Lauterbach bei Lanz: Was für ein irritierender Auftritt

Wer Karl Lauterbach am Donnerstagabend bei „Markus Lanz“ gesehen hat, konnte den Eindruck gewinnen: Der Ex-Gesundheitsminister hatte Spaß. Es ging um die Masken-Deals seines Vorgängers Jens Spahn – einen durchaus ernsten Vorgang also, bei dem wohl Milliarden an Steuergeldern in den Sand gesetzt wurden und wegen dem der Bund bis heute in zahlreiche Prozesse mit Unternehmen verstrickt ist. Lauterbach aber musste immer wieder grinsen und kichern. Die Milliardenverschwendung; die Glücksritter, die sich in der Not bereicherten; der aktuell diskutierte Aufklärungsbericht, der bis zur Unkenntlichkeit geschwärzt ist – alles irgendwie lustig? Es war ein irritierender Auftritt.
Besonders befremdlich war, wie sich der Ex-Minister im ZDF-Studio als Ritter der Transparenz präsentierte. So amüsiert er sich zwischendurch zeigte, so deutlich brachte er auch sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, wie jetzt mit dem sogenannten Sudhof-Bericht umgegangen wird. Das ist jener Bericht, mit dem Lauterbach in seiner Ministerzeit die frühere Staatssekretärin Margaretha Sudhof beauftragt hatte, um die Masken-Deals der Corona-Jahre aufzuklären, und den seine Nachfolgerin Nina Warken (CDU) nun eher widerwillig und mit weitreichenden Schwärzungen an den Haushaltsausschuss des Bundestages übermittelt hat. Die Botschaft seines Fernsehauftritts war klar: Lauterbach hätte das anders, transparenter gemacht.
Hat er aber nicht – und darin liegt das Problem. Lauterbach gab selbst an, dass ihm der Sudhof-Bericht am Ende seiner Amtszeit vorlag. Er hätte ihn also selbst längst publizieren können und unterließ es.
Wie sehr stand der Wunsch nach Aufklärung Pate bei diesem Vorgehen?Das ist nicht alles. Die ganze zur Schau getragene Selbstwahrnehmung in Sachen Aufklärungsanspruch zeigt, welch armseligen Transparenz-Ritter Lauterbach abgibt. Ohne Zweifel: Spahns teure Deals gehören aufgearbeitet, am besten in einem Untersuchungsausschuss. Lauterbachs Rolle sollte jedoch nicht unter den Tisch fallen.
Man muss dazu den gesamten Vorgang von vorn betrachten. Früh schon in seiner Ministerzeit hatte Lauterbach Aufklärung zu den Masken-Deals versprochen, zunächst aber herzlich wenig dazu beigetragen. Viel zu spät erst orderte er einen Report zu den Vorgängen – schließlich beauftragte er, der SPD-Politiker, ausgerechnet eine SPD-Kollegin damit, vor allem die Amtsgeschäfte seines CDU-Vorgängers aufzuarbeiten. Wie sehr stand wirklich der Wunsch nach Aufklärung Pate bei diesem Vorgehen? Mit Spahn selbst sprach Sudhof während ihrer Recherchen offenbar nie. Weil sie mit keinem politisch Verantwortlichen sprach, begründete Lauterbach bei Lanz – ohne zu erklären, warum nicht gerade sein Vorgänger als Gesundheitsminister einen Beitrag zur Sache hätte leisten können, die ihn unmittelbar betrifft.
Schließlich behielt Lauterbach den Bericht in der Schublade. Er vererbte das toxische Dokument seiner Nachfolgerin, die nun belastet in ihre Amtszeit startet: Die Öffentlichkeit erwartet Aufklärung, doch Parteifreund Spahn – als Unionsfraktionschef der zweitmächtigste Mann der CDU – sollte schon irgendwie auch vor Angriffen geschützt werden. Seine Affäre ist damit jetzt auch ihre.
Nein, einen Kampf für Transparenz führt der Ex-Minister nichtUnd Lauterbach? Mokiert sich im Fernsehstudio über die ganzen Schwärzungen, die Warken vornehmen ließ. Ausgerechnet er! In seine Amtszeit fielen die umfangreichen Schwärzungen der Corona-Protokolle aus dem Robert Koch-Institut, das ihm unterstellt war – Dokumente, auf die die Öffentlichkeit nach dem Informationsfreiheitsrecht (IFG) einen Anspruch hatte, die jedoch erst freigeklagt werden mussten. Mehr noch: Das Gesundheitsministerium selbst trat in Lauterbachs Amtszeit die Informationsfreiheit mit Füßen. Ein Jahr und länger dauerten die Auskunftsverfahren nach dem IFG, die laut Gesetz in ein oder zwei Monaten abgeschlossen sein sollten. Fairerweise muss man sagen: Wegen des Interesses an der Pandemiepolitik gab es in Lauterbachs Amtszeit sehr viele Auskunftsanträge, die zuständigen Fachleute seines Ministeriums waren überlastet. Doch ein Minister, der sich die Aufklärung auf die Fahnen schreibt, hätte die Ressourcen an den Bedarf anpassen können – Lauterbach tat dies nicht.
Bei Lanz saß er nun in der privilegierten Lage als einer der ersten, die den – ungeschwärzten – Sudhof-Bericht bereits vor Monaten lesen konnten. Er plauderte freimütig darüber, wie Ex-Kanzler Olaf Scholz darin Erwähnung findet (seinen Worten nach ist das kaum der Rede wert). Als Lanz ihn mehrfach fragte, was denn über ihn selbst drinstehe, verweigerte Lauterbach hingegen fröhlich die Antwort.
Nein, einen Kampf für Transparenz führt der Ex-Minister nicht. Er betreibt ein Konjunkturprogramm für Politikverdrossenheit.
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Berliner-zeitung