Bei der Frauen-EM schaffen deutsche Fans, was bei den Männern selten gelingt

Die deutsche Nationalmannschaft steht nach zwei Siegen bei der Frauen-EM im Viertelfinale. Die großen Gewinner sind jedoch die deutschen Fans. Sie schaffen in der Schweiz etwas, was bei den Männern selten gelingt.
Die 40. Minute ist ein Schlüsselerlebnis im deutschen Spiel gegen Dänemark. Sjoeke Nüsken steht schon mit dem Ball am Elfmeterpunkt, doch diesen Strafstoß wird sie nie schießen. Die Dänin Thögersen hatte den Ball knapp außerhalb des Strafraums an die Hand bekommen. Deshalb wandelt der VAR den Elfmeterpfiff in einen zum Freistoß um.
Die deutschen Fans zeigen danach ein ganz feines Gespür für das Spiel und das, was ihre Mannschaft jetzt braucht. Nach den beinahe obligatorischen Pfiffen in minutenlangen VAR-Unterbrechungen, bleibt die weiße Wand mit den rosa Punkten (viele tragen die kultigen Trikots der Männer-EM von 2024) nicht stumm oder pfeift weiter. Sie fängt stattdessen an zu singen und die deutschen Frauen nach vorne zu peitschen.
Das Resultat sind drückend überlegene Deutsche, die sich schließlich durch einen Elfmeter und ein Slapstick-Tor belohnen und das ohnehin glimmende Stadion richtig anzünden. Auch als es am Ende nochmal eng zu werden droht, tragen die Fans die DFB-Frauen über die Ziellinie und helfen mit, den Sieg zu sichern.

Was am Dienstag in Basel passiert, ist nur die Fortsetzung des genialen Auftakts in St. Gallen. Auch gegen Polen ist das Stadion fest in deutscher Hand und die Fans singen, klatschen und jubeln ihre Mannschaft nach vorne. In beiden Stadien sind über die Hälfte der Zuschauer Fans der deutschen Mannschaft. In Basel sind rund 17.000 deutsche Fans auf den Rängen - der bisherige Rekord wurde nicht nur verdreifacht, er wurde pulverisiert. Was besonders auffällt: Der deutsche Block, die weiße Wand, ist wieder da.
Normalerweise geht man zu Länderspielen mit deutscher Beteiligung, weil sowohl die Frauen als auch die Männer für guten Fußball stehen. Als das in den vergangenen Jahren nicht mehr der Fall war, nahm der Zuschauerzuspruch ab – warum sonst sollte man ein DFB-Länderspiel besuchen?
Als Deutschland sein Auftaktspiel gegen Schottland in München gewinnt, dürfen die deutschen Fans sechsmal jubeln (ein Tor von Niklas Füllkrug zählt dann doch nicht) – und das war’s mit den Momenten, in denen man den heimischen Anhang hört. Die klar unterlegen Schotten singen sich hingegen die Seele aus dem Leib und jubeln zweimal frenetischer als die Deutschen bei allen Toren zusammen: Als Füllkrugs Tor aberkannt wird und als die Schotten dank eines Eigentores von Antonio Rüdiger selbst was zu jubeln haben. Sieger auf den Rängen: Klar die Gäste.
Dass die meisten von Ihnen keine eingefleischten Ultras sind? Sogar positiv, weil sie trotzdem nahbar sind. Als die ausgeknockte Dänin Snerle den Platz verlässt, klatschen auch die deutschen Fans fair. Ärger rund um die Spiele mit anderen Fans? Fehlanzeige.
Bislang feiern die deutschen Fans in der Schweiz ein einziges großes Fest mit Schwerpunkt auf den Spielen ihrer Mannschaft. Die steht schon jetzt sicher im Viertelfinale und beschert ihren Fans mindestens dieses eine weitere Spiel. Wenn die weiße Wand aber so weitermacht, fliegen Deutschland in der Schweiz nicht nur die Herzen zu. Dann gibt es am Ende richtig was zu jubeln.
FOCUS