Solidarität mit Linksextremisten: Darum besucht Göring-Eckardt Maja T. im ungarischen Gefängnis in Budapest

Das mutmaßliche Mitglied der „Hammerbande“ soll in Budapest Personen hinterrücks die Köpfe eingeschlagen haben. Linksextreme und Grüne sehen Maja T. als Opfer.
Katrin Göring-Eckardt wird an diesem Sonnabend nach Budapest reisen. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen wird einen linksextremen mutmaßlichen Schläger im Gefängnis besuchen.Laut der Anklage der ungarischen Behörden soll der aus Jena stammende Simeon T., so sein bürgerlicher Name, gemeinsam mit weiteren Personen Sympathisanten der rechtsextremen Szene in Budapest gezielt angegriffen und mindestens vier schwer verletzt haben. Ihm werden versuchter Totschlag, besonders schwere Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen bis zu 24 Jahre Haft.
Der heute 24-Jährige soll Mitglied der berüchtigten „Hammerbande“ sein, die auch in Deutschland Jagd auf echte oder vermeintliche Rechtsextremisten machte und diese zum Teil schwer verletzte. Im Februar 2023 traktierte der Schlägertrupp in Budapest mutmaßliche Neonazis mit Hämmern und Totschlägern. Diese sollen am jährlich stattfindenden „Marsch der Ehre“ teilgenommen haben.
Deshalb ermittelte gegen Simeon T. und die anderen die Bundesanwaltschaft. Im Dezember 2023 stürmte eine Spezialeinheit das Zimmer eines Berliner Hotels, in dem Simeon T. untergekommen war. Nach Vollstreckung des Haftbefehls des Bundesgerichtshofs lieferte ihn die Bundesrepublik nach Ungarn aus. Der 24-Jährige sitzt nun dort in Untersuchungshaft, wo ihm nach dem Tatortprinzip der Prozess gemacht wird. Man hört, dass die Haftbedingungen nicht so gut sein sollen wie in Deutschland. Von Isolationshaft reden der Verhaftete und seine politischen Freunde.
Die Gefängnisse in Deutschland sollen angenehmer sein als in UngarnSeit Simeon T. in Ungarn in Haft sitzt, möchte er Maja genannt werden. Er bezeichnet sich als „nonbinär“, also weder männlich noch weiblich. In Ungarn gelten nonbinäre und Transpersonen von der Menschenrechtslage her als benachteiligt, was ein zusätzliches Argument schafft, T. nach Deutschland zurückzuholen, wo es wesentlich liberaler zugeht als in Ungarn.
Weil Maja T. in Jena aufwuchs, fühlt Katrin Göring-Eckardt als Thüringer Abgeordnete nach eigenen Angaben „eine besondere Verantwortung“. Die Berliner Zeitung wollte von ihr wissen, was sie mit ihrem Gefängnisbesuch an diesem Wochenende erreichen will und ob sie ein Risiko sieht, dass Linksextremisten diesen Besuch instrumentalisieren könnten. Wir wollten auch wissen, ob die Grünen-Politikerin die Gefahr sieht, dass linksextremistische Gewalttaten durch solch einen Besuch legitimiert werden könnten.
Die Fragen beantwortet die Politikerin nicht wirklich. Gewalt dürfe niemals Mittel politischer Auseinandersetzung sein, schreibt sie. Wer Straftaten begehe, müsse sich dafür verantworten. Sie habe aber erhebliche Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens. Die Grünen-Politikerin kritisiert zudem die Haftbedingungen: „Isolationshaft, unverhältnismäßige Maßnahmen, politisch aufgeladene Justiz.“

„Im Fall Maja T. geht es auch um etwas anderes“, betont Göring-Eckardt. „Es geht um den Kern unserer europäischen Werte. Um ein gemeinsames Verständnis von Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und fairer Justiz in Europa.“ Sie verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung von Maya T. nach Ungarn für rechtswidrig erklärt hat. „In meinen Gesprächen mit den ungarischen und deutschen Behörden werde ich mich dafür einsetzen, dass eine Rückführung von Maja T. nach Deutschland und ein gerechtes Verfahren ermöglicht werden.“
Selten erfährt jemand, der wegen schwerer Körperverletzung angeklagt ist, so viel Solidarität, bei der es heißt, dass die Auslieferung in einen EU-Staat, wo die Tat stattfand, „Kern unserer europäischen Werte“ sei.
Solidarität bekommt der mutmaßliche Schläger auch von dem Europa-Abgeordneten der Linken Martin Schirdewan, der als Prozessbeobachter in Budapest ist. Und die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Heidi Reichinnek, bezeichnete jüngst den Prozess in Ungarn als eine Farce: In Budapest stünden „auf der einen Seite der Rechtsstaat und Demokratie und auf der anderen politische Willkürjustiz und Autoritarismus“.
Die Empörung bleibt ausMan kann Reichinneks Bundestagsrede auf X anschauen. In den Kommentaren darunter wirft ein Hamburger Anwalt für Strafrecht unter anderem die Frage auf, ob die Linke-Politikerin sich auch so vehement einsetzen würde, wenn Simeon/Maja ein Rechter wäre, der mutmaßlich aus seiner/ihrer Sicht Linken mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen haben soll.
Die linksextreme Szene fordert ebenfalls die Rückkehr von Maja T. Vor zwei Wochen marschierten mehr als 5000 aus ganz Deutschland angereiste Anhänger der Antifa durch die Innenstadt von Jena. Die teils vermummten Demonstranten zündeten Rauchbomben und warfen Pyrotechnik auf die Polizei. Drei Beamte wurden verletzt. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete wohlwollend, dass die Polizei ruhig geblieben und der Protest ohne Zwischenfälle verlaufen sei.
In Berlin verübten Linksextreme in der Nacht zum 13. Juni einen Brandanschlag auf ein Auto der Stölting-Gruppe, die unter anderem Dienstleistungen in Gefängnissen anbietet. Laut dem im Internet veröffentlichten Bekennerschreiben geschah dies aus „Solidarität mit Maja und allen Gefangenen“.
Die mediale Empörung über diese Taten blieb aus.
Berliner-zeitung