Sprache auswählen

German

Down Icon

Land auswählen

Germany

Down Icon

Psychologie : Warum auch Erwachsene Heimweh bekommen

Psychologie : Warum auch Erwachsene Heimweh bekommen

Heimweh haben nur Kinder? Das stimmt nicht. Auch Erwachsene kennen das Gefühl – was dahinterstecken kann und welche Tricks dagegen helfen.

Als Kind hatte ich oft Heimweh. Es gab nicht nur eine Klassenreise, von der mich meine Eltern abholen mussten, weil ich nur noch weinte. Als Erwachsene überkommt mich das Gefühl seltener, aber ab und zu habe ich immer noch Heimweh, nicht unbedingt nach einem Ort – eher nach den Personen, die sich wie Zuhause für mich anfühlen.

Deswegen haben wir Heimweh

Es gibt zahlreiche Geschichten, Lieder und Gedichte aus verschiedenen Jahrhunderten, die sich dem Gefühl des Heimwehs widmen. Der Elsässer Mediziner Johannes Hofer hatte die "Krankheit" 1688 erstmals als Ursache schweren Leidens beschrieben und Nostalgia getauft. Es wird damit eine Sehnsucht nach dem eigenen Zuhause verbunden, die viele überkommt, wenn sie weit weg von diesem sind. "Grundsätzlich ist Heimweh meistens eine Reaktion auf die Trennung von geliebten Menschen, der gewohnten Umgebung, das Bekannte letztlich", bestätigt auch Psychologin Angela Kundegraber-Leherb gegenüber "Deutschlandfunk Nova".

So gesehen fühlen wir eine Mischung aus Einsamkeit und Hilflosigkeit, und davon sind selbstverständlich auch Erwachsene nicht gefeit: "Wenn ich an einen neuen Ort komme, dann ist das anstrengend. Ich kenne mich nicht aus. Ich weiß nicht, wo ich einkaufen gehe oder habe keine Ansprechperson", sagt die Psychologin. Erst einmal mit dieser Situation überfordert zu sein, ist ganz normal. Meistens hilft es nicht, direkt dagegen ankämpfen zu wollen. Annehmen, sortieren und erst dann ins Handeln kommen, ist laut Expert:innen der Schlüssel zum Erfolg.

Die Scham des Vermissens

Ich erinnere mich noch zu gut an meinen Umzug in die Stadt, in der ich jetzt lebe. Im ersten Monat – alles war neu, und ich hatte noch kaum Anschluss gefunden – überkam mich häufig die Sehnsucht nach meinem Elternhaus, dabei wohnte ich dort schon lange nicht mehr. Gesprochen habe ich mit niemandem darüber, weil ich mir so kindisch vorkam und mich geschämt habe. Ich wollte unbedingt stark sein und auf eigenen Beinen stehen. Dass es mir geholfen hätte, das Gefühl anzunehmen und mit anderen darüber zu sprechen, habe ich erst im Nachhinein verstanden, als eine spätere Freundin mir verriet, dass es ihr ähnlich erging.

"Die Leute haben es, aber sie reden nicht drüber", erklärt Alexander Kiss, Chefarzt für Psychosomatik am Universitätsspital Basel gegenüber "Tagesspiegel". Burn-out sei gut, Heimweh und Depressionen eher schlecht. Für ihn liegt die Erklärung auf der Hand, warum das so ist: Erstens passe Heimweh nicht mehr zu unserer globalisierten Welt, in der alles miteinander vernetzt ist. Zweitens: "Es betrifft Menschen, die nicht wichtig sind", so Kiss. "Kinder, Gastarbeiter, Flüchtlinge ..., Osteuropäerinnen, die in Deutschland Alte pflegen und ihre eigene Familie in der Ferne zurücklassen, das interessiert niemanden." Die Jetsetter, Erasmus-Studis und Weltenbummler sind zwar nicht automatisch frei von Heimweh, aber sie begeben sich ja zumeist freiwillig in die Situation.

Dossier-Angebot der Brigitte

Du suchst nach Routinen, die dich beim Abschalten unterstützen? Du möchtest endlich mal wieder gut schlafen? Erfahre, wie du Stressphasen gelassen meisterst.

Jetzt entdecken

Das hilft gegen Heimweh

In erster Linie sollten Personen überlegen, was sie tun können, um sich an einem neuen Ort einzuleben, so Angela Kundegraber-Leherb. Mir hat gegen das Heimweh am meisten geholfen, neue Kontakte zu schließen. Ich habe mich in einem Fitnessstudio angemeldet und bin dort zu Sportkursen gegangen oder habe an Aktivitäten und Ausflügen teilgenommen, die in meinem Stadtteil angeboten wurden. Auch meine Wohnung zu dekorieren, sodass ich mich dort wohlfühlte, war hilfreich, um richtig anzukommen.

Da ich üben wollte, öfter mit mir allein zu sein, habe ich die Umgebung erkundet und mir ein Lieblingscafé zum Lesen gesucht. So konnte ich den anfangs fremden Ort immer mehr zu meinem neuen Zuhause umgestalten. "Neben solchen neuen Routinen sollten aber auch alte Routinen aufrechterhalten werden", bestätigt Angela Kundegraber-Leherb gegenüber "Deutschlandfunk Nova" und fügt hinzu, "dazu kann es gehören, den Tee zu trinken, den man gerne zu Hause getrunken hat oder regelmäßig Besuche von Freunden und Familie aus der Heimat einzuplanen."

Ebenso kann es hilfreich sein, Heimweh nicht ausschließlich negativ zu bewerten. Einen Ort zu haben, den man so sehr vermisst, dass es wehtut, ist irgendwie auch ein Privileg. Es zeigt, dass man eine starke Bindung zu seiner Heimat und den Menschen dort hat. Das ist in erster Linie schön, und nichts, wofür man sich schämen sollte.

eke Brigitte

#Themen
brigitte

brigitte

Ähnliche Nachrichten

Alle News
Animated ArrowAnimated ArrowAnimated Arrow