Rechte bei Behandlungsfehlern: Was Patienten wissen müssen

Ärztinnen und Ärzte sind Menschen. Sie machen Fehler. Schlimm werden die Fehler vor allem dann, wenn sie zulasten der Patientinnen und Patienten gehen. Wenn Ärzte Krankheiten diagnostizieren, obwohl der Patient eigentlich gesund ist. Wenn sie Erkrankungen nicht erkennen – oder zu spät. Oder wenn sie Symptome falsch interpretieren.
Patientinnen und Patienten sind in diesen Momenten nicht machtlos. Sie können rechtliche, aber nicht immer einfache Schritte gehen.

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Zunächst einmal gilt es zu klären: War nur die Diagnose falsch oder auch der Weg dorthin? Hat der Arzt oder die Ärztin alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt, die Befunde aber missinterpretiert, liegt ein Diagnosefehler vor. Von einem Befunderhebungsfehler ist hingegen dann die Rede, wenn der Arzt oder die Ärztin die Befunde erst gar nicht erhoben, Untersuchungen also unterlassen hat.
Diese Unterscheidung ist deshalb relevant, weil sich Befunderhebungsfehler oft einfacher nachweisen lassen. Denn für einen Arzthaftungsprozess gilt das Gleiche wie für andere Zivilprozesse: „Jede Partei hat die für sie günstigen Umstände zu beweisen“, sagt Martin Stellpflug, Fachanwalt für Medizin- und für Sozialrecht aus Berlin.
Das heißt: Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler, muss er Beweise dafür vorlegen. Und zwar muss er nicht nur den Behandlungsfehler nachweisen, sondern auch den entstandenen gesundheitlichen Schaden. Und er muss beweisen können, dass der Fehler ursächlich für den Schaden ist.
Diese Beweise zu erbringen, ist schwierig, weiß Stellpflug. Schließlich gebe es zwischen Arzt und Patient eine „fehlende Waffengleichheit“. Ärztinnen und Ärzte haben ein größeres medizinisches Wissen und einen größeren Erfahrungsschatz. Zudem ist der menschliche Körper komplex. Selbst Ärztinnen und Ärzte tun sich teils schwer damit, Symptome auf bestimmte Auslöser zurückzuführen.
In bestimmten Fällen kann der Patientin oder dem Patienten der Beweis eines Behandlungsfehlers oder eines dadurch verursachten Schadens erleichtert werden. Zum Beispiel, wenn...
- … ein grober Behandlungsfehler vorliegt. Gemeint ist, wenn ein Arzt oder eine Ärztin gegen eindeutige medizinische, gesicherte Regeln und Standards verstößt und einen Fehler macht, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich ist und gesundheitsgefährdend sein kann. Bei einem groben Behandlungsfehler komme es zu einer Beweislastumkehr, erklärt Stellpflug. „Dann muss der Arzt beweisen, dass der Fehler nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden war.“
- … die wirksame Einwilligung der Patientin oder des Patienten fehlt. Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist zum Beispiel eine ausreichende Aufklärung der Patienten. „Wenn eine Behandlung durchgeführt wird ohne wirksame Einwilligung des Patienten, ist das immer eine Körperverletzung“, so der Medizinrechtler. Auch in diesem Fall kommt es zur Beweislastumkehr.

Ärztefehler können schlimme Folgen für die Betroffenen haben. Sie vor Gericht zu beweisen, ist aber meist schwierig. Rüdiger Holtbrügge ist es gelungen.
Der AOK-Bundesverband will die Patientenrechte noch mehr stärken und fordert deshalb, die Beweislast zu erleichtern. Um Ansprüche geltend zu machen, soll demnach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent als Beweis für den Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden ausreichen. „Ich glaube nicht, dass das wirklich förderlich ist“, sagt Stellpflug. Den Grad der Gewissheit des Gerichts mit einem bestimmten Prozentsatz zu belegen, sei schwierig, „nahezu unjuristisch“.
Doch wie kommen Patientinnen und Patienten überhaupt an stichfeste Beweise?
Zum Beispiel durch eine ärztliche Zweitmeinung. In Deutschland haben alle Patientinnen und Patienten das Recht, eine unabhängige, zweite Meinung von einem Arzt oder einer Ärztin einzuholen. Auch die Patientenakte kann helfen. Jeder und jede kann seine Akte einsehen und sich so einen Überblick über Behandlungen, hinterlegte Gesundheitsdaten und Befunde verschaffen.
Über das Internetportal „Mehr Patientensicherheit“ (www.mehr-patientensicherheit.de) können Patientinnen und Patienten eigene Erlebnisse und Erfahrungen aus der Gesundheitsversorgung teilen – sowohl positive als auch negative. So wollen die Ersatzkassen und der Verband der Ersatzkassen die Patientensicherheit in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen weiterentwickeln. Die Patientenberichte sind anonymisiert und werden von einem Expertenteam, bestehend aus Ärzten, Pflegekräften und anderen Fachleuten, bewertet. Sie untersuchen, was passiert ist, wie es passiert ist und wie solche Probleme künftig vermieden werden können. Die Ergebnisse dieser Analyse, inklusive Vorschlägen zur Verbesserung, werden verschiedenen Organisationen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen zur Verfügung gestellt, damit sie daraus lernen können.
Zum MeldeformularWer den Verdacht hat, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, sollte zunächst seine Krankenkasse kontaktieren, rät die Verbraucherzentrale. Diese prüft den Verdacht und kann weitere Behandlungsunterlagen und Befunde von Ärzten und Krankenhäusern anfordern. „Bei einem begründeten Verdacht auf einen Behandlungsfehler kann die Krankenkasse den Medizinischen Dienst mit einem Gutachten beauftragen.“
Dieses Gutachten bildet im Fall eines tatsächlich nachweisbaren Behandlungsfehlers die Grundlage für weitere juristische Schritte. Um Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist es sinnvoll, einen Fachanwalt für Medizinrecht einzubeziehen. Die Verbraucherzentrale weist darauf hin: „Ansprüche aus Behandlungsfehlern verjähren nach drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Grundsätzlich ist dabei entscheidend, wann Sie Kenntnis über den Fehler und dessen Verursacher hatten.“
Wer den Gerichtsprozess scheut, kann sich an die Landesärztekammern wenden. Diese haben Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, die Behandlungsfehler nachweisen und Einigungen, etwa mit Vertreterinnen und Vertretern der Haftpflichtversicherung, herbeiführen können. Wen das nicht zufriedenstellt, der kann anschließend immer noch vor Gericht ziehen.
rnd