Wissenschaft unter Donald Trump: Forscher verlassen die USA

„Sie können mich ruhig zitieren“, stellt Katrina Jackson direkt zu Beginn des Gesprächs klar. Die junge Frau mit den blonden, lockigen Haaren richtet ihren Laptop, damit die Kamera sie besser im Bild hat. „Ich habe keine Angst, mich zu äußern. Mehr als meinen Job verlieren kann ich nicht – und den habe ich ja schon verloren.“ Sie lacht. Mehr aus Ironie als aus Freude; denn eigentlich ist ihr gar nicht zum Lachen zumute.
Schon kurz nach seiner Amtseinführung hatte US-Präsident Trump Einsparungen im Staatshaushalt in Milliardenhöhe angekündigt. Dafür hatte er extra ein neues Gremium geschaffen: DOGE, das Department of Government Efficiency. Es solle die „Effizienz und Produktivität der Regierung maximieren“, hieß es in der Executive Order, die Trump gleich am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit unterzeichnete.
Der Chef der neu gegründeten Kommission sollte Elon Musk werden. Der wohlhabendste Mann der Welt und mehrfacher Firmenchef – unter anderem vom Autohersteller Tesla und der Raumfahrtfirma SpaceX. Sein Versprechen war gewaltig: Ein Drittel der jährlichen Staatsausgaben wollte er einsparen, also rund zwei Billionen US-Dollar. Später ruderte er zurück und sprach nur noch von einer Billion US-Dollar.

Von US-Präsident Donald Trump (r.) persönlich zum Regierungssparer auserwählt: Elon Musk.
Quelle: Alex Brandon/AP/dpa
In einem Gastbeitrag des Wall Street Journals skizzierte Musk zusammen mit dem Geschäftsmann Vivek Ramaswamy seinen Plan: Um die Ausgaben zu reduzieren, sei ein massiver Stellenabbau „in der gesamten Bundesbürokratie“ notwendig. Subventionen würden gestrichen, Regulierungen aufgehoben, öffentliche Ausgaben genau unter die Lupe genommen.
Der radikale Wandel folgte prompt. Mithilfe von DOGE wurden mehrere Behörden geschlossen, Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Zwar konnte Musk sein Billionen-Dollar-Versprechen nicht halten, der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr ist trotzdem deutlich verschlankt. Mehr als 160 Milliarden Dollar will der US-Präsident einsparen. Gestrichen werden sollen Ausgaben, „die eher auf die Finanzierung von Nischen-Nichtregierungsorganisationen und Hochschulen ausgerichtet sind, die sich radikalen Gender- und Klimaideologien verschrieben haben, die im Widerspruch zur amerikanischen Lebensweise stehen“, heißt es im Haushaltsentwurf.
Der Sparkurs trifft vor allem die Bereiche Umwelt, erneuerbare Energien, Bildung und Auslandshilfe. Er trifft Hochschulen und renommierte Universitäten, die Forschungsarbeiten einstellen und Professoren entlassen müssen. Die Universität Harvard führt inzwischen einen juristischen Kampf gegen die Trump-Regierung und hat gegen das Einfrieren der Zuschüsse geklagt. Aber auch Behörden wie die NIH, die US-amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC, die Umweltbehörde EPA oder die Klimabehörde NOAA müssen mit weniger Geld auskommen.
Die USA sind zum führenden Wissenschaftsstandort geworden. Kein Land der Welt hat zum Beispiel mehr Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger hervorgebracht. Profitiert haben die Vereinigten Staaten immer wieder auch von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – zum Beispiel aus Deutschland. Berühmte Forscher wie der Physiker Albert Einstein und der Politikwissenschaftler Henry Kissinger flohen in den 1930er Jahren in die USA, aus Angst, von den Nationalsozialisten verfolgt zu werden. Auf der anderen Seite des Atlantiks fanden sie viele Forschungsmöglichkeiten, bessere Arbeitsbedingungen und eine Wissenschaftsfreiheit.
Noch heute zehren die USA von einem internationalen Wissenstransfer. Rund die Hälfte aller in den USA ausgebildeten Postdoktoranden wurde laut des National Science Boards im Ausland geboren. Jedes Jahr zieht es zahlreiche internationale Studierende in die Vereinigten Staaten. In den Jahren 2023/24 zählte das Institute of International Education mehr als 1,1 Millionen Studierende aus mehr als 210 Ländern an US-amerikanischen Hochschulen. An den Colleges und Universitäten wurden knapp 300.000 Studierende aus anderen Ländern unterrichtet. Die meisten internationalen Hochschüler kamen aus Indien, gefolgt von China und Südkorea.
Auch unter deutschen Studierenden sind die USA beliebt, weiß Christian Strowa. Er leitet die Außenstelle des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in New York. Rund 2600 Studierende und Forschende aus Deutschland seien zurzeit mit einem DAAD-Stipendium in den Vereinigten Staaten. Trumps Attacke auf die Wissenschaft habe jedoch für Verunsicherungen gesorgt. „An uns wenden sich teilweise Studierende, die sich fragen, ob sie die USA jetzt noch für Konferenzen und Heimaturlaube verlassen können, wenn sie schon im Land sind“, so Strowa. Andere bangen um ihr Visum, nachdem Trump schärfere Restriktionen beschlossen hat.
Strowa befürchtet, dass es ähnlich wie bei Trumps erster Amtszeit ablaufen wird: Damals sei die Zahl der internationalen Studierenden, die in die USA kamen, um etwa elf Prozent zurückgegangen. „Wenn jetzt weniger internationale Studierende und Forschende in die USA kommen, was ich durchaus für realistisch halte, wird das mittelfristig zum Problem, denn dann fehlen diese transatlantischen Brückenbauer“, warnt er.
Jack Castelli ist 2020 aus Kanada in die USA gekommen, um dort zu studieren. Wie es mit seiner Forscherkarriere weitergeht, ist noch unklar - auch wegen der Frage nach dem Visum.
In den USA, die einst für Forschungsfreiheit standen, dominiert unter Trump eine Forscherfeindlichkeit. Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind in den vergangenen Wochen unter dem Motto „Stand up for Science“ (auf Deutsch: „Eintreten für die Wissenschaft“) auf die Straße gegangen, um gegen die Sparpolitik der Regierung zu demonstrieren. Slogans wie „Science makes America great again“ („Wissenschaft macht Amerika wieder großartig“), „Fight for Science“ („Kämpft für die Wissenschaft“) oder „Science = Progress“ („Wissenschaft = Fortschritt“) waren auf den Schildern der Protestierenden zu lesen.
Der Unmut und das Unverständnis sind groß. Trumps Sparkurs sei „ein Fehler“, meint Meeresforscher Dejean. „Ich denke, dass dies die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft unterminieren wird und wir als Ort für Wissenschaftler, die hierherkommen und Karriere machen wollen, an Attraktivität verlieren werden.“ Die Vereinigten Staaten würden ihre Vorreiterrolle als Forschungsland einbüßen, glaubt Castelli. Pilzforscherin Katrina Jackson befürchtet neben einem wirtschaftlichen Schaden auch einen großen Vertrauensverlust. „Selbst, wenn morgen alle sagen würden: ‚Die Wissenschaft ist doch wichtig, wir müssen zur Normalität zurück.‘ Ich denke, es würde immer noch Jahre dauern, bis wir uns davon erholen“, sagt sie.
Inzwischen denken rund 75 Prozent der Forschenden in den Vereinigten Staaten darüber nach, das Land zu verlassen. Das ergab eine Umfrage, die Ende März im Fachmagazin Nature erschienen ist.
Dieser Braindrain, also die Abwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften, hat bereits begonnen. Daten der globalen wissenschaftlichen Jobplattform Nature Careers zeigen: Die Zahl der Bewerbungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf Stellen im Ausland ist zwischen Januar und März dieses Jahres um 32 Prozent gestiegen, verglichen mit dem Vorjahr. Vor allem ein Kontinent könnte von dem Braindrain profitieren: Europa.
„Safe Place For Science“ – also ein „sicherer Platz für die Wissenschaft“, so heißt die Initiative der Universität Aix-Marseille. „Dieses Programm ist unsere Antwort auf die Notlage vieler amerikanischer Forschender, die entlassen oder in ihrer Forschung behindert werden“, erklärt die französische Universität auf RND-Anfrage. „Wir wollen ihnen im Namen des Europas des Wissens ein Hoffnungsschimmer sein und zeigen, dass Wissenschaft nicht zensiert werden kann.“

US-Präsident Donald Trump treibt den Tiefseebergbau voran. Mit einem neuen Dekret ermöglicht er Firmen, metallhaltige Manganknollen in internationalen Gewässern abzubauen – ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Warnungen.
Das Angebot kommt an: Etwa 300 Forscherinnen und Forscher hätten sich für das Programm beworben. Darunter unter anderem Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Klimaforscher, Astrophysiker und Mathematiker. Aufgenommen werden am Ende nur 15 bis 20 Bewerberinnen und Bewerber. 15 Millionen Euro will die Universität für das Programm aufbringen, von dem sie sich einen nachhaltigen Erfolg erhofft. „Unser Programm erstreckt sich über drei Jahre, und wir hoffen natürlich, den rekrutierten Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten zu können, nach diesem Zyklus zu bleiben.“
Auch Deutschland versucht, seinen Nutzen aus dem Braindrain zu ziehen. „Angesichts der zunehmend schwierigen Situation in den USA schauen wir uns derzeit natürlich intensiv um“, sagte etwa Thomas Hofmann, Präsident der Technischen Universität München (TUM). „Wir konzentrieren uns auf die absolute Weltspitze in strategisch wichtigen Fachbereichen, die exzellent zur TUM passen würden.“ SPD und Union haben zudem jüngst in ihrem Koalitionsvertrag ein 1000-Köpfe-Programm verabredet, mit dem „internationale Talente“ gewonnen werden sollen.
Ein Magnet für Forscherinnen und Forscher soll Europa werden, wünscht sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. In einer Rede an der Pariser Universität Sorbonne Anfang Mai kündigte sie ein 500-Millionen-Euro-Paket für die Jahre 2025 bis 2027 an, um gezielt internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Europa zu locken.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will internationale Forscherinnen und Forscher nach Europa locken.
Quelle: Jeanne Accorsini/Pool/Bestimage
„Diejenigen, die sich für Europa entscheiden, erhalten höhere Vergütungen und längere Verträge“, versprach von der Leyen. Zudem sollen Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher eine Finanzhilfe mit einer Laufzeit von sieben Jahren bekommen. Das Verfahren für die Einreise und den Aufenthalt in Europa will die Politikerin beschleunigen und Möglichkeiten schaffen, damit wissenschaftliche Ergebnisse einfacher vermarktet werden können.
US-amerikanische Forscherinnen und Forscher gezielt abzuwerben, lehnt der Deutsche Akademische Austauschdienst hingegen ab. „Von einer Schwächung des wichtigsten Wissenschaftsstandortes der Welt, den USA, würde niemand profitieren“, macht Strowa deutlich. „Stattdessen sollten wir Wissenschaftskooperationen stärken, die transatlantischen Beziehungen festigen, und auch signalisieren, dass wir an dauerhaften Partnerschaften interessiert sind.“
Katrina Jackson, David Die Dejean und Jack Castelli gehören zu den Forschenden, die überlegen, die USA zu verlassen. Dejean könnte sich zum Beispiel vorstellen, nach Europa zu ziehen. „Ich denke, Europa bietet sicherlich viel mehr Freiräume. Das Umfeld für die Wissenschaft ist viel freier“, sagt er. Der Meeresforscher hat sich zusätzlich für eine Stelle in Australien beworben.
Molekularmediziner Castelli sucht erst einmal weiter nach einer Postdoktorandenstelle in den USA. „Ich werde hier so lange arbeiten, wie ich kann“, sagt er. Doch von Tag zu Tag werde es wahrscheinlicher, dass er das Land verlassen wird. Er zieht in Betracht, entweder in seine Heimat Kanada zurückzukehren oder seine Forschung in China oder Europa fortzusetzen.
Pilzforscherin Jackson denkt derweil darüber nach, eine Postdoktorandenstelle in Europa oder Kanada anzunehmen – auch wenn es das Ende ihrer Coccidiodes-Forschung bedeuten würde. Denn weder in Europa noch in Kanada ist der Erreger verbreitet. „Ich muss dann etwas Neues finden, noch einmal neu anfangen“, sagt sie. „Es fühlt sich so entmutigend an, wenn ich darüber nachdenke. Das ist nichts, was ich tun möchte – aber vielleicht wird mir nichts anderes übrig bleiben.“
rnd