Big Tech: KI-Entwickler dringend gesucht

Rund um die Welt nutzen Arbeitssuchende künstliche Intelligenz (KI), um Bewerbungen zu schreiben. Besonders aufwendig ist das nicht. Es reicht, die Aufgabenbeschreibung aus der Anzeige zu kopieren und schon spuckt ChatGPT ein Standardschreiben aus, das vielleicht etwas langweilig klingt, aber alles enthält, was dem suchenden Unternehmen wichtig ist.
Auch bei der Suche nach Arbeitsangeboten wird künstliche Intelligenz genutzt. Und Firmen setzen ähnliche Instrumente ein, um Bewerbungen zu filtern, Termine zu vereinbaren, erste Vorstellungsgespräche zu führen und Bewerber und Bewerberinnen zu bewerten.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass all die hochkarätigen KI-Talente, die jetzt von Start-ups zu etablierten Tech-Giganten wie Meta, Apple, Microsoft, Amazon oder Google wechseln, denselben Weg durchlaufen mussten.
Wer übernimmt die Programmierung?Der Bedarf an erfahrenen KI-Entwicklern steigt, doch wirklich qualifizierte Fachkräfte gibt es nur wenige. Die Nachfrage ist also groß und wer über die richtigen Qualifikationen und Erfahrungen verfügt, hat gute Chancen, seine Gehaltsvorstellungen erfüllt zu sehen.
Unternehmen werben mit enormen Antrittsprämien und Vergütungspaketen um diesen sehr kleinen Pool an KI-Fachleuten, die die KI-Modelle der nächsten Generation entwickeln sollen.
Vielen KI-Start-ups fällt es schwer, in diesem extrem umkämpften Umfeld ihre Mitarbeitenden zu halten. Selbst OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, hat die Gehälter erhöht, in der Hoffnung, seine Entwickler und Entwicklerinnen an sich zu binden.
Gleichzeitig entlassen Unternehmen wie Microsoft, Meta und Intel tausende Mitarbeitende. Der Bedarf an Programmierern und Softwareentwicklern ist einfach nicht mehr so groß, seit generative KI immer häufiger in der Lage ist, selbst Programmcodes zu schreiben. Mit einer KI, die zunehmend die Codierung übernimmt, ist nicht mehr die Programmierung selbst wichtig, sondern die Entwicklung der Systeme, die die Programmierung übernehmen.
Meta investiert massiv in KINicht nur Big Tech umwirbt die KI-Talente, auch andere Branchen wie die Finanzindustrie, Logistik, Pharma, Einzelhandel und der Automobilsektor versuchen, ihre KI-Kompetenzen auszubauen.
Doch die Aufmerksamkeit richtet sich insbesondere auf Meta mit seinen neu eingerichteten Meta Superintelligence Labs. Berichten zufolge bietet das Unternehmen Gehälter von bis zu 100 Millionen US-Dollar (85,4 Millionen Euro), um KI-Entwickler von sich zu überzeugen.
Metas Vorstandsvorsitzender Mark Zuckerberg hat sich bei der Anwerbungswelle seines Unternehmens stark selbst eingebracht. In der vergangenen Woche veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters eine Liste der Neueinstellungen bei Meta. Darunter findet sich, neben einer Reihe hochrangiger Mitarbeiter von OpenAI und Apple, auch Alexandr Wang, der Vorstandsvorsitzende von Scale AI.

Der Technologiekonzern Meta, zu dem auch die Plattformen Facebook, Instagram und WhatsApp gehören, hat erst kürzlich 14,3 Milliarden US-Dollar (12,2 Milliarden Euro) in Scale AI investiert und damit 49 Prozent der Anteile des Unternehmens erworben. Als Teil der Vereinbarung übernimmt der 28-jährige Wang die neuen Superintelligence Labs von Meta als Chief AI Officer.
Stehen den Start-ups kulturelle Veränderungen bevor?Meta ist nicht der einzige Tech-Riese, der massiv in KI investiert. Microsoft hat 13 Milliarden US-Dollar (11 Milliarden Euro) in OpenAI gesteckt, während sich Amazon mit 8 Milliarden US-Dollar (6,8 Milliarden Euro) bei Anthropic eingebracht hat. Im vergangenen Jahr zahlte Microsoft zudem 650 Millionen US-Dollar (553 Millionen Euro), um nahezu alle Mitarbeitenden des Start-ups Inflection AI zu übernehmen.
Mit einer Zahlung von 2,4 Milliarden US-Dollar (zwei Milliarden Euro) sicherte sich Google diesen Juli das Führungspersonal von Windsurf, einem weiteren KI-Start-up. Zusammen mit einem kleinen Team wichtiger Talente werden sie künftig für Google DeepMind, die KI-Abteilung von Google, arbeiten.
Das könnte auf einen breiteren kulturellen Wandel in der Start-up-Branche hinweisen, befürchten einige. Statt Start-ups zu übernehmen, scheinen größere Unternehmen sich nun die Bereiche oder Mitarbeitenden, die für sie besonders interessant sind, herauszupicken und den Rest sich selbst zu überlassen. Das steht im Widerspruch zur Start-up-Kultur.
Start-ups betonen in der Regel die Zusammenarbeit und Kreativität bei der Arbeit an gemeinsamen Zielen. Viele der Mitarbeitenden in Tech-Start-ups hoffen auf finanzielle Vorteile, wenn das Unternehmen wächst oder von einem größeren Unternehmen übernommen wird. Werden nur noch Schlüsselpersonen abgeworben, werden diese Erwartungen möglicherweise nicht mehr erfüllt.
KI-Kompetenz in allen Bereichen gefragtLaut einem Bericht des Berufsnetzwerks LinkedIn vom Januar 2025 ist die Zahl der Neueinstellungen im Bereich KI in den vergangenen acht Jahren weltweit um mehr als 300 Prozent gestiegen. "Der Beruf des KI-Entwicklers zählt zu den am schnellsten wachsenden Berufen in 15 Ländern. In den Niederlanden, Singapur, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten ist er die Nummer Eins", schrieb Karin Kimbrough, Chefökonomin von LinkedIn, anlässlich der Veröffentlichung des Berichts.
Das zu Microsoft gehörende berufliche Netzwerk zählt eigenen Angaben zufolge 1 Milliarde Mitglieder in 200 Ländern, von denen sich jede Minute 10.000 über die Plattform auf eine Stelle bewerben. KI-Kompetenz sei die Fähigkeit, die in allen Berufsbereichen am stärksten nachgefragt sei, sagt das Unternehmen. Die Zahl der Unternehmen, die über einen "Leiter KI" verfüge, habe sich in den USA in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht.
Geht es immer so weiter?Künstliche Intelligenz mag nutzbare, reale Anwendungen schaffen, doch welches Potenzial tatsächlich in ihr steckt, ist noch nicht klar. Zweieinhalb Jahre, nachdem ChatGPT ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte und heftig über seinen möglichen Einsatz spekuliert wurde, ist noch lange nicht klar, wohin der Weg führen wird.

Doch egal, wohin die Reise geht, Big Tech hat Angst, zurückgelassen zu werden und versucht, das Problem mit Geld zu lösen. Dass so hohe Gehälter gezahlt werden - deren Höhe auch öffentlich bekannt ist - bringt eigene Probleme mit sich. Wenn enorme Vergütungspakete die Gehälter für die besten KI-Entwickler nach oben treiben, müssen Mitbewerber mithalten. Exorbitante Vergütungen für einzelne Fachkräfte dürften zudem Auswirkungen auf den Teamgeist haben.
Wie gut neu entwickelte KI-Produkte auch immer sein mögen, die Investitionen in Milliardenhöhe könnten umsonst sein, wenn die Produkte nicht angewendet werden. Viel hängt davon ab, wie Unternehmen KI einsetzen. Bislang wagen sie sich nur langsam heran.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.
dw