Vor drei Jahren war er noch in Altach, jetzt führt er den besten Klub im Land: Der Fussballtrainer Ludovic Magnin steht in Basel vor seiner grössten Prüfung


Georgios Kefalas / Keystone
Am Rand von Altach im österreichischen Bundesland Vorarlberg, nahe der Schweizer Grenze, steht ein kleines Fussballstadion mit dem Namen Schnabelholz. Es ist die Heimat des Sportclubs Rheindorf Altach. Und es war einmal der Ort, an dem der Fussballtrainer Ludovic Magnin Zuflucht suchte, vor etwas mehr als drei Jahren war das.
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Der Waadtländer kam damals, um den Dorfklub vor dem Abstieg aus der österreichischen Bundesliga zu bewahren. Aber er kam auch, um seine eigene Karriere wiederzubeleben. 14 Monate lang war er zuvor ohne Job gewesen, nach fast drei Jahren im FC Zürich, einer Zeit, die Spuren bei ihm hinterlassen hatte. In Altach blieb Magnin dann nur ein paar Monate. Er rettete den Klub, dann ging er wieder heim, nach Lausanne, wo sie ihn als Trainer wollten.
In diesem Sommer, an einem Tag Mitte Juli, kehrt Magnin ins Stadion Schnabelholz zurück. Aber dieses Mal ist er nicht mehr ein versehrter Mann auf der Suche nach einem Neustart. Sondern der frisch installierte Trainer im FC Basel, der gerade Schweizer Meister geworden ist und Cup-Sieger.
Was er damals, bei seinem Abschied aus dem Schnabelholz, entgegnet hätte, wenn ihm jemand prophezeit hätte, dass er in drei Jahren als Trainer des FC Basel zurückkehren würde? Dass sicherlich sehr viel zusammenpassen müsse, damit es so weit komme, sagt Magnin in Altach.
Soeben hat sein Team das letzte Vorbereitungsspiel absolviert, es resultierte ein 3:3 gegen Villareal. Die neue Super-League-Saison ist nahe, am Samstag geht sie für den FC Basel in St. Gallen los. Für Magnin beginnt dann der grösste Test seiner Trainerkarriere. Es geht dabei auch um die Frage, ob er der Richtige ist für den Job in Basel. Und ob der Job in Basel das Richtige für ihn ist.
Die vielen Facetten des Ludovic MagninAls Fussballer gelang Magnin eine vorzügliche Karriere, er machte viel aus seinen Möglichkeiten, mit Ehrgeiz, Wille, Arbeitsethos. Von Lausanne, dem Klub seines Herzens, wurde er als Junior verstossen. Er schaffte es trotzdem in die Bundesliga. Wurde Meister mit Bremen und Stuttgart. Spielte 62 Mal für das Schweizer Nationalteam, auch an EM- und WM-Endrunden.
Wie gross er als Trainer wird, wie gross er überhaupt werden kann: Diese Frage ist offen. Nach allem, was man bisher über ihn weiss, könnte der FC Basel zu viel für ihn sein. Gerade richtig. Oder ein Sprungbrett für noch grössere Aufgaben wie die Bundesliga. Von ihr träumt Magnin, der Ehrgeizige, auch als Trainer.
Magnins Trainerkarriere ist bisher wechselhaft verlaufen. Begonnen hatte sie im FC Zürich, wo ihn Ancillo und Heliane Canepa als eine Art Ziehsohn betrachteten. Er gewann den Cup und wichtige Spiele im Europacup, doch seinem Team fehlte es an Konstanz. Es spielte am einen Tag gut und am anderen überhaupt nicht.
Zuweilen implodierte es regelrecht, verlor mit vier, fünf Toren Differenz. An der Seitenlinie geriet Magnin oft in Rage, legte sich mit Schiedsrichtern an, fühlte sich von den Medien ungerecht behandelt. Einmal bezeichnete ihn die NZZ als «Wutbürger des Schweizer Fussballs».
Gian Ehrenzeller / Keystone
Das Thema begleitet Magnin schon lange, er hat oft über Schubladen gesprochen, in die Leute hierzulande gesteckt werden. Zur NZZ sagte er einmal, dass es bei der Beurteilung seiner Person keine Grauzone gebe. Dass man ihn hasse oder liebe und es dazwischen nichts gebe. Auch deshalb verliess er einst die Schweiz: um in Altach seine Karriere neu zu beleben.
Ob es stimmt, dass er gehasst wird oder geliebt und nichts dazwischen, oder ob er das einfach so empfindet, ist eine andere Frage. Sicher aber ist Magnins Emotionalität facettenreich; er ist ein Vulkan an der Seitenlinie, abseits des Platzes aber zugewandt und herzlich. In Altach zeigt sich das darin, dass Magnin sich mehr Zeit nimmt für die Anhänger als jeder seiner Spieler. Er ist auch humorvoll, selbstironisch gar, was in diesem Geschäft selten genug vorkommt.
Wo Magnin hinkommt, hinterlässt er Spuren. In Altach, wo er seine Zelte einst rasch wieder abbrach, denken sie bis heute gerne an ihn zurück. Wegen seiner Energie und Wärme. Beim Abschied sind damals Tränen geflossen, auf beiden Seiten.
In Basel kommt einiges an Energie zusammenMagnin, der Heisssporn. Magnin, der herzliche Entertainer. Welches Bild dominiert, bestimmen auch die Resultate. In Basel wird das erst recht so sein, überhaupt kommt da einiges an Energie zusammen. Ein Klub, auf den alle in der Stadt schauen, immer erwartungsvoll, und nach dem Double in der vergangenen Saison sowieso. Der medial ein ganz anderes Pflaster ist als Lausanne oder Altach. Der von Natur aus unruhig ist und das unter dem Präsidenten David Degen lange Zeit erst recht war, wobei der Klub mittlerweile ruhiger wirkt und stabiler.
Georgios Kefalas / Keystone
Ruhiger, reifer, reflektierter: Das ist auch Magnin geworden. Sagt er selbst. Sagen Leute, die ihn schon lange beobachten. Wobei er noch im Februar nach der vierten Verwarnung für ein Spiel gesperrt wurde. «Die Wutausbrüche Magnins», schrieb «24 heures» damals, «bringen Lausanne zum Brodeln.»
Als Magnin im Sommer 2022 nach Lausanne kam, war der Klub gerade in die Challenge League abgestiegen. Der Heimkehrer schaffte die sofortige Rückkehr in die höchste Liga, im Jahr darauf den Klassenerhalt, schliesslich in der letzten Saison Platz fünf. Er stellt das als Überraschung dar, überhaupt dominiert, auch medial, die Erzählung, dass Magnins Zeit in Lausanne ganz hervorragend verlaufen sei.
Bei dieser Betrachtung geht etwas vergessen, dass der Klub vom Chemiekonzern Ineos grosszügig alimentiert wird. Dass dort Fussballer spielen, die nicht wegen der schönen Aussicht auf den Genfersee nach Lausanne gekommen sind. Dass der Aufstieg im ersten Jahr Pflicht war und Platz 10 im zweiten eher eine Enttäuschung. Und dass Lausanne letzte Saison zwar sehenswerten Fussball bot, den Einzug in die Meisterrunde aber nur knapp schaffte.
Valentin Flauraud / Keystone
Als er Magnin als neuen Trainer vorstellte, sagte Basels Sportchef Daniel Stucki, man habe den Waadtländer auch geholt, weil der sich entwickelt habe, «gerade in diesem Jahr». Magnin wiederum sagt, man werde als Trainer von Verein zu Verein besser. Und dass er jetzt genau wisse, wie sein Fussball aussehen soll: offensiv, aktiv, mit hohem Pressing. Fest steht: Solche Möglichkeiten wie in Basel hatte Magnin noch nie. Was macht er aus ihnen?
Am Donnerstag dieser Woche sitzt Magnin neben Xherdan Shaqiri im Fanshop des FC Basel, Anlass ist die Pressekonferenz zur Saisoneröffnung. Die beiden witzeln, die Chemie ist gut, Shaqiri betont, dass er Magnins Art mag. Auf ihn, Shaqiri, wird Magnin angewiesen sein, auf seine Tore und Assists, die den Klub im letzten Jahr so weit trugen.
Nach dem Auftakt geht es für den FC Basel Schlag auf Schlag. Bald steht der Klassiker gegen die Young Boys an. Und vor allem: das Play-off zur Champions League. Dieses soll der FC Basel, so hat das der Sportchef Stucki vorgegeben, überstehen.
Im Stadion Schnabelholz, nach dem 3:3 gegen Villareal, als die Selfies geschossen sind und Magnin sich aufmacht, ruft ihm einer noch «Viel Glück, gell» nach. Das, ruft Magnin zurück, nehme er gerne mit.
nzz.ch