Die Spielergewerkschaft wollte ein Camp für vertragslose Fussballerinnen ausrichten – und erhielt keine einzige Anmeldung


Eigentlich hätte die «NZZ am Sonntag» diese Woche eine Reportage aus Glattbrugg publizieren wollen. Die Spielergewerkschaft SAFP hält dort jeweils ihr sommerliches Camp für vertragslose Fussballer ab, eine rege genutzte Überbrückungsmöglichkeit für jene Akteure, die das Transferkarussell abgeworfen und vergessen hat.
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Es ist der Gegenschnitt zu Auswüchsen wie dem gerade vollzogenen Wechsel von João Pedro von Brighton zu Chelsea für knapp 60 Millionen Franken. In Glattbrugg sind manche froh, wenn sie mit der Miete nicht in Verzug geraten.
Am Montag sollte ein identisches Angebot für Fussballerinnen starten. Man möchte auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, was die Gleichstellung angeht, im Sommer der Heim-EM sowieso. Die SAFP erstellte einen Hochglanzprospekt und bot die gleichen Konditionen wie bei den Männern: tägliche Einheiten mit Profitrainern und Verpflegung, beides unentgeltlich. Für Spielerinnen, die weiter als 100 Kilometer von Zürich entfernt wohnen, zudem kostenloses Logis.
Doch nun findet das Camp nicht statt. Aus einem simplen Grund: Es gab keine einzige Anmeldung. Schon 2024 hatte sich nur eine Spielerin eingeschrieben: die Bulgarin Simona Stefanova, die dann mit den Männern mittrainierte, ehe sie Unterschlupf im FC Thun fand.
Der fehlende Zuspruch für das Camp ist schnell erklärt. Es gibt viel weniger Spielerinnen, erst recht solche mit Profistatus, die Mechanismen des Transfermarkts funktionieren anders. Die in Glattbrugg gemieteten Plätze sind für die SAFP nur tagsüber nutzbar, was für viele Fussballerinnen ein Problem darstellt, weil sie selbst in der höchsten Liga oft so wenig verdienen, dass sie ohne einen zweiten Job nicht über die Runden kommen.
Was meist zur Konsequenz hat, dass nur abends trainiert werden kann. «Viele Frauen können es sich schlicht nicht leisten, das Camp zu nutzen», sagt João Paiva, der seit vielen Jahren das Männer-Camp leitet. Und Cheftrainer der GC-Frauen ist.
Paiva, 42, weist darauf hin, dass es in der Liga Reformen brauche, Professionalisierung und auch eine Aufwertung der Infrastruktur. Er sagt: «Ich war am Mittwoch auch in Basel im Stadion. Die EM ist super, eine wunderbare Sache. Aber ich mache mir Sorgen darum, ob wir den Schwung in den Alltag mitnehmen können.» Die Frauen des FC Basel haben in dieser Saison kein einziges Mal im St.-Jakob-Park gespielt. Und das in der EM-Saison. «Ich befürchte, dass die EM wie ein Feuerwerk sein wird. Es leuchtet wunderbar hell am Himmel, wir klatschen alle begeistert, aber am Ende bleibt nichts zurück.»
Das wäre eine trübe Perspektive. Dass es auch anders geht, zeigt in Glattbrugg das englische Frauen-Nationalteam. Die im Luxushotel Dolder Grand einquartierten Engländerinnen trainieren auf der Sportanlage Au, haben einen eigenen Greenkeeper mitgebracht und für die drei Turnierwochen die Infrastruktur umfassend ausgebaut. Es ist ein Kontrastprogramm, das auf vertragslose Spielerinnen etwas desillusionierend wirken könnte. Oder inspirierend.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»
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