Mehr als 390.000 Kinder in Kolumbien leiden an chronischer Unterernährung, warnen Experten.

Chronische Unterernährung behindert nicht nur die körperliche Entwicklung eines Kindes, sondern beeinträchtigt auch seine geistigen Fähigkeiten und hält den Teufelskreis der Armut über Generationen hinweg aufrecht.
Mit dieser Warnung begann das von EL TIEMPO organisierte Forum „Ernährung auf dem Tisch“. Dieses Forum brachte nationale und internationale Experten, Akteure des privaten Sektors, Führungskräfte sozialer Organisationen und Vertreter multilateraler Organisationen zusammen, um die Ursachen des Hungers im Land und mögliche Lösungen zu diskutieren.
Juan Carlos Buitrago, Geschäftsführer von ABACO (Verband der kolumbianischen Lebensmittelbanken), betonte: „Ein Kind mit chronischer Unterernährung wird weitere Kinder mit der gleichen Krankheit haben, und die Kinder ihrer Kinder werden ebenfalls daran erkranken. Wenn wir ihn jetzt nicht durchbrechen, wird sich dieser endlose Kreislauf fortsetzen“, sagte er bei der Eröffnung des Forums.
Den während des Forums veröffentlichten Zahlen zufolge leiden in Kolumbien fast 390.000 Kinder an chronischer Unterernährung.

Hier im Bild: Juan Carlos Buitrago, Geschäftsführer von ABACO. Foto: Andrea Moreno / CEET.
Während des Eröffnungsvortrags, der von Andrés Mompotes, dem Direktor von EL TIEMPO, moderiert wurde, erklärte Buitrago, dass in Kolumbien fast 34 % der produzierten Lebensmittel verschwendet werden; das heißt, ein Drittel der Lebensmittel landet im Müll, während 1,4 Millionen Menschen für ihren Lebensunterhalt auf Lebensmittelbanken angewiesen sind.
Er warnte auch davor, dass das Land immer noch beschlagnahmte Lebensmittel verbrenne, da es keine klaren Regelungen für deren Spenden gebe. Allein die DIAN vernichte jährlich rund 5.000 Tonnen Lebensmittel, erklärte Buitrago.
Der Senat verabschiedete jedoch kürzlich ein Gesetz (Gesetz Nr. 168 von 2023), das Kolumbien verpflichtet, seine Lebensmittelsicherheitspolitik alle fünf Jahre zu aktualisieren und die Spende abgelaufener Lebensmittel zu ermöglichen, sofern deren Sicherheit gewährleistet ist. „Es ist inakzeptabel, dass ein hungriges Land Lebensmittel verbrennt. Das ist inakzeptabel“, betonte er.
Panel 1: Die Zukunft ernähren Unter der Moderation von Laura García, Redakteurin für Justiz bei EL TIEMPO, befasste sich das erste Panel mit den Ursachen der Unterernährung von Kindern und der Notwendigkeit, einen gleichberechtigten Zugang zu Nahrungsmitteln ab den ersten 1.000 Lebenstagen sicherzustellen.
Carolina Escallón vom WWF Kolumbien warnte: „Die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, stellt heute die größte Bedrohung für die Artenvielfalt dar, was wiederum die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln beeinträchtigt.“ Sie wies darauf hin, dass extreme Wetterereignisse wie Dürren oder starke Regenfälle die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere bei Kleinbauern, beeinträchtigen.
Andrea Moreno vom Global FoodBanking Network fügte hinzu, dass Lateinamerika und die Karibik weltweit den höchsten Preis für eine gesunde Ernährung zahlen: 4,80 Dollar pro Person und Tag, verglichen mit einem weltweiten Durchschnitt von 3,80 Dollar. Diese Zahl zwingt Millionen Menschen dazu, sich zwischen billigen und ungesunden Lebensmitteln oder gar keiner Nahrung zu entscheiden. „Wir lassen die schwächsten Kinder außen vor“, warnte sie.

Von links nach rechts: Laura García, Carolina Escallón, Juan Dueñas, Paula Moreno und Nils Grede. Foto: Sergio Cárdenas / CEET.
Aus dem privaten Sektor berichtete Juan Camilo Dueñas von Jerónimo Martins – der Gruppe, die Tiendas ARA betreibt –, dass sein Unternehmen dank logistischer Effizienz und nachhaltiger Praktiken wie effizienter Kühlung die Preise senken konnte. Er hob außerdem die Partnerschaft mit ABACO hervor, die täglich über 4.000 Frühstücke an Kinder in Not liefert.
Nils Grede, Direktor des Welternährungsprogramms (WFP) in Kolumbien, präsentierte virtuell eine Analyse zum tatsächlichen Zugang zu einer nahrhaften Ernährung im Land. Seine Studie ergab, dass 41 % der kolumbianischen Familien nicht über ausreichend Einkommen verfügen, um sich eine nahrhafte Ernährung zu leisten. In Departements wie Vaupés (76 %), Chocó (66 %) und La Guajira (58 %) ist die Situation noch kritischer.
Er hob auch eine wenig bekannte Tatsache hervor: Familien, die vom jüngsten bewaffneten Konflikt betroffen sind, leiden unter fast doppelt so hoher Ernährungsunsicherheit wie der Landesdurchschnitt. Dies verdeutlicht, wie Konflikte, strukturelle Armut und Unterernährung zusammenhängen. „Konflikte erzeugen Hunger, und Hunger verewigt Konflikte“, fasste Grede zusammen.
In der zweiten Runde des Panels wurde die Bedeutung der Entwicklung einer territorialen und kulturellen Politik diskutiert. Escallón betonte die Notwendigkeit, die biologische Vielfalt und lokale Ernährungspraktiken zu respektieren und warnte davor, dass standardisierte Lösungen neue Probleme schaffen könnten. „Es geht nicht nur um die Bereitstellung von Lebensmitteln, sondern auch um die Unterstützung nachhaltiger und umweltfreundlicher Lebensgrundlagen“, betonte er.
Moreno betonte seinerseits die Bemühungen um virtuelle Lebensmittelbanken. Diese ermöglichen es, dass kleine Spenden die Gemeinden in der Nähe des Spenders erreichen, wodurch Abfall reduziert und die Logistik optimiert wird. In der Nähe ländlicher Gemeinden wurden außerdem Sammelstellen eingerichtet, um einen effizienten Zugang zu geretteten Lebensmitteln aus ländlichen Gebieten zu gewährleisten.
Erwähnt wurde das kolumbianische ReAgro-Programm, ein Pionier in der Rückgewinnung landwirtschaftlicher Überschüsse. Im Jahr 2024 gelang es ihm, mehr als 10.400 Tonnen Obst und Gemüse direkt von den Feldern zu bergen und an in Armut lebende Gemeinden zu verteilen.
II. Panel: Multisektorale Zusammenarbeit Im zweiten Panel des Forums wurde erörtert, wie durch die Zusammenarbeit zwischen Staat, Privatwirtschaft, Wissenschaft, sozialen Organisationen und Technologieplattformen wirksame und dauerhafte Lösungen für die Nahrungsmittelkrise in Kolumbien geschaffen werden können.
Moderiert von Aura Saavedra, Herausgeberin von Digital and Premium Content, bestand das Panel aus Andrés Escobar (Tiendas ÍSIMO), Piedad Roldán (Universidad CES), Erika Rodríguez (The Consumer Goods Forum), María Adelaida Pérez (Grupo BIOS) und Isis Espitia (EatCloud).
Ein zentrales Thema war, wie Technologie die Lebensmittelverteilung verändert. Isis Espitia erklärte, dass EatCloud die Echtzeit-Rückholung von Produkten aus Lagern wie ÍSIMO ermöglicht. So lässt sich leichter verhindern, dass noch genießbare Lebensmittel im Müll landen.
Von der Partnerschaft mit der Initiative „Medellín Hambre Cero“ profitierten Tausende Menschen. Dies zeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Privatunternehmen, lokaler Regierung und Zivilgesellschaft zu Ergebnissen führen kann.
Aus dem Agrarsektor hob María Adelaida Pérez die Rolle der BIOS-Gruppe als größter Spender von tierischem Eiweiß an Lebensmittelbanken hervor und verwies auf den Widerspruch zwischen den jährlich über neun Millionen Tonnen verschwendeter Lebensmittel in Kolumbien und dem nationalen Bedarf an elf Millionen Tonnen Getreide. Ihrer Ansicht nach liegt das Problem nicht in der Knappheit, sondern vielmehr in der Ungleichheit und der mangelnden Vernetzung der Sektoren.
Erika Rodríguez betonte ihrerseits das Potenzial von Tools wie Blockchain, Temperatursensoren und maschinellem Lernen zur Reduzierung von Verlusten und zur Vorhersage der Nachfrage und forderte gleichzeitig eine klare Governance innerhalb von Allianzen, um deren Nachhaltigkeit über die individuelle Führung hinaus sicherzustellen.
Im letzten Teil des Forums wurde bekräftigt, dass Hunger ein multikausales Phänomen ist, das gemeinsames Handeln von Staat, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft erfordert. Partnerschaften sind dabei der Schlüssel.
„Kolumbien darf nicht weiter überdiagnostizieren. Wir müssen handeln. Das Land hat das Potenzial, in Lateinamerika eine Vorreiterrolle in der Ernährungswissenschaft einzunehmen, wenn wir mutige, evidenzbasierte Entscheidungen treffen“, schloss Juan Dueñas.
Das Forum machte deutlich, dass es keine Patentlösungen gibt, aber praktikable Wege: Nahrungsmittelrettung, logistische Effizienz, Ernährungserziehung, moderne Politik und strukturierte Solidarität. Langfristig muss das Ziel sein, den generationenübergreifenden Armutskreislauf an seiner Wurzel zu durchbrechen: chronische Unterernährung.
Die Botschaft war eindeutig: In einem Land, das Lebensmittel verbrennt, während Millionen hungern, läuft etwas schief. Gleichzeitig zeigte sie aber auch, dass es Mittel, Wissen und den Willen gibt, diese Situation zu ändern.
eltiempo