Krankenversicherung: Will die SPD gut verdienende Bürger zur Kasse bitten?

Neuer Vorstoß: Die Beitragsbemessungsgrenze soll um 2500 Euro angehoben werden, um die Krankenkassen zu stabilisieren. Doch was ist mit den Ausgaben?
Die gesetzliche Krankenversicherung wird immer teurer. Die Zusatzbeiträge steigen in immer kürzeren Abständen. Jetzt schlägt die SPD vor, gut verdienende Versicherte stärker als bisher in die Finanzierung des Systems einzubinden.
Die Sozialdemokraten bringen eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze um rund 2500 Euro ins Gespräch. Das sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Christos Pantazis, der „Bild“-Zeitung. Demnach könne eine Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze etwa auf das Niveau der Rentenversicherung „ein Beitrag zur finanziellen Entlastung der Krankenkassen sein, ohne die Versicherten über Gebühr zu belasten“.
Die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung liegt bei 5512,50 Euro, die der Rentenversicherung bei 8050 Euro. „Für eine nachhaltige Stabilisierung der GKV-Finanzen dürfen wir uns keine Denkverbote auferlegen“, sagte Pantazis. „Wir müssen über alle relevanten Stellschrauben offen diskutieren. Dazu gehört eine Dynamisierung des Bundeszuschusses ebenso wie die kritische Überprüfung versicherungsfremder Leistungen.“
Die Union spricht sich dagegen aus. „Dadurch wird Arbeit und Leistung unnötig verteuert und es schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte der für Gesundheitspolitik zuständige stellvertretende Fraktionschef Albert Stegemann.
Der gesetzliche Beitrag ist bei 14,6 Prozent eingefroren, die Zusatzbeiträge aber erhebt jede der 94 Kassen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Lage. Nennenswerte finanzielle Rücklagen sind nicht vorhanden. Die Tendenz bei den Zusatzbeiträgen ist seit Jahren gleich: Die Kurve zeigt nach oben. Zum Jahreswechsel betrugen sie zwischen 1,7 und 2,9 Prozent. Die Einnahmen steigen also, gezwungenermaßen, denn die Ausgaben tun dies auch. Leidtragende der Gesamtentwicklung sind etwa 74 Millionen Versicherte.‘
Die Einnahmen steigen, die Ausgaben tun dies allerdings auch. Größter Posten sind die Ausgaben für Deutschlands Krankenhäuser. Eine Krankenhausreform soll in diesem Bereich für Entspannung sorgen, der Umbau der Kliniklandschaft beansprucht in den kommenden zehn Jahren jedoch erst einmal 50 Milliarden Euro, unabhängig davon, ob er am Ende tatsächlich zu Einsparungen führt.
Medikamente sind der zweitgrößte Kostentreiber. Im vergangenen Jahr erreichten die Ausgaben für Medikamente einen neuen Höchststand mit etwa 55,2 Milliarden Euro. Das entsprach einem Plus von 9,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die GKV brachte den größten Teil davon auf, nämlich 53,7 Milliarden. Pro Kopf gibt Deutschland so viel Geld für Arzneimittel aus wie kein anderes Land in Europa.
Krankenversicherung zahlt für versicherungsfremde LeistungenHinzu kommen strukturelle Defizite, allen voran der Umstand, dass sich Deutschland so viele gesetzliche Kassen leistet, ohne nennenswerten Wettbewerb untereinander, aber mit jeweils einem eigenen Verwaltungsapparat. Da sie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, darf sich der Staat an ihren Rücklagen bedienen, was die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) zuletzt auch ausgiebig taten.
Versicherungsfremde Leistungen wie Bürgergeld oder Mutterschaftsgeld spielen eine Rolle. Ein Teil der Beiträge gesetzlich Versicherter landet zudem auf den Konten von Anlegern. Dorthin gelangt es über den Umweg von Finanzinvestoren, die sich zunehmend im Gesundheitswesen engagieren, nicht nur in Krankenhäusern oder Arztpraxen. Die meisten Kassen zum Beispiel nehmen die Dienste eines Rechenzentrums in Anspruch, hinter dem ein Unternehmen der Private Equity steht.
Berliner-zeitung