Verschuldung, Trumps Zollpolitik und Co.: Aktien und Anleihen im Spannungsfeld zwischen Euphorie und Realismus

Als US-Präsident Donald Trump Anfang April am sogenannten Liberation Day seine Zollpläne verkündete, kam dies einem exogenen Schock für die Kapitalmärkte gleich. Angesichts der dadurch signifikant gestiegenen Rezessionsgefahr für die größte Volkswirtschaft der Welt überraschte die folgende, mehr als zehnprozentige Korrektur der US-Aktienleitindizes nicht – ebenso wenig die Flucht in Ausweichwährungen wie dem Schweizer Franken.
Zunächst weniger nachvollziehbar war dagegen, dass auch US-Staatsanleihen erheblich unter Druck standen. Diese galten als verlässlicher sicherer Hafen in Stresszeiten. Deren Renditen, gemessen an den Langläufern, stiegen innerhalb von nur zwei Tagen um mehr als 60 Basispunkte.
Zwei Monate später zeigen sich die Aktienmärkte unbeeindruckt vom Zollgeplänkel und schicken sich an, neue Allzeithochs zu erklimmen. Gleichwohl senden die Anleihemärkte andere Signale. Die 30-jährigen US-Staatstitel überschritten jüngst sogar die als kritisch geltende Marke von 5 Prozent – ein Niveau, das, abgesehen von der Hochinflationsphase im Jahr 2023, zuletzt zum Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 zu beobachten war.
Bleibender VertrauensschadenEine wesentliche Rolle dabei spielt die Befürchtung einer ungebremsten Neuverschuldung der USA. Denn werden die Steuern in den USA gesenkt und reichen die Zolleinnahmen nicht aus, die entstehende Lücke zu füllen, bleibt nur der Griff zu weiteren Krediten. Das sieht auch die Ratingagentur Moody’s so, die den USA die Bonitätsbestnote AAA kürzlich entzog und so mit dem Konkurrenten Standard & Poor’s gleichzog.
Grund zur Sorge machte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) aus, nach dessen Schätzung bis 2030 die Schulden der weltweiten Nationen bei nahezu 100 Prozent des globalen Bruttoinlandproduktes (BIP) liegen werden. Die ausufernden Schulden, die in erheblichen Teilen den USA und China zuzurechnen sind, stellen nach Ansicht vieler Ökonomen eine Gefahr für die weltweite Finanzstabilität dar. Zur Finanzierung des klammen Haushaltes braucht es Investoren, die über ausreichende Mittel verfügen und diese auch noch bereitwillig zur Verfügung stellen wollen.
Waren etwa 1970 noch rund 95 Prozent der US-Schulden in der Hand von inländischen Investoren, kommen mittlerweile knapp ein Drittel der US-Gläubiger aus dem Ausland – mit steigender Tendenz. Dass ein erheblicher Teil der Vermögenswerte der USA im ausländischen Besitz liegt und diese zur Finanzierung des Haushaltdefizits zukünftig noch stärker herhalten müssen, bedeutet, die Kapitalgeber auch bei Laune halten zu müssen.
Die konfrontative und erratische Zollpolitik, die nun nicht mehr erstklassige Bonitätseinstufung der USA wie auch die zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit US-amerikanischer Unternehmen zumindest billigend in Kauf genommene Schwächung des US-Dollars haben jedoch das Potenzial, das Vertrauen ausländischer Investoren erheblich erodieren zu lassen.

Erschwerend kommt hinzu, dass mit China der größte Rivale im Handelskrieg lange den zweitgrößten Bestand an US-Staatsanleihen hielt und diese zunehmend abstößt. Dass diese Umschichtung noch nicht beendet sein könnte, deutet zudem die Fälligkeitsstruktur der Bestände in China an – im Reich der Mitte halten Anleger verstärkt kurzlaufende und damit besonders liquide US-Treasuries.
Der Anstieg des langen Endes der US-Zinsstrukturkurve stellt also keine – wie es sonst häufig der Fall ist – Indikation für Erwartungen an ein hohes zukünftiges Wachstum dar. Er deutet vielmehr darauf hin, dass Investoren vermehrt für die Risiken bei der Übernahme langfristiger US-Verbindlichkeiten entlohnt werden wollen, durch das sogenannte ‚Term Premium‘.
Doppelbelastung und Sorge vor der Maturity WallFür die Regierung in Washington bedeutet dies eine Doppelbelastung. Einerseits erschwert der hohe Schuldenstand selbst die Budgetplanung – und andererseits führen höhere Zinsen dazu, dass sich die Neuverschuldung immer teurer gestaltet. Hinzu kommt, dass die sogenannte Maturity Wall, also die große Menge fälliger Anleihen, die refinanziert werden müssen, weiterhin auf Donald Trumps Regierung zurollt.
Alleine im Jahr 2025 werden Treasuries im Wert von rund 9,2 Billionen US-Dollar fällig – das entspricht rund einem Drittel des Gesamtmarktes. Dabei ist die Luft bereits jetzt dünn – seit 2024 übersteigen die Zinszahlungen des Weißen Hauses die jährlichen Verteidigungsausgaben. Im laufenden Jahr sind sie nach den Sozialausgaben sogar die zweitgrößte Ausgabenposition der USA. Investoren werden daher mit größtem Interesse die Nachfrage nach den US-Treasuries bei Ausgabe, den sogenannten Auctions, verfolgen.
Mar-al-Lago Akkord: mehr als ein KonzeptUm den wachsenden Finanzierungsbedarf seines Landes, den auch das umstrittene DOGE-Ministerium bisher nicht zügeln konnte, decken zu können, belebt Donald Trumps Kabinett zudem vermehrt unkonventionelle Konzepte wieder. Die Idee der Emission besonders langlaufender Century Bonds ist nicht neu, dafür aber durch Äußerungen durch Stephen Miran, einem der wichtigsten ökonomischen Berater Trumps, erneut ins Zentrum der öffentlichen Debatte geraten. Der Vorschlag ist zudem Bestandteil noch kühnerer Pläne zur nachhaltigen Abwertung des US-Dollars, die besonders eine kleine Gruppe von US-Ökonomen propagieren.
Die Befürworter solcher Maßnahmen argumentieren, dass Anleihen mit extrem langer Laufzeit bei gleichzeitig geringen Zinsen besonders bei anderen Zentralbanken als langfristige Sicherheiten platziert werden und damit die Zinslast der US-Regierung deutlich senken könnten. Zudem würde der Nachfrageeffekt aus der Senkung des Zinsniveaus den US-Dollar schwächen und damit helfen, das Außenhandelsdefizit, das Trump ohnehin ein Dorn im Auge ist, zu senken. Viele Experten und Kritiker hingegen sehen die Pläne kritisch. Insbesondere die Implikation, dass die USA ihre globale Vorreiterrolle als Druckmittel nutzen könnte, wirkt befremdlich.
US-Geldpolitik bleibt abwartendAus Sicht der US-Notenbank, deren Mandat neben Preisstabilität auch das der Vollbeschäftigung umfasst, ist die Lage alles andere als einfach. Zwar präsentieren sich die aktuellen Arbeitsmarktdaten noch zu robust, um einen spürbaren Wirtschaftsabschwung befürchten zu lassen. Dagegen erwarten die meisten Haushalte einen deutlichen Preisauftrieb und könnten daher ihre Konsumpläne vorgezogen haben. Mit einer kontinuierlichen Fortsetzung der geldpolitischen Lockerung durch die US-Notenbank Fed ist deswegen – anders als in Europa – kurzfristig kaum zu rechnen.
Wenig Spielraum für adverse EntwicklungenDie gegenwärtige Euphorie bei den Aktien steht also in einem deutlichen Kontrast zu den Signalen der Anleihe- und Währungsmärkte. Jedoch ist das Fundament, auf dem der langjährige Rekordlauf der US-Aktien ruhte, gefährdet. Dazu zählen neben Steuererleichterungen vor allem die wertsteigernde Globalisierung, die zunehmend dem Protektionismus weichen muss, wie auch die rückläufigen Zinsen, die sich zuvor in höheren Eigenkapitalrenditen niederschlugen.
Selbst in einem vereinfachten Dividend-Discount-Modell, bei dem zur Bestimmung des fairen Aktienkurses eines Unternehmens dessen geschätzte zukünftige Gewinne über einen Abzinsungsfaktor verbarwertet werden, wirken sich höhere Zinsen negativ aus. Dazu kommen die gestiegenen Refinanzierungskosten der Firmen sowie eine politisch bedingte Konsum- und Investitionsunsicherheit.
Dagegen stehen Produktivitätssteigerungen durch die rasante Entwicklung bei der Künstlichen Intelligenz wie auch die technologische Dominanz und Innovationsstärke der USA. Die derzeitigen Bewertungen der Unternehmen lassen jedoch wenig Spielraum für adverse Entwicklungen und bauen stark auf den sogenannten Trump-Put, der bei Gefahr die Kapitalmärkte besänftigen soll. Aus Anlegersicht lohnt daher ein Blick auf die Anleihemärkte und ein ausgewogenes Portfolio.
Über den Autor:
Michael Hünseler ist seit Dezember 2023 Investmentchef (CIO) und Mitglied der Geschäftsführung der LBBW Asset Management. Seine Aufgaben umfassen die Verantwortung für fundamentales Portfoliomanagement, systematische Anlagestrategien, Portfoliomanagement Alternatives und Portfoliomanagement Operations. Vorherige leitende Karrierestationen waren bei der Meag, der Unicredit-Gruppe und bei Deka Investments.
private-banking-magazin