufstellung. Nach zwei Niederlagen zum Start setzte er bei seinem ersten Sieg gegen Mainz 05 die beiden Mannschaftskapitäne Christopher Trimmel und Rani Khedira auf die Bank und brachte sie erst in der Schlussphase. Der "Berliner Kurier" erklärte das Duo kurzerhand zu "Härtefällen".
Ein halbes Jahr danach ist das nur noch eine blasse Erinnerung. Beide Spieler haben ihre Verträge verlängert. Vor dem Vorbereitungsstart ist eine Union-Elf ohne Trimmel und Khedira wieder so wie die letzten Jahre: kaum vorstellbar.
In Bezug auf Trimmel hätte Baumgart nur seinen Vorgänger Bo Svensson fragen müssen. Als der Trimmel in der Hinrunde auf die Bank setzte, verlor Union nach 2:0-Führung beim VfB Stuttgart noch mit 2:3. Ohne den erfahrenen Rechtsverteidiger brach die Defensive unter Stuttgarts Druck völlig zusammen. Danach war Svensson angezählt.
Steffen Baumgart machte eine ähnliche Erfahrung. Nach dem Sieg gegen Mainz war Trimmel außen vor. Es folgten vier Niederlagen ohne ihn. Als es für Baumgart nach insgesamt sieben Punkten aus seinen ersten neun Spielen richtig ernst wurde, brachte er Trimmel dann wieder von Anfang an und wurde belohnt. Union siegte mit 2:1 in Frankfurt. Den wichtigen Ausgleich hatte der 38-Jährige mit einer seiner gefährlichen Ecken vorbereitet.
Nach dem Spiel lobte der erleichterte Baumgart: "Für dieses Spiel war es extrem wichtig, den Kapitän mit auf dem Rasen zu haben, und das hat er auch gezeigt." Trimmel habe eine sehr gute Leistung gezeigt und Ruhe hereingebracht, fand der Trainer, der keinen einzigen seiner 24 Punkte geholt hat, ohne dass Trimmel spielte. Nun geht Trimmel in seine 12. Saison als "Eiserner". Khedira stabilisiert das TeamSo weit ist Rani Khedira noch nicht. Er spielt erst seit 2021 für Union. Bei seiner jüngsten Vertragsunterschrift deutete er aber an, dass er noch eine Weile bleiben möchte. Er fühle, dass seine Zeit bei Union noch lange nicht vorbei sei, so Khedira. Das gleiche fühlte auch Steffen Baumgart nach dem 0:3 gegen St. Pauli, nachdem er den defensiven Mittelfeldspieler auf die Bank gesetzt hatte. In den restlichen 15 Spielen verpasste Khedira nur 33 Minuten und leistete mit seinem Tor gegen den SC Freiburg einen wichtigen Beitrag zum frühzeitigen Klassenerhalt.
"Als ich gekommen bin, hatte ich das Gefühl, dass er in einem kleinen Loch war", sagte Baumgart am Saisonende. Aber der "absolute Profi" Khedira habe sich da rausgearbeitet und dann auch wieder seine Führungsstärke für die Mannschaft bewiesen. Sein Organisationstalent auf dem Platz und seine Arbeit gegen den Ball braucht Union, um wenige Gegentore zu kassieren. Bei Zweikämpfen, erfolgreichen Tacklings, abgefangenen Pässen und gewonnenen Kopfballduellen gehört Khedira zu den besten Mittelfeldspielern der Liga.
Obwohl mit Andras Schäfer und Alex Kral zwei Nationalspieler, mit Lucas Tousart ein ehemaliger 25-Millionen-Transfer und mit Aljoscha Kemlein ein deutsches Toptalent erst nach Khedira zur Mannschaft stießen, konnte ihn niemand nachhaltig aus der Startelf verdrängen. Zu schlecht lief es, wenn er mal nicht spielte. Allerdings ist das wohl auch einer der Gründe, warum es in den letzten Jahren keinem Trainer bei Union gelang, das Ballbesitzspiel nachhaltig zu verbessern. So stark Khedira verteidigt, so groß sind seine Defizite im Spielaufbau. Den überlässt er meist vollständig den Innenverteidigern.
Nach Passquote und Anzahl seiner erfolgreichen Pässe sind die meisten Stamm-Mittelfeldspieler in der Bundesliga besser als Rani Khedira. So steht Baumgart vor einem Dilemma: Verzichtet er auf Khedira, fehlt der Mannschaft Führung und die defensive Stabilität leidet. Will er ihn spielen lassen, braucht Baumgart ein Konstrukt, in dem andere Spieler Khediras limitiertes Ballbesitzspiel abfangen.
Trimmel weiter gesetztGut für Baumgart, dass er sich über Trimmel weniger Gedanken machen muss. Dass seine Standards nach wie vor zu den besten in der Bundesliga gehören, macht ihn zur Waffe, wann immer er spielt. Aber auch im laufenden Spiel merkt man dem Österreicher das fortgeschrittene Fußballeralter selten an. Der schnellste Spieler war Trimmel noch nie, aber seine überdurchschnittlichen Defensivstatistiken beweisen, dass ihn das nicht daran hindert, in die Zweikämpfe zu kommen. Solange Christopher Trimmel fit ist, gibt es also keinen triftigen Grund auf ihn zu verzichten. Vorausgesetzt, Baumgart möchte nicht deutlich aggressiver pressen. Erst dann könnten die Geschwindigkeitsdefizite seines Kapitäns ein echtes Problem werden. Aber wenn sich Union in der neuen Saison tatsächlich zu einer Offensivmannschaft entwickelt, dann würde es sich für die Köpenicker wirklich anfühlen, als würde ihnen der Himmel auf den Kopf fallen.
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