Während die Europäer trotzen, feiern die anderen an der Klub-WM ein Fussballfest


Jose Hernandez / Anadolu / Imago
Die Ergebnisse beim Kontinentalvergleich der Fussballklubs in den USA könnten Donald Trump durchaus gefallen. Nach der ersten Woche ist die Landkarte überraschend flächendeckend rot eingefärbt – jene Farbe, die politisch mit Trumps Republikanern assoziiert wird. Vom blauen Europa hingegen sind nur vereinzelte Farbtupfer zu sehen. Das Bild erinnert an die Niederlage der Demokraten bei den vergangenen US-Präsidentschaftswahlen.
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Zwar sind längst nicht alle Matches gespielt – der Final steigt am 13. Juli –, doch bereits jetzt zeigt sich: Die europäischen Klubs treten weitaus weniger dominant auf als vor dem Turnier erwartet. Mehrere Schlüsselspiele gingen verloren, besonders schmerzhaft war die Niederlage von Paris Saint-Germain gegen Botafogo FR (0:1) – das Aufeinandertreffen der amtierenden Kontinentalmeister Europas und Südamerikas.
Zudem unterlag Chelsea dem CR Flamengo (1:3), einem von drei Teilnehmern aus Rio de Janeiro neben Botafogo und Fluminense. Und Trumps USA waren ebenfalls an der Geschichtsschreibung beteiligt: Inter Miami besiegte den FC Porto (2:1) – durch ein Freistosstor von Lionel Messi. Der Argentinier verhalf dem bisweilen belächelten amerikanischen Fussball damit zu spürbarer Aufmerksamkeit.
Europäische Dominanz wanktDer Auftritt Südamerikas bei der ersten Klub-WM mit 32 Mannschaften wirkt wie eine Kampfansage an das europäische Fussball-Establishment. Von 2007 bis 2024 hatten europäische Vereine 16 der 17 Austragungen gewonnen, die noch in kompakter Form jeweils am Jahresende stattfanden. Nur den Corinthians São Paulo gelang 2012 ein Sieg gegen Chelsea und damit ein Durchbrechen der europäischen Dominanz.
Eine derartige Kräfteverteilung hatte es in den Jahren nach der Einführung des Weltpokals 1960 zunächst nicht gegeben. Vielmehr feierten damals die Südamerikaner die meisten Erfolge, sie führten 20:14 gegen die Europäer – bis im Dezember 1995 das Bosman-Urteil kam und die Machtverhältnisse grundlegend verschob.
Auf Klage des Berufsfussballers Jean-Marc Bosman erklärte der Europäische Gerichtshof ablösefreie Vereinswechsel nach Vertragsende für zulässig und hob die Ausländerbeschränkungen in Vereinsmannschaften auf. Obwohl das Urteil nur Europa betraf, waren die Folgen weltweit vernehmbar. Europas Klubs spielten ihre finanzielle Überlegenheit aus, verpflichteten die besten Spieler der Welt – und setzten sich ab. Fluminenses Trainer Renato Gaucho brachte die Lage in einem geflügelten Vergleich auf den Punkt: «Die Leute wollen ein Omelett, geben einem aber nicht die Eier dafür.»
Den Bedeutungsverlust anderer Kontinente erkannte der Weltfussballverband Fifa unter seinem Präsidenten Gianni Infantino und versucht ihm seit geraumer Zeit entgegenzuwirken. Dagegen wäre prinzipiell nichts einzuwenden, würde Infantinos Fifa den Einsatz nicht allzu offensichtlich zur Stärkung der eigenen Machtinteressen verwenden. So setzte sie eine Aufstockung der Teilnehmerländer bei der Weltmeisterschaft 2026 in Nordamerika von 32 auf 48 Nationen durch. Der Verlierer dabei ist Europa: Der Anteil der europäischen Nationen sinkt von 40 auf 33 Prozent.
Auch die laufende Klub-WM zwängte die Fifa in den ohnehin überfüllten Spielkalender – zum Vorteil der nichteuropäischen Klubs, die damit eine globale Bühne bekommen, die ihnen sonst kaum zuteilgeworden wäre. Besonders die südamerikanischen Vertreter wissen diese Chance zu nutzen. Sie beweisen gewissermassen, dass auch ein kleines, aber gut zubereitetes Omelett überzeugend sein kann.
Die europäische Reaktion fällt trotzig und kurzsichtig aus. In weiten Teilen der Öffentlichkeit wird das Turnier demonstrativ als sportlich unbedeutend abgetan. Doch dieses vermeintliche Überlegenheitsgefühl wirkt bereits entlarvend. Denn über die Bedeutung eines Wettbewerbs entscheiden in den meisten europäischen Spitzenvereinen längst keine Europäer mehr.
Darin liegt eine süffisante Pointe der ablehnenden Haltung Europas. Ein Blick auf die Besitzverhältnisse macht das deutlich: Paris Saint-Germain gehört einem katarischen Staatsfonds; Manchester City steht unter der Kontrolle eines Mitglieds der Herrscherfamilie von Abu Dhabi; Chelsea ist Teil eines amerikanischen Investment-Konsortiums; Inter Mailand wird von einer amerikanischen Vermögensverwaltung gelenkt. Und Real Madrid, geführt vom Spanier Florentino Pérez, verlautbarte, man sei «mit grosser Begeisterung» zur Klub-WM gereist und sei sicher, dass diese ein Erfolg werde.
Pérez ist glühender Fan einer globalen Superliga, deren Umsetzung die Ligastrukturen hierzulande gefährden würde. Zustimmend äussern sich auch der FC Bayern München und Borussia Dortmund. Bayerns Ex-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge kritisierte in der «Welt am Sonntag», dass man in Deutschland generell dazu neige, «mit einem negativen Spirit an Dinge heranzugehen».
Für alle Klubs geht es bei dem Turnier um Preisgeld, Prestige und PR. In ökonomischer Hinsicht ist es für die Klubbesitzer interessant. Alle europäischen Klubs treten darum auch in Bestbesetzung an – trotz widrigen Umständen wie der Überlastung der Spieler, den schwierigen klimatischen Bedingungen und der geringen Unterstützung aus der Heimat.
Stimmung wie in Buenos AiresDie weitgehende Abwesenheit europäischer Fans soll die Legitimität des Turniers untergraben. Stattdessen wird sie dadurch eher befeuert, weil die Zustimmung aus anderen Weltregionen umso erkennbarer wird. Die durchschnittliche Zuschauerzahl nach dem ersten Gruppenspieltag liegt bei 34 773 Zuschauern. Vor allem Fans aus Argentinien, Brasilien und den arabischen Ländern sorgen für beachtliche Stimmung – vom Times Square in New York bis zu den Stränden Miamis. Einen Höhepunkt markierte das Duell zwischen dem FC Bayern und Boca Juniors (2:1), bei dem die Boca-Fans für eine Atmosphäre sorgten wie zu Hause im Bombonera-Stadion.
Der amerikanische Sportsender ESPN kommentierte, die Klub-WM sei nicht nur einen Versuch wert, sondern eine «moralische Pflicht des Fussballs». Über die Sinnhaftigkeit des Turniers wird am Ende der Verlauf entscheiden. Das stärkste Argument gegen das neue Format der Fifa wäre, wenn Europas Vereine alle Partien mühelos gewännen. Doch genau das ist bisher nicht eingetreten.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»
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