Von der Antike bis heute: Die Magie der Brunnen

Es liegt etwas Besonderes im Schimmer, dem Klang und der nahezu perfekten, eleganten Kurve von Wasserfontänen. Ob minoische Palasthöfe, persische Gärten, römische Aquädukte oder moderne Plätze: Brunnen waren und sind immer mehr als reine Dekoration: heilig, symbolisch, Begegnungsstätte und in den vergangenen Jahren auch willkommene Abkühlungspunkte in überhitzten Städten.
Von praktisch bis göttlichSeit fast 5.000 Jahren gibt es Brunnen. Zunächst erfüllten sie vor allem praktische Zwecke. Um 2.000 v. Chr. leitete man in den antiken Palästen Knossos und Zakros auf Kreta Quellwasser durch Tonrohre in Bassins, die mit Stufen versehen waren. Diese Becken waren nicht nur zum Waschen da, hier fanden auch religiöse Rituale zur Reinigung statt.

Auch im alten Ägypten tauchten Brunnen auf, oft mit Löwenköpfen als Wasserspeier - ein Motiv, das später die griechisch-römische und islamische Tradition prägte. Ein berühmtes Beispiel ist der Löwenhof in der maurischen Alhambra in Granada. Seit dem 14. Jahrhundert "spucken" hier zwölf Löwen Wasser in den zentralen Brunnen. Löwen standen für Stärke und göttlichen Schutz - so war das Löwenmotiv perfekt für Wasserspeier an Palästen und prachtvollen Eingangstoren.

In traditionellen islamischen Gärten spielten Brunnen und Wasserläufe eine zentrale Rolle. Sie spiegelten die im Koran niedergeschriebene Vorstellung des Paradieses wider und standen für Reinheit, Leben und göttliche Schönheit. Inspiriert von der maurisch-muslimischen Dynastie der Nasriden in Granada und den persischen Sassaniden sollten solche Gärten spirituelle Harmonie und Glück ausstrahlen - das Plätschern von Brunnen gehörte dabei einfach dazu.
Symbolik und SelbstdarstellungIn Europa verwandelten Renaissance und Barock die Brunnen in regelrechte Machtsymbole. Berühmt sind vor allem die Brunnen Roms: Berninis "Fontana dei Quattro Fiumi", oder "Vierströmebrunnen" auf der Piazza Navona stellt die vier großen Flüsse dar, die die damaligen Kartographen kannten: den Nil für Afrika, den Ganges für Asien, die Donau für Europa und den Río de la Plata für Amerika.

Der Trevi-Brunnen, 1762 vollendet, ist heute ein Popstar unter den Monumentalbrunnen - nicht zuletzt wegen der Legende, dass eine hineingeworfene Münze die Rückkehr nach Rom garantiert. Befeuert wurde sie durch den US-amerikanischen Kinofilm "Drei Münzen im Brunnen" (1954). Für die berühmteste Brunnenszene aber sorgte im Jahr 1960 Federico Fellinis "La Dolce Vita" (Das süße Leben). In diesem Filmklassiker nimmt Anita Ekberg zusammen mit Marcello Mastroianni ein nächtliches Bad im Trevi-Brunnen. Dies ist eine der bekanntesten Szenen der Filmgeschichte, die nicht unwesentlich zur Beliebtheit des Brunnens bei Touristen beigetragen hat. Selten hat man das Glück, den Brunnen ganz zu sehen, die Piazza vor dem Trevi-Brunnen ist meistens überfüllt.
In Istanbul stifteten reiche Familien öffentliche "Çeşme"-Brunnen, um der Bevölkerung etwas Gutes zu tun. Mit poetischen Inschriften versehen, spendeten sie kostenloses Wasser - und waren beliebte Treffpunkte in der heißen Stadt.
Moderne WasserspieleIm 20. und 21. Jahrhundert wurden manche Brunnen selbst zu Showstars. Das US-Unternehmen WET Design steckt hinter den berühmten Wasserspielen von Las Vegas und Dubai, die als die größten der Welt gelten.

Die Bellagio-Fountains in Las Vegas tanzen seit 1998 auf über 300 Metern Länge zu Musik und Licht, das Wasser schießt bis zu 138 Meter hoch. Auch dieses Wasserspiel ist zum Filmstar geworden - wie etwa in der Schlussszene von "Ocean's Eleven" (2001).
Der Dubai Fountain auf dem künstlichen Burj-Khalifa-See ist seit 2000 in Betrieb. Auf 275 Metern Breite und bis zu 150 Meter hoch, bewegt sich das Wasser im Rhythmus zu arabischen Klassikern und K‑Pop‑Hits.
Beide nutzen eigenes Wasser oder Kreislaufsysteme - angesichts von Dürreperioden ein wichtiges Thema.
Luxus oder Lebensretter?Brunnen seien Wasserverschwender, sagen Kritiker dennoch, besonders in Regionen, in denen viel Trockenheit herrscht. Im italienischen Mailand etwa wurden 2022 einige Anlagen abgeschaltet. Moderne Brunnen arbeiten meist mit recyceltem Wasser und teils sogar mit Solarpumpen. Und sie können bei hohen Temperaturen tatsächlich helfen: Feine Wassernebel kühlen die Umgebungsluft, weil die Verdunstung Hitze aufnimmt. Das kann das Klima in Städten erheblich aufwerten - wie Studien und EU-Klima-Initiativen wie "European Climate-Adapt" oder "Urban Green-Blue Grids" betonen.

Mit zunehmenden Hitzewellen entdecken europäische Städte ihre Brunnen neu. In Paris wurden 2021 die historischen Wallace-Brunnen - grüne gusseiserne Brunnenskulpturen, aus denen gefiltertes Trinkwasser sprudelt - mit Nebeldüsen nachgerüstet. In Wien gibt es Sprühbögen, interaktive Fontänen und Spielwasserzonen. Berlin baut sein Netz berührungsloser Trinkbrunnen aus - Hygiene inklusive.
Auch die Antike lebt auf: 2016 wurde in der türkischen Ausgrabungsstätte Kibyra ein 2000 Jahre alter römischer Brunnen entdeckt. Er wurde aus aus mehr als 150 Marmorteilen rekonstruiert - und seit 2023 sprudelt er wieder.

Natürlich können Brunnen allein Städte nicht kühlen - dafür bräuchte es grundlegend andere Stadtplanungen. Aber ihr leises Plätschern, die frische Brise und die Chance, sich kurz zu erfrischen, machen sie zeitlos relevant. In einer heißer werdenden Zukunft könnten Brunnen noch einmal eine echte Renaissance erleben.
Adaption aus den Englischen: Silke Wünsch
dw