Rostock: Vorsitzender der jüdischen Gemeinde bangt um Mutter in Israel

Rostock. Die Eskalation im Nahen Osten, der Krieg zwischen Israel und dem Iran wirkt sich bis nach Mecklenburg-Vorpommern aus: Die jüdischen Gemeinden im Land fürchten um ihre Sicherheit, fordern mehr Schutzmaßnahmen – auch bei Sportveranstaltungen, an denen jüdische Vereine und Sportler teilnehmen.
„Ich lebe seit 30 Jahren in MV. Aber seit dem 7. Oktober 2023 - dem Terror der Hamas gegen Israel – hat auch hier der Antisemitismus spürbar zugenommen. Es ist schlimm“, sagt Gianna Marčuk (57) von der Zentralwohlfahrtstelle für Juden in MV (ZWST). Erste Reisen hat sie bereits abgesagt – wegen Sicherheitsbedenken. Viele Juden im Land bangen zudem um ihre Verwandten in Israel.
Juri Rosov (64), der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Rostock, telefoniert täglich mit seiner Schwester, seinem Neffen und seiner 83 Jahre alten Mutter in Israel. „Sie lebt in der Nähe von Tel Aviv. Drei bis vier Mal am Tag kommen Raketenwarnungen.“ Mit dem Fahrstuhl muss die ältere Dame dann ins Erdgeschoss – und 20 weitere Stufen zu Fuß in den Schutzraum. Beschwerlich sei das. „Sie bekommt kaum noch Schlaf.“

Juri Rosov, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Rostock, und Gemeindemitglied Gianna Marčuk.
Quelle: Thorsten Czarkowski
Dass Israel gegen den Iran losgeschlagen hat – Rosov steht hinter der Entscheidung: „Es war 5 vor 12. Der Iran hat immer angekündigt, dass er Israel auslöschen wird, sobald er die Atombombe hat.“
Bereits unmittelbar nach den ersten israelischen Luftangriffen auf Militär- und Atomanlagen im Iran hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (69, CDU) angekündigt, dass jüdische und israelische Einrichtungen noch stärker geschützt werden sollen.
„Nach dem 7. Oktober 2023 hat die Landespolizei gemeinsam mit den jüdischen und israelischen Gemeinden eine Einschätzung zum Schutz vorgenommen. Diese Maßnahmen gelten weiterhin“, so Marie Boywitt, Sprecherin von Innenminister Christian Pegel (51, SPD). Die Lage werde ständig beobachtet.
Gianna Marčuk
Zentralwohlfahrtsstelle für Juden in MV
„Zum Umfang der Maßnahmen geben wir keine Auskunft“, heißt es aus dem Ministerium. Die Dokumentations- und Informationsstelle Antisemitismus in MV hat 92 antisemitische Vorfälle im vergangenen Jahr dokumentiert - 77 Prozent mehr als 2023.
Auch deshalb arbeitet die jüdische Gemeinde in Rostock daran, den Schutz ihrer Synagoge zu verstärken. „Die Bauarbeiten stehen vor dem Abschluss“, so Juri Rosov. „Bei Veranstaltungen und Gottesdiensten wünschen wir uns mehr Polizeipräsenz.“

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In MV gibt es zwei jüdische Gemeinden – in Rostock und in Schwerin. In ihnen sind nach Angaben des Zentralrates der Juden etwa 1200 Gläubige organisiert.
Zum Gemeindeleben gehören auch die beiden jüdischen Sportvereine. „Wir trainieren in unterschiedlichen Turnhallen in Rostock, machen die Zeiten nicht bekannt. Aber wir würden uns sicherer fühlen, wenn die Polizei öfter mal vorbeischauen würde“, sagt Alexander Bondar, ein Sprecher von TuS Makkabi Rostock.

Der Schutz jüdischen Lebens ist Staatsziel in Mecklenburg-Vorpommern (Symbolbild).
Quelle: Jens Büttner/dpa
Der Verein bietet Schach, Tanz und Fechten an. „Wir haben auch Rollstuhlfahrer, die bei uns Sport treiben. Einige gehen nur noch mit Pfefferspray aus dem Haus.“ ZWST-Chefin Marcuk sagt, sie habe bereits eine Gruppenreise abgesagt: „Wir wären viel in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen. Das ist uns als Gruppe im Moment zu heikel.“ Sie fürchtet, dass die Eskalation mit dem Iran auch in MV den Antisemitismus weiter anheizen werde.
rnd