Italien klammert sich an die Helden der WM 2006

Sie klammert sich an den Titel von 2006, um die WM nicht wieder vom Sofa aus verfolgen zu müssen. In ihrer dunkelsten Stunde, kurz davor, das wichtigste Turnier zum dritten Mal in Folge zu verpassen, setzt die italienische Nationalmannschaft auf die Helden Deutschlands. Die Wahl von Gennaro Gattuso als Trainer nach der Entlassung von Luciano Spalletti kommt nicht allein: Um den ehemaligen Mittelfeldspieler von Milan und Juve hat der Verband eine Gruppe ehemaliger Mitspieler und Weltmeister versammelt, bestehend aus Gianluigi Buffon, Simone Perrotta und Gianluca Zambrotta. Hinzu kommen zwei Schlüsselfiguren: Leonardo Bonucci, der seine aktive Spielerkarriere beendet hat, und Cesare Prandelli, ehemaliger Trainer in weniger ruhmreichen Zeiten wie der WM in Brasilien. Fehlt der langjährige Trainer Marcello Lippi, der seinen ehemaligen Spieler anrief, um ihm zu gratulieren und hinzufügte: „Jetzt bist du dran, es zu essen ...“

Es ist kein Zufall, dass Buffon Gattusos Verpflichtung persönlich verkündete und dabei einen Blick in die Vergangenheit warf: „Willkommen zurück, Rino! Wir haben unvergessliche Momente und tausend Kämpfe auf dem Platz erlebt, mit Stolz und einem Opfergeist, der uns 2006 an die Weltspitze geführt hat“, sagte der ehemalige Torhüter. Da Verbandspräsident Gabriele Gravina durch die jüngsten Misserfolge besonders geschwächt war, übernahm der ehemalige Torhüter von Juve und Paris Saint-Germain die Verantwortung für die Entscheidung und erklärte sogar: „Wenn die Entscheidung nicht richtig war, trete ich zurück...“ Damit erinnerte er an die Rücktritte, die halb Italien von Gravina nach dem Desaster bei der Europameisterschaft und der verpassten Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Katar verlangt hatte.

Perrotta, Zambrotta, Bonucci und Prandelli werden ebenfalls Teil des neuen „Azzurri“-Teams sein.

Während der Pressekonferenz wirkte Gattuso vorsichtiger als sonst und versuchte, seinem Spitznamen „Ringhio“ (italienisch für „Knirps“) zu entgehen. Der ehemalige Valencia- Trainer weiß, dass die Lage heikel ist: Er muss die Stimmung einer Mannschaft heben, die unmotiviert, antriebslos und des mangelnden Talents bezichtigt ist. In letzter Zeit hatten sich viele Spieler geweigert, das Azzurri- Trikot zu tragen, vielleicht wegen anfänglicher „leichter Wehwehchen“, wie Spalletti sie nannte. Es war ein Zeichen dafür, dass die Nationalmannschaft keine Priorität mehr hatte. Gattusos Diagnose ist eindeutig: „Die Einberufenen bleiben bei kleineren Problemen in Coverciano (dem Verbandssitz in der Nähe von Florenz).“

Wie wird Gattusos Italien spielen? Viele in der Nationalmannschaft glauben, dass sein raues Image und die Erinnerung an den Mittelfeldspieler, der seinen Gegnern ohne viel Fingerspitzengefühl in die Knöchel zwickte, zu Fehlern führen könnten. „Eine Vierer- oder Dreierkette? Das System ist nicht wichtig“, sagte er. Buffon erinnert sich an ein Zitat von Luis Enrique aus dem Jahr 2022: „Welche Mannschaft sehe ich am liebsten? Gattusos Valencia. Er kommt aus dem italienischen Fußball , und man könnte ihn für einen Defensivtrainer halten. Ganz im Gegenteil. Er hat die Mentalität seiner Spieler verändert. Er hat Mechanismen, um den Ball nach vorne zu bringen und von hinten anzugreifen. Sie können den Raum mit Leichtigkeit erobern.“ Ringhio steht vor einer undankbaren Aufgabe, aber er bewältigt sie nicht allein.