Ein Müesli mit viel Trockenobst – das schmeckt gut. Doch es kann der Leber schaden


Illustration Simon Tanner / NZZ
Leserfrage: Ich esse täglich eine Art Müesli, das sich aus gedünsteten Äpfeln, zwei Datteln, einem Teelöffel Rosinen, zwei getrockneten und eingeweichten Feigen, geschroteten Leinsamen, Chiasamen und Sesam zusammensetzt und mit selbst gezüchtetem Kefir vermischt wird. Von Freunden höre ich, dass dies eine Bombe für meine Leber sei. Ist dem wirklich so? Oder kann ich das weiterhin ohne Bedenken essen? Denn es ist unendlich lecker.
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Auf den ersten Blick sieht das «Müesli» nach einem guten Start in den Tag aus. Apfel, Trockenobst, Samen und Kefir liefern reichlich Ballaststoffe, Mikronährstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe sowie gesunde Öle und Probiotika. «Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass das Müesli mit 550 Kilokalorien und 55 Gramm Fruchtzucker doch nicht ideal ist», sagt Münevver Demir, Leberspezialistin an der Universitätsmedizin Charité in Berlin.
In der Rubrik «Wohl & Sein antwortet» greifen wir Fragen aus der Leserschaft rund um Gesundheit und Ernährung auf. Schreiben Sie uns an [email protected].
Denn: Fruchtzucker, auch bekannt als Fruktose, ist in derart grossen Mengen auf Dauer tatsächlich eine Belastung für die Leber. Fruktose steckt vor allem in Obst, kommt zu gleichen Teilen wie Glukose jedoch auch in Haushaltszucker vor. Fruktose ist darum auch in grossen Mengen in gezuckerten Lebensmitteln sowie Getränken enthalten. Und das ist ein Problem. Denn Fruktose wird vom Darm zur Leber transportiert, wo sie entweder zu Glukose umgewandelt wird oder zu Fettsäuren. Die Fettsäuren lagern sich teils in der Leber ab, teils gelangen sie als Cholesterin ins Blut.
Solange das System nicht überfordert ist, ist das für den Körper kein Problem. «30 Gramm Fruktose pro Tag sind jedoch die Obergrenze», sagt Demir. «Wer mehr Fruktose aufnimmt, riskiert, dass die Leber verfettet.» Zudem steigt dann der Cholesterinspiegel im Blut, was den Gefässen zusetzt. Und neuere Studien zeigen, dass bei einem Übermass an Fruktose ein Teil davon im Dickdarm ankommt, was das Mikrobiom und die Darmwand schädigt. Denn dadurch werden unter anderem Strukturen zwischen den Darmzellen angegriffen, die die Durchlässigkeit des Darms steuern.
Ist die Leber verfettet, steigt mit ständigem Fruktose-Nachschub die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich entzündet. Auch kommt es bei den Betroffenen häufiger zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Laut der Deutschen Leberstiftung leidet rund jeder vierte Bundesbürger ab vierzig Jahren unter einer sogenannten stoffwechselstörungsbedingten Fettleber, im medizinischen Fachjargon abgekürzt als MASLD.
Nicht jedem schaden grössere Mengen an FruktoseMenschen sind jedoch sehr unterschiedlich, was ihre genetische Ausstattung oder auch ihre Enzymfunktionen und das Mikrobiom betrifft. «Auch der gesamte Lebensstil spielt eine Rolle», so die Berliner Wissenschafterin. «Für eine junge, gesunde und sportliche Person ist Trockenobst in diesen Mengen vermutlich weniger bedenklich, wer allerdings bereits übergewichtig ist oder an einem Diabetes leidet und sich wenig bewegt, der tut seinem Stoffwechsel mit dem Müesli keinen Gefallen.»
Zudem kommt es darauf an, wie die Ernährungsgewohnheiten über das Frühstück hinaus aussehen. Vermutlich addieren sich zu den 55 Gramm Fruktose über den Tag noch einige Gramm mehr. Normalerweise entsteht eine MASLD, weil zu viel Fruktose in Form von Softdrinks oder Fruchtsäften aufgenommen wird und die Ernährung insgesamt zu viele Kalorien liefert.
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Demir betont: «Obst ist überaus gesund, und wer täglich die empfohlenen zwei Portionen frisches Obst isst, der hat sogar eher ein geringeres Risiko für eine MASLD.» Obstkonsum wird auch in der europäischen Leitlinie für stoffwechselbedingte Lebererkrankungen als Bestandteil einer gesunden Ernährung bei bereits bestehender Fettleber genannt. Wie kann das sein?
In frischem Obst kommt prozentual weniger Fruktose vor, da es mehr Wasser enthält. Dadurch macht es übrigens auch schneller satt. Zudem liefert Frischware im Vergleich zu Trockenobst mehr Vitamin C, das schädliche Effekte der Fruktose abpuffert. Vitamin C ist nämlich ein Antioxidans. Es kann schädliche Sauerstoffradikale neutralisieren. Diese entstehen beim Abbau der Fruktose in der Leber und begünstigen letztlich die Produktion von Fetten. In Maus-Studien konnte man zeigen, dass bei einer fruktosereichen Diät wesentlich weniger Fette in der Leber eingelagert wurden, wenn die Mäuse sehr hohe Vitamin-C-Dosen bekamen.
Demir, die kürzlich ein Buch zur Therapie der Fettleber veröffentlicht hat, empfiehlt deshalb eine Alternative zur Trockenobst-Variante: «Frischer Apfel mit Schale, plus eine Handvoll Beeren und Nüsse; dazu Samen und Kefir, wie sie im Rezept angegeben sind. So liefert das Ganze nur 25 Gramm Fruktose und schmeckt sicher auch sehr gut.»
nzz.ch