Gartenschnecken zur Bedrohung erklärt: Gift überwiegt Nutzen

Wissenschaftler sind zu dem Schluss gekommen, dass mittlerweile nicht nur Schlangen- und Spinnenbisse als giftig gelten, sondern auch die chemischen Substanzen, die von Nacktschnecken, Schnecken sowie einer Reihe von Insekten und sogar Pflanzen abgesondert werden.
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Bisher wurde Gift mit den gefährlichen Bissen und Stichen von Raubtieren wie Schlangen, Skorpionen und Spinnen in Verbindung gebracht. Forscher des Natural History Museum in London argumentieren jedoch, dass jedes innere Sekret, das ein Organismus verwendet, um physiologische Veränderungen bei einem anderen hervorzurufen, als Gift gelten kann. Dazu gehören Speichel, Sekrete, giftige Sekrete und sogar Chemikalien, mit denen Insekten ihre Partner manipulieren oder die Abwehrkräfte anderer Organismen schwächen.
Dieses Umdenken bedeutet, dass nun Zehntausende Arten, die bislang nicht als giftig galten, in die Liste aufgenommen werden können. So werden beispielsweise Gartenschnecken, die ihre Partner mit Giftstoffen angreifen, und Insekten wie Zikaden, Blattläuse und Schildläuse, die beim Saugen von Pflanzensaft giftige Substanzen freisetzen, nun einer erweiterten „Familie“ giftiger Organismen zugerechnet.
Laut dem Forscher Ronald Jenner dienen all diese Substanzen demselben Zweck: den Körper eines anderen Organismus gegen dessen Interessen zu manipulieren. Er erklärt: „Gift ist nicht nur eine Waffe für Angriff oder Verteidigung, sondern auch ein Mittel, um evolutionäre Ziele zu erreichen, wie etwa die Kontrolle über Partner oder die Schwächung von Konkurrenten.“
Schnecken und Nacktschnecken beispielsweise setzen beim Sex „Sekrete“ ein. Einige Schneckenarten schießen mit bioaktiven Molekülen beschichtete Liebespfeile ab, die ihnen helfen, das Verhalten ihrer Partner zu manipulieren und so ihre Chancen auf eine erfolgreiche Paarung zu erhöhen. Ähnlich scheiden männliche Schmeißfliegen ein Sekret aus, das die Weibchen an einer erneuten Paarung hindert und so ihre Fortpflanzungschancen erhöht.
„Diese Substanzen, die in den Körper des Partners gelangen, erfüllen die Definition eines Giftes, da sie physiologische Veränderungen verursachen, die für den ‚Manipulator‘ von Vorteil und für den Empfänger schädlich sind“, erklärt der Wissenschaftler.
Interessanterweise stellten die Forscher fest, dass sich viele der zur Manipulation eingesetzten Chemikalien ursprünglich bei Pflanzen und Insekten als Abwehr- oder Konkurrenzmittel entwickelten. Beispielsweise scheiden Wanzen, Blattläuse und Schildläuse giftige Sekrete aus, um die Abwehrkräfte von Pflanzen oder Konkurrenten zu schwächen. Diese Substanzen wurden anschließend für den Einsatz im Körper angepasst, was unser Verständnis der Rolle von Giften in der Natur erweitert.
Wissenschaftler stellen außerdem fest, dass viele Insektenarten wie Bienen, Wespen und Ameisen giftige Sekrete verwenden, um Kolonien zu verteidigen und Feinde anzugreifen. Eine wichtige Entdeckung war, dass diese Gifte nicht nur Waffen sind, sondern auch Teil komplexer evolutionärer Strategien zum Überleben und zur Fortpflanzung.
Ronald Jenner betont, dass dieser Konzeptwechsel uns helfen wird, besser zu verstehen, wie Organismen Chemikalien nutzen, um miteinander zu interagieren und um Ressourcen und Fortpflanzungsvorteile zu konkurrieren. Dies könne künftig zur Entwicklung neuer Medikamente auf Basis natürlicher Gifte sowie effektiverer Strategien zur Schädlings- und Krankheitsbekämpfung führen, so Jenner.
mk.ru