Für TU-Präsidentin Geraldine Rauch ist eine Veranstaltung über islamistische Gewalt rassistisch – nun fordern jüdische und kurdische Vereine ihren Rücktritt

Der jüngste Eklat an der TU Berlin ist bezeichnend für die ideologischen Verirrungen einer vermeintlich progressiven Linken.

Geraldine Rauch will wachsam sein. Wachsam gegenüber allem, was sie für rechts hält. In einer Rede vor neuen Mitarbeitern erklärte die Präsidentin der TU Berlin einmal, ihre Universität positioniere sich «ganz klar gegen rechts». Wer solche Tendenzen bemerke, solle das der Unileitung melden.
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In ihrer Mission hat sich die linke Universitätspräsidentin allerdings wiederholt verrannt. Das «Netzwerk Wissenschaftsfreiheit», das sich gegen ideologisierte Forschung richtet, bezeichnete sie sinngemäss als demokratiefeindlich und AfD-nah. Dies, obwohl sich dort zahlreiche renommierte Wissenschafter und auch Mitarbeiter der TU engagieren.
Präsidentin ruft zur Überwachung aufGleichzeitig fördert Rauch mit ihrer vermeintlichen Wachsamkeit ein Klima, in dem sich Antisemiten und Demokratiefeinde wohlfühlen. Das zeigt der jüngste Eklat um eine Veranstaltung an der TU, in der es um die Gewalt von Islamisten ging. Auf Einladung des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) stellte die jüdisch-kurdische Frauengruppe Pek Koach am 15. Oktober eine Broschüre mit dem Titel «Stimmen gegen Islamismus» vor. Darin geht es um die «Entrechtung der Frau als islamistisches Kernanliegen», die Verfolgung der Assyrer und den «langen Arm des türkischen Rechtsextremismus in Deutschland».
Dass die beschriebenen Probleme real sind, müsste eigentlich jedem aufgeklärten Menschen klar sein. Nicht so Geraldine Rauch. In einer E-Mail an den AStA, welche die «Welt» publik machte, äusserte die Unipräsidentin ihre Besorgnis, die Organisatoren würden «antimuslimische Ressentiments» schüren. Ausserdem rief sie den AStA dazu auf, die Veranstaltung «eng zu monitoren» und «bei islamfeindlichen Äusserungen einzuschreiten». Vorsorglich distanzierte sie sich «klar» von der Veranstaltung.
Kritik an islamistischen Strömungen ist «rechts»Das Weltbild, das die Mathematikerin in diesem Schreiben offenbart, ist an Universitäten weit verbreitet. Kritik an religiösen Fanatikern, die explizite Genozidabsichten gegen Juden, Jesiden und andere Minderheiten hegen, ist in diesem scheinbar progressiven Weltbild rechts und rassistisch. Das gilt offensichtlich selbst für die Kritik an türkischen Rechtsextremisten.
Bezeichnend für diese Haltung ist auch die Tatsache, dass an der TU Berlin Gruppen wie Not In Our Name ungestört von der Universitätsleitung agitieren dürfen, selbst wenn sie Aufrufe teilen, in denen das Massaker des 7. Oktober als «Leuchtfeuer der revolutionären Hoffnung» gefeiert wird. Not In Our Name hat auch gegen die Islamismusveranstaltung der Gruppe Pek Koach mobilgemacht – und damit offensichtlich Gehör gefunden bei Geraldine Rauch.
Rauch selber ist wiederholt mit Bekundungen der Sympathie für islamistische und israelfeindliche Propaganda aufgefallen. Unter anderem likte sie Tweets, die, wie sie später in einer Entschuldigung einräumen musste, «antisemitischen Inhalts oder Ursprungs» waren. Schon damals gab es Kritik und Rücktrittsforderungen, unter anderem aus dem Akademischen Senat. Nach ihrer jüngsten Intervention sieht sich die Präsidentin erneut von allen Seiten mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.
Kurdische Gemeinde fordert ihren RücktrittDie Kurdische Gemeinde Deutschland wirft ihr vor, sie befeuere «Vorurteile gegen bedrohte Minderheiten» und legitimiere «faschistische» islamistische Ideologien. Kurt Kutzler, von 2002 bis 2010 Präsident der TU, fordert Rauch ebenfalls zum Rückzug auf, da sie der Universität «schweren Schaden» zugefügt habe. In der «Welt» wirft ihr der Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland vor, sie gefährde jüdische Studenten und die Wissenschaftsfreiheit. Für die «FAZ» ist die TU Berlin ein «Hort der Gegenaufklärung».
Ob diese Appelle Wirkung zeigen, bleibt offen. Rauch will sich Ende November erneut zur Wahl stellen. Als sie 2022 ihr Amt antrat, wurde sie von der Universität für ihr zupackendes, «unkonventionelles» Wesen gelobt und für ihr «lebendiges Lachen». Sie selber betonte ihren Einsatz für Diversität und den gesellschaftlichem Zusammenhalt.
Nüchtern betrachtet ist Rauch eine typische Vertreterin eines Milieus, das diesmal unbedingt auf der richtigen Seite der Geschichte stehen will. Und wieder falsch steht.
nzz.ch




