Erkenntnis vor der TV-Kamera: Das Begehren ist nicht farbenblind

In der Dating-Show wird Liebe zum Wettbewerb. Kandidaten mit dunkler Haut sind mit besonderen Problemen konfrontiert. Davon handelt das Stück «Unfiltered!» am Zürcher Schauspielhaus.

Achtung Etikettenschwindel! Die Dating-Show heisst «Unfiltered!». Aber wer nun denkt, man dürfe vor der Kamera sagen, was einem auf dem Herzen liegt, hat die Rechnung ohne den Überwachungscomputer gemacht. Sobald dieser Abweichungen vom Show-Skript, emotionale Erhitzung oder gar kritische Bemerkung der Kandidatinnen und Kandidaten registriert, unterbricht er die Show.
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«Unfiltered!» lautet aber auch der Titel eines Theaterstücks der ghanaisch-deutschen Autorin und Regisseurin Mable Preach, das diese Show zum Inhalt hat. Am Freitag ist es in der Schiffbau-Matchbox im Rahmen des «Jungen Schauspielhauses» uraufgeführt worden.
Love-Match und Love-MoneyDie Inszenierung lebt zunächst vom persiflierenden Spiel mit dem TV-Format, das von einer strohblonden Moderatorin mit Dauergrinsen (Lena Schwarz) geleitet wird. Sie ruft die Konkurrenz in verschiedenen Episoden auf ein mehrstufiges, rosarotes Podium. Die Show erweist sich als Wettbewerb, der nicht nur ein Liebes-Match in Aussicht stellt, sondern auch eine Siegesprämie – je nachdem, wie viel Kredit die Teilnehmenden auf ihrem «Love-Account» anhäufen können. Es ist dabei das Theaterpublikum, das ihre Auftritte durch Beifallsbekundungen bewerten soll.
Als Erste ist Lizzy (Simisola Oke) an der Reihe. Fünf Ballons sind von der Decke in die Hände von Zuschauern gefallen, unter denen Lizzy einen Partner aussuchen dürfte. Aber die einen scheinen «emotionally unavailable». Anderen wiederum misstraut Lizzy aus einem besonderen Grund: Sie ist schwarz, und sie will sich nicht auf Typen einlassen, die bloss einmal ein Date mit einer Schwarzen haben wollen, sozusagen als kolonialistisches Abenteuer.
Tatsächlich erweist sich die dunkle Hautfarbe nun als Hauptthema von «Unfiltered!». Einen dunklen Teint, der auf afrikanische oder asiatische Vorfahren verweist, haben eben auch die starke und resolute Nenna (Maïmouna Abou Aw) und der etwas vorsichtigere Ferdy (Neftalem Tewelde Tekeste), der vor allem die Liebesprämie abholen will.
Und die drei machen kein Hehl aus ihren Erfahrungen. Lizzy, die «verliebt ist in die Liebe», weil diese doch einen Raum absoluten gegenseitigen Vertrauens schaffen sollte, ist verunsichert durch die «DM» (Direct Messages) die sie von Männern erhält: Du siehst aus wie eine Frau in einem Drake-Video. So werde sie zum Objekt, zum Fetisch.
Nenna glaubt sich auch vom Publikum angestarrt, bewertet, verdinglicht. Seit ihrer Kindheit waren die beiden Kandidatinnen offenbar immer wieder mit Casting-Situationen konfrontiert: Lizzy lebte in Heim, bevor sie sich um eine Pflegefamilie bewerben musste – durch nettes Lächeln. Nenna spricht von ähnlichen Erfahrungen in der Schule.
Schwarze FrauenSchwarze Frauen würden in unserer Gesellschaft immer noch am wenigsten respektiert, finden beide. Gleichwohl wollen sie nicht etwa, dass man ihre Hautfarbe ignoriere, wie ein Kandidat, stolz auf seine Farbenblindheit, weismachen will. Vielmehr fordern sie, «dass die Leute meine Realität nicht ausradieren wie einen Rechtschreibfehler im PDF».
Zum Schluss tritt auch noch ein grossartig überengagierter Bachelor als Juror auf (Mervan Ürkmez), der Empathie mit Lizzy, Nenna und Ferdy simuliert, um sie dann doch als Loser abzufertigen. Zuletzt raufen sich die drei zusammen, um einen Aufstand gegen die Show zu proben, aber da wird diese vom Computer einfach gelöscht. Beim Publikum aber bleibt «Unfiltered!» als aufschlussreiches Stück über Minderheiten in Erinnerung: Es kommt ohne Stereotype von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus, um stattdessen ganz konkrete Erfahrungen auf die Bühne zu bringen.
nzz.ch




