Atommüll | Atommülltransporte nach Ahaus werden konkreter
Weitere Genehmigungen für Atommülltransporte ins Zwischenlager im nordrhein-westfälischen Ahaus stehen kurz bevor und sorgen für politischen Aufruhr. Konkret geht es um Straßentransporte aus dem Lager in Jülich und vom Forschungsreaktor FRM II in Garching bei München ins nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus, wie das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in Berlin mitteilte.
Transporte sollten nach BASE-Angaben ab dem vierten Quartal des laufenden Jahres möglich sein. Das müssten aber die jeweiligen Länderbehörden entscheiden, wenn die Genehmigungen erteilt seien. Geplant seien Schwertransporte auf der Straße. Aus Garching sind demnach zwei Transporte beantragt worden. Aus Jülich seien es 152 Einzeltransporte, die aber gebündelt werden könnten. Es gebe vier geeignete Transportfahrzeuge, die jeweils einen Behälter auf einmal transportieren könnten. Das Bundesamt betonte, bei den Genehmigungsentscheidungen habe man wenig Spielraum: Wenn alle Regeln eingehalten würden, müssten sie erteilt werden. Es gibt in Deutschland derzeit noch keine Endlager, in denen über Hunderttausende Jahre hinweg strahlender Atommüll sicher gelagert werden kann. Stattdessen gibt es 16 Zwischenlager, unter anderem in Ahaus.
Die Linke NRW übt massive Kritik an den geplanten Transporten und fordert Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die drohenden Atomtransporte von Jülich nach Ahaus doch noch zu verhindern. »Das Zeitfenster zur Verhinderung der gefährlichen, unnötigen und teuren Atomtransporte quer durch NRW« schließe sich, erklärte Hubertus Zdebel, atompolitischer Sprecher der Linken in NRW. Die Castor-Transporte durch das Bundesland stehen nach Ansicht der Linken in klarem Widerspruch zu der Koalitionsvereinbarung von CDU und Grünen in NRW für die Jahre 2022 bis 2027. Darin heißt es wörtlich: »Wir setzen uns für eine Minimierung von Atomtransporten ein. Das gilt auch für Transporte aus anderen Bundesländern. Im Fall der in Jülich lagernden Brennelemente bedeutet dies, dass wir die Option eines Neubaus eines Zwischenlagers in Jülich vorantreiben.« Die Linke hat in Absprache mit dem Landesvorstand in NRW einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht, über den bereits in erster Lesung diskutiert wurde. Konkret fordert Die Linke von der Bundesregierung unter anderem, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Verantwortung für die langfristige Lagerung und Vorbereitung des Atommülls für die Endlagerung bei den Verursachern in Jülich verbleiben wird.
Auch die Anti-Atom-Initiative Sofa Münster kritisiert das Vorgehen des BASE scharf und spricht von »enormem Druck«. Die Initiative sieht in der Ankündigung, Klagen hätten keine aufschiebende Wirkung, weil »Sofortvollzug« ermöglicht werde, eine »politische Drohung«. Die Organisation fordert von der schwarz-grünen NRW-Landesregierung und dem SPD-geführten Bundesumweltministerium »endlich zielorientierte Gespräche, um diesen wahnsinnigen, mehrjährigen Atomtransport-Tsunami noch abzuwenden«.
Selbst aus den Reihen der Grünen in NRW kommt deutliche Kritik. Tim Achtermeyer, Vorsitzender des Landesverbands der Grünen, bezeichnete die geplanten Castor-Transporte als »politisch falsch und gefährlich« und kritisierte den Bundesumweltminister scharf: »Der Bundesumweltminister entwickelt sich zum Castor-Carsten. Er darf den Transporten nicht zustimmen und muss dafür sorgen, dass das Zwischenlager Jülich endlich wieder eine Genehmigung erhält.« Die Grünen warnen davor, dass die Transporte Fakten schaffen, bevor klar ist, wo der Atommüll langfristig hin soll. »Die Bundesregierung muss jetzt dringend ein umfassendes Zwischenlagerkonzept liefern, bevor sie per Transport Fakten schafft und massenhaft Castoren durch halb NRW transportiert«, so Achtermeyer.
Am kommenden Mittwoch soll das Thema erneut – allerdings nicht öffentlich – im Wirtschaftsausschuss des Landtags behandelt werden. Die grüne NRW-Atomministerin Mona Neubaur hält sich dabei weiterhin bedeckt. Während die Zeit für politische Gespräche und Lösungen immer knapper wird, formiert sich der Protest mit einer eindeutigen Forderung: Die Castor-Lawine muss gestoppt werden, bevor sie losfährt. dpa/nd
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten → Themen sichtbar machen, die sonst untergehen → Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden → Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
nd-aktuell