Bauen und Immobilien: Die Branche verliert die Geduld

Verena Hubertz will dafür sorgen, dass die Bagger im Land wieder rollen. Das hatte Bauministerin von der SPD kurz nach ihrem Amtsantritt im Mai öffentlichkeitswirksam versprochen. Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) betonte seinerzeit: Zu bezahlbarem Wohnraum gehöre vor allem „Bauen, Bauen, Bauen“.
Gut vier Monate ist das nun her – und die Ungeduld wächst. Denn passiert ist noch zu wenig, findet ein breites Bündnis aus Akteuren der Bau- und Immobilienbranche, zudem die Gewerkschaft IG Bau, die Bundesarchitektenkammer, der Immobilienverband BFW und 25 andere gehören. In einem offenen Brief wenden sie sich jetzt an Bundesregierung und Parlamentarier und schlagen Alarm: Bislang gebe es vom „erwarteten Push der Wohnungsbaukonjunktur“ keine Spur, heißt es in dem Schreiben, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt.
Das Bündnis verlangt mehr Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau und eine Einhaltung der Versprechen aus dem Koalitionsvertrag – etwa die in Aussicht gestellten Steuererleichterungen. Bis die umgesetzt seien, müsse die Wohnungsbau-Förderung im Bundeshaushalt deutlich erhöht werden, heißt es mit Blick auf 2026. Zudem pocht das Bündnis darauf, dass die Förderprogramme einfacher und breiter angelegt werden und neues Bauland zur Verfügung gestellt wird.
Die Weichen dafür, dass die Bundesregierung ihre Koalitionsversprechen einhalte, würden vor allem auch im Bundeshaushalt gestellt, heißt es in einer dazugehörigen gemeinsamen Mitteilung der 28 Akteure. „Und dabei kommt der Wohnungsbau im kommenden Jahr deutlich zu kurz“, kritisieren sie und bemängeln einem „schwarz-roten Stillstand im Wohnungsbau“. Der Wohnungsbau-Turbo, den Hubertz versprochen hatte, habe in den ersten zwanzig Wochen der schwarz-roten Koalition noch nicht gezündet.
Die Branche erwarte für 2025 nur noch gut 200.000 neue Wohnungen. Das wären ein Minus von gut 50.000 im Vergleich zum Vorjahr - und bereits da war die Zahl der gebauten Wohnungen viel zu gering, um der hohen Nachfrage vor allem in den Ballungsräumen nachzukommen. Die Politik, betonen die Unterzeichner, müsse nun dringend den Hebel umlegen und den Wohnungsbau als wichtigsten Motor der Binnenkonjunktur wieder ankurbeln.

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Das Verbändebündnis ist mit seiner Ungeduld nicht allein. Peter Hübner, Präsident des Bauindustrieverbands HDB, trat am Montag vor die Presse, um seinem Ärger darüber Luft zu machen, dass das Sondervermögen nicht bei seiner Branche ankomme. „Ich sage es deutlich: Die Zusätzlichkeit gibt es nicht“, sagte Hübner und bezog sich dabei darauf, dass die Milliarden aus dem Sondervermögen eigentlich für zusätzliche Investitionen fließen sollten. Man könne meinen, bei den Verantwortlichen habe der Dresdner Brückeneinsturz nichts bewirkt, kritisierte er. Vor gut einem Jahr waren Teile der Carolabrücke über die Elbe in Dresden eingestürzt. Das Unglück löste eine wochenlange Debatte über den Zustand der Infrastruktur in Deutschland aus.
Nicht nur Brücken, sondern auch viele Straßen und Schienen in Deutschland müssen saniert werden. Obwohl die neue Bundesregierung mit dem Ziel angetreten war, dass die Bagger wieder rollen, gab es bereits im Juli den ersten großen Dämpfer: Die bundeseigene Autobahn GmbH verhängte einen Ausschreibungsstopp und begründete den Schritt damit, dass man vor Inkrafttreten des Bundeshaushalts keine zusätzlichen Mittel habe. Wenig später wurde der Stopp wieder aufgehoben. Doch das Rumoren in der Branche geht weiter – auch, weil beim Wohnungsbau wenig Besserung in Sicht ist.

Bauindustriepräsident Hübner kritisierte am Montag, dass eine zügige Neuaufstellung der Förderprogramme eigentlich versprochen gewesen sei. „Jetzt hören wir, dass die Fördertöpfe 2027 neu strukturiert werden sollen. Mir ist nicht so ganz klar, warum das so lange dauert“, sagte er. Gerade für den bezahlbaren Wohnraum seien Investoren auf Förderung angewiesen.
Eine Sprecherin des Bauministeriums sagte dazu dem RND, die Neustrukturierung der Förderprogramme sei derzeit in der Abstimmung. Aktuell könne man daher keine Angaben zum Zeitplan machen. „Die bestehenden Förderprogramme laufen in gewohnter Weise weiter, sind also abrufbar“, fügte sie hinzu.
Die Bundesregierung hat sich aber nicht nur vorgenommen, mehr zu bauen, sondern will auch durch Änderungen im Mietrecht für Entlastung bei denjenigen sorgen, die unter ihren hohen Mieten ächzen. Eine Mietrechtskommission unter Federführung von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) soll dazu am Dienstag ihre Arbeit aufnehmen.
„Die Expertenkommission zum Mietrecht wird bis Ende 2026 Vorschläge erarbeiten, wie wir Mietpreisbremse und Mietwuchertatbestand mehr Kraft verleihen können“, sagte Hubig dem RND. „Wer die Mietpreisbremse ignoriert, dem müssen spürbare Konsequenzen drohen. Wer Wuchermieten verlangt, darf damit nicht durchkommen“, fügte die SPD-Ministerin hinzu.
Noch in diesem Jahr wolle sie zudem weitere Änderungen im Mietrecht auf den Weg bringen: neue Regeln für Indexmietverträge, möblierte Wohnungen, Kurzzeitvermietungen und Schonfristzahlungen. „Es ist höchste Zeit, dass wir unser Mietrecht stärken. Denn soziale Gerechtigkeit gibt es nur, wenn Wohnen bezahlbar ist – und wenn das Dach über dem Kopf auch wirklich Schutz bietet", so die Sozialdemokratin.
rnd